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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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lmptionspflichtige für untüchtig zum Dienst erklärt, als wirklich untüchtig sind.
sieht, daß dann immer noch zu viele als tüchtig übrigbleiben, als daß
^ alle in das stehende Heer eingestellt werden könnten. Von dem Ueberschuß
körperlich Tüchtigen fällt nun ein kleiner Bruchtheil in Berücksichtigung
bürgerlicher und Familienverhältnisse aus. der ganze Rest aber wird aus-
Keloost. Das Loos entscheidet darüber, wer von den tüchtig Befundenen
^utiles eingestellt werden soll, wer nicht. Die körperlich Tüchtigen, aber doch
Zurückgestellten bleiben indessen dienstpflichtig, sie bilden eine Reserve, auf
Welche ,in Fall einer Mobilisirnng des Heeres zurückgegriffen werden kann,
-luscxercirt werden sie aber bei friedlichen Zeiten nie. Wollte man alle dienst-
^'seigen jungen Leute wirtlich militärisch ausbilden, so müßte man jährlich
^5,000 Mann ins stehende Heer einstellen; sollte die dreijährige Präsenz bei
°^ Fahne beibehalten werden, so machte dies 315,000 Mann in drei Jahren
"det das ganze stehende Heer käme dabei mit Offizieren, Unteroffizieren n. s. w.
"Uf 350.000 Mann. Es ist klar, daß die Ausgabe für eine solche stehende
^Mee eine für Preußen unerschwingliche würde. Wollte man aber alle dienst-
tuchtige Mannschaft wirklich einstellen und ausbilden, also das Wort wahr
"'"chen- in Preußen ist jeder Mann Soldat. -- ohne doch die Kosten des
^ehrwescns im Vergleich mit jetzt zu erhöhen, so müßte man die Prnsenz-
Mt bei der Fahne für die erste Ausbildung auf höchstens ein Jahr herab-
vrücken.

Wir mußten diese vorläufigen Bemerkungen vorausschicken, um auf eine
^age eintreten zu können, die in den letzten Jahren vielfach zur Sprache
^'bracht worden ist: die Frage der Abschaffung des Landwehrsystems. Wie
'^nig dasselbe nach dem Vorigen zu dem Ausspruch berechtigt: in Preußen
'se jeder Mann Soldat, so ist doch nicht zu leugnen, daß dasselbe vorzugs¬
weise Preußen in den Stand setzt, eine Achtung gebietende Armee ins Feld
^ stellen. Die Landwehr hat nun sehr verschiedne Gegner.

Die Einen sagen: wozu sott ein Volk gewissermaßen zwei Armeen haben?
^'°zu soll eine Art Garde des Volkes (Nationalgarde) einer Art Garde des Fürsten
^ eine weit verbreitete Ansicht vom Verhältniß der Landwehr zur Linie -- aut-
^engestellt werden? Man verwandle das Landwehrsystem in ein einfaches
eservefystem. In diesem Sinn sind auch wir Gegner der Landwehr. Der
'verschied zwischen uns und andern besteht nur darin, daß wir die ganze
>n>e in eine Landwehr verwandelt haben möchten, d. h. eine einzige Armee.
Grundton jener eines angemessen modificirten Landwehrsystems wäre,
"brend diese die Landwehr.' so'weit es in ihren Kräften steht, in Linie ver-
^'Ndcln möchten. Von andern Seiten wird die Landwehr als unverträglich
^ Monarchischen Institutionen, als ein militärisches Demokratenthnm im
Staate verworfen. Eine dritte Partei sagt endlich, daß Preußen seine Groß-


lmptionspflichtige für untüchtig zum Dienst erklärt, als wirklich untüchtig sind.
sieht, daß dann immer noch zu viele als tüchtig übrigbleiben, als daß
^ alle in das stehende Heer eingestellt werden könnten. Von dem Ueberschuß
körperlich Tüchtigen fällt nun ein kleiner Bruchtheil in Berücksichtigung
bürgerlicher und Familienverhältnisse aus. der ganze Rest aber wird aus-
Keloost. Das Loos entscheidet darüber, wer von den tüchtig Befundenen
^utiles eingestellt werden soll, wer nicht. Die körperlich Tüchtigen, aber doch
Zurückgestellten bleiben indessen dienstpflichtig, sie bilden eine Reserve, auf
Welche ,in Fall einer Mobilisirnng des Heeres zurückgegriffen werden kann,
-luscxercirt werden sie aber bei friedlichen Zeiten nie. Wollte man alle dienst-
^'seigen jungen Leute wirtlich militärisch ausbilden, so müßte man jährlich
^5,000 Mann ins stehende Heer einstellen; sollte die dreijährige Präsenz bei
°^ Fahne beibehalten werden, so machte dies 315,000 Mann in drei Jahren
"det das ganze stehende Heer käme dabei mit Offizieren, Unteroffizieren n. s. w.
"Uf 350.000 Mann. Es ist klar, daß die Ausgabe für eine solche stehende
^Mee eine für Preußen unerschwingliche würde. Wollte man aber alle dienst-
tuchtige Mannschaft wirklich einstellen und ausbilden, also das Wort wahr
"'"chen- in Preußen ist jeder Mann Soldat. — ohne doch die Kosten des
^ehrwescns im Vergleich mit jetzt zu erhöhen, so müßte man die Prnsenz-
Mt bei der Fahne für die erste Ausbildung auf höchstens ein Jahr herab-
vrücken.

Wir mußten diese vorläufigen Bemerkungen vorausschicken, um auf eine
^age eintreten zu können, die in den letzten Jahren vielfach zur Sprache
^'bracht worden ist: die Frage der Abschaffung des Landwehrsystems. Wie
'^nig dasselbe nach dem Vorigen zu dem Ausspruch berechtigt: in Preußen
'se jeder Mann Soldat, so ist doch nicht zu leugnen, daß dasselbe vorzugs¬
weise Preußen in den Stand setzt, eine Achtung gebietende Armee ins Feld
^ stellen. Die Landwehr hat nun sehr verschiedne Gegner.

Die Einen sagen: wozu sott ein Volk gewissermaßen zwei Armeen haben?
^'°zu soll eine Art Garde des Volkes (Nationalgarde) einer Art Garde des Fürsten
^ eine weit verbreitete Ansicht vom Verhältniß der Landwehr zur Linie — aut-
^engestellt werden? Man verwandle das Landwehrsystem in ein einfaches
eservefystem. In diesem Sinn sind auch wir Gegner der Landwehr. Der
'verschied zwischen uns und andern besteht nur darin, daß wir die ganze
>n>e in eine Landwehr verwandelt haben möchten, d. h. eine einzige Armee.
Grundton jener eines angemessen modificirten Landwehrsystems wäre,
"brend diese die Landwehr.' so'weit es in ihren Kräften steht, in Linie ver-
^'Ndcln möchten. Von andern Seiten wird die Landwehr als unverträglich
^ Monarchischen Institutionen, als ein militärisches Demokratenthnm im
Staate verworfen. Eine dritte Partei sagt endlich, daß Preußen seine Groß-


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[0363] lmptionspflichtige für untüchtig zum Dienst erklärt, als wirklich untüchtig sind. sieht, daß dann immer noch zu viele als tüchtig übrigbleiben, als daß ^ alle in das stehende Heer eingestellt werden könnten. Von dem Ueberschuß körperlich Tüchtigen fällt nun ein kleiner Bruchtheil in Berücksichtigung bürgerlicher und Familienverhältnisse aus. der ganze Rest aber wird aus- Keloost. Das Loos entscheidet darüber, wer von den tüchtig Befundenen ^utiles eingestellt werden soll, wer nicht. Die körperlich Tüchtigen, aber doch Zurückgestellten bleiben indessen dienstpflichtig, sie bilden eine Reserve, auf Welche ,in Fall einer Mobilisirnng des Heeres zurückgegriffen werden kann, -luscxercirt werden sie aber bei friedlichen Zeiten nie. Wollte man alle dienst- ^'seigen jungen Leute wirtlich militärisch ausbilden, so müßte man jährlich ^5,000 Mann ins stehende Heer einstellen; sollte die dreijährige Präsenz bei °^ Fahne beibehalten werden, so machte dies 315,000 Mann in drei Jahren "det das ganze stehende Heer käme dabei mit Offizieren, Unteroffizieren n. s. w. "Uf 350.000 Mann. Es ist klar, daß die Ausgabe für eine solche stehende ^Mee eine für Preußen unerschwingliche würde. Wollte man aber alle dienst- tuchtige Mannschaft wirklich einstellen und ausbilden, also das Wort wahr "'"chen- in Preußen ist jeder Mann Soldat. — ohne doch die Kosten des ^ehrwescns im Vergleich mit jetzt zu erhöhen, so müßte man die Prnsenz- Mt bei der Fahne für die erste Ausbildung auf höchstens ein Jahr herab- vrücken. Wir mußten diese vorläufigen Bemerkungen vorausschicken, um auf eine ^age eintreten zu können, die in den letzten Jahren vielfach zur Sprache ^'bracht worden ist: die Frage der Abschaffung des Landwehrsystems. Wie '^nig dasselbe nach dem Vorigen zu dem Ausspruch berechtigt: in Preußen 'se jeder Mann Soldat, so ist doch nicht zu leugnen, daß dasselbe vorzugs¬ weise Preußen in den Stand setzt, eine Achtung gebietende Armee ins Feld ^ stellen. Die Landwehr hat nun sehr verschiedne Gegner. Die Einen sagen: wozu sott ein Volk gewissermaßen zwei Armeen haben? ^'°zu soll eine Art Garde des Volkes (Nationalgarde) einer Art Garde des Fürsten ^ eine weit verbreitete Ansicht vom Verhältniß der Landwehr zur Linie — aut- ^engestellt werden? Man verwandle das Landwehrsystem in ein einfaches eservefystem. In diesem Sinn sind auch wir Gegner der Landwehr. Der 'verschied zwischen uns und andern besteht nur darin, daß wir die ganze >n>e in eine Landwehr verwandelt haben möchten, d. h. eine einzige Armee. Grundton jener eines angemessen modificirten Landwehrsystems wäre, "brend diese die Landwehr.' so'weit es in ihren Kräften steht, in Linie ver- ^'Ndcln möchten. Von andern Seiten wird die Landwehr als unverträglich ^ Monarchischen Institutionen, als ein militärisches Demokratenthnm im Staate verworfen. Eine dritte Partei sagt endlich, daß Preußen seine Groß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/363>, abgerufen am 28.09.2024.