Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.vertreten. Ihre Synagoge vermochte ich, bei man nicht wissen wollte, wo sie Ein Zwitterding zwischen Juden und Christen sind die sogenannten Ame- Von den christlichen Sekten spielen die Abyssinier und die Kopten eine Noch nicht so zahlreich sind die Syrer, welche ebenfalls Jcikobiteu si"d' vertreten. Ihre Synagoge vermochte ich, bei man nicht wissen wollte, wo sie Ein Zwitterding zwischen Juden und Christen sind die sogenannten Ame- Von den christlichen Sekten spielen die Abyssinier und die Kopten eine Noch nicht so zahlreich sind die Syrer, welche ebenfalls Jcikobiteu si»d' <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107934"/> <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> vertreten. Ihre Synagoge vermochte ich, bei man nicht wissen wollte, wo sie<lb/> sei, nicht zu finden. Der Hauptsitz der Sekte ist in der Krim, und man rühmt<lb/> ihr das Gegentheil der gewöhnlichen Mischen Charakterfehler nach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1144"> Ein Zwitterding zwischen Juden und Christen sind die sogenannten Ame-<lb/> niten, eine Sekte, die vor einiger Zeit in Deutschland entstand und im vori¬<lb/> gen Jahre, ihren Propheten, den getauften Juden Samuel Pick an der Spitze,<lb/> in Jerusalem anlangte. Sie lehren in der Hauptsache, daß man statt des<lb/> Sonntags den Sabbath zu feiern habe, daß das ganze Gesetz gehalten wer¬<lb/> den müsse, verwerfen den Talmud, aber auch die Briefe des Apostels Paulus<lb/> und meinen, daß die Wiederkunft Christi nahe sei. Pick ist einer der ver¬<lb/> heißenen Zeugen, welche dieser Wiederkunft vorangehen sollen. Die Sekte<lb/> versuchte anfänglich die protestantische Gemeinde der Zionskirche von der Wahr¬<lb/> heit dieses neuen Evangeliums zu überzeugen, und als das mißlang, machte<lb/> sie sich an die Rabbiner, mit denen ihr Führer, ein keineswegs talentloser<lb/> und im Talmud so wie im alten Testament wohlbewanderter Kopf, wieder¬<lb/> holt disputirte. Indeß waren auch hier keine Proselyten zu gewinnen, und<lb/> so machte der Prophet sich nach dem Gebirge am todten Meer'ans, nach de"<lb/> Einen, um dort mit Engeln Rücksprache über sein weiteres Verhalten zu nehme",<lb/> nach andern Berichten, um den Beduinen als dem „Volk Moab" seine Lehre<lb/> vorzutragen. Dort ist er verschwunden. Vermuthlich schlugen ihn die Räuber<lb/> des Jordanthales todt, vielleicht ist er, von diesen ausgeraubt, in einem<lb/> Wüstcnwadi verschmachtet. Seine Anhänger hoffen noch auf seine Wiederkehr.<lb/> Doch scheinen sich mehre allmülig zu überzeugen, daß ihr Vorhaben, hier ein<lb/> Neuisrael zu gründen, als gescheitert anzusehen ist, und einige sah ich bereits<lb/> am protestantischen Gottesdienst theilnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Von den christlichen Sekten spielen die Abyssinier und die Kopten eine<lb/> ganz untergeordnete Rolle. Die erstern. etwa zwanzig Köpfe stark, besitzen ein<lb/> kleines, ärmliches Kloster an der Ostseite der Grabcskirchc, die letzter»,'welche<lb/> eine Gemeinde von ungefähr hundert Seelen bilden, haben ein Kloster in der<lb/> Straße Akbct El Chader, Beide sind Jakobschristcn und Monophysiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146" next="#ID_1147"> Noch nicht so zahlreich sind die Syrer, welche ebenfalls Jcikobiteu si»d'<lb/> Nach dem Untergang des Kreuzritterkönigthums waren sie laiM Zeit die ein¬<lb/> zigen Träger der Ueberlieferungen von den heiligen Orten. Sie erfreuten sieh<lb/> während der Kreuzzüge keines guten Rufes, galten als feig, doppelzüngig<lb/> tückisch, raubsüchtig und geizig. Gegenwärtig sagt man ihnen keine dieser<lb/> Eigenschaften nach, aber ihr Christenthum dürste noch tiefer stehen, als das<lb/> der übrigen orientalischen Kirchen, und die Bildung, die ihre Priester besitze»,<lb/> erstreckt sich nicht über das Lesenkönncn ihrer Meß- und Evangelienbücher<lb/> hinaus. Die mächtigeren Sekten bedrücken und beeinträchtigen sie mit den<lb/> Türken um die Wette, und vergeblich bittet ihr Bischof alljährlich den Himmel</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
vertreten. Ihre Synagoge vermochte ich, bei man nicht wissen wollte, wo sie
sei, nicht zu finden. Der Hauptsitz der Sekte ist in der Krim, und man rühmt
ihr das Gegentheil der gewöhnlichen Mischen Charakterfehler nach.
Ein Zwitterding zwischen Juden und Christen sind die sogenannten Ame-
niten, eine Sekte, die vor einiger Zeit in Deutschland entstand und im vori¬
gen Jahre, ihren Propheten, den getauften Juden Samuel Pick an der Spitze,
in Jerusalem anlangte. Sie lehren in der Hauptsache, daß man statt des
Sonntags den Sabbath zu feiern habe, daß das ganze Gesetz gehalten wer¬
den müsse, verwerfen den Talmud, aber auch die Briefe des Apostels Paulus
und meinen, daß die Wiederkunft Christi nahe sei. Pick ist einer der ver¬
heißenen Zeugen, welche dieser Wiederkunft vorangehen sollen. Die Sekte
versuchte anfänglich die protestantische Gemeinde der Zionskirche von der Wahr¬
heit dieses neuen Evangeliums zu überzeugen, und als das mißlang, machte
sie sich an die Rabbiner, mit denen ihr Führer, ein keineswegs talentloser
und im Talmud so wie im alten Testament wohlbewanderter Kopf, wieder¬
holt disputirte. Indeß waren auch hier keine Proselyten zu gewinnen, und
so machte der Prophet sich nach dem Gebirge am todten Meer'ans, nach de"
Einen, um dort mit Engeln Rücksprache über sein weiteres Verhalten zu nehme",
nach andern Berichten, um den Beduinen als dem „Volk Moab" seine Lehre
vorzutragen. Dort ist er verschwunden. Vermuthlich schlugen ihn die Räuber
des Jordanthales todt, vielleicht ist er, von diesen ausgeraubt, in einem
Wüstcnwadi verschmachtet. Seine Anhänger hoffen noch auf seine Wiederkehr.
Doch scheinen sich mehre allmülig zu überzeugen, daß ihr Vorhaben, hier ein
Neuisrael zu gründen, als gescheitert anzusehen ist, und einige sah ich bereits
am protestantischen Gottesdienst theilnehmen.
Von den christlichen Sekten spielen die Abyssinier und die Kopten eine
ganz untergeordnete Rolle. Die erstern. etwa zwanzig Köpfe stark, besitzen ein
kleines, ärmliches Kloster an der Ostseite der Grabcskirchc, die letzter»,'welche
eine Gemeinde von ungefähr hundert Seelen bilden, haben ein Kloster in der
Straße Akbct El Chader, Beide sind Jakobschristcn und Monophysiten.
Noch nicht so zahlreich sind die Syrer, welche ebenfalls Jcikobiteu si»d'
Nach dem Untergang des Kreuzritterkönigthums waren sie laiM Zeit die ein¬
zigen Träger der Ueberlieferungen von den heiligen Orten. Sie erfreuten sieh
während der Kreuzzüge keines guten Rufes, galten als feig, doppelzüngig
tückisch, raubsüchtig und geizig. Gegenwärtig sagt man ihnen keine dieser
Eigenschaften nach, aber ihr Christenthum dürste noch tiefer stehen, als das
der übrigen orientalischen Kirchen, und die Bildung, die ihre Priester besitze»,
erstreckt sich nicht über das Lesenkönncn ihrer Meß- und Evangelienbücher
hinaus. Die mächtigeren Sekten bedrücken und beeinträchtigen sie mit den
Türken um die Wette, und vergeblich bittet ihr Bischof alljährlich den Himmel
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