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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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das Wappenwesen der Griechen und Römer, nachgewiesen aus Schriften und
Kunstdenkmälern, ein Ende, indem er Stück für Stück darlegte, daß auch
hierin die Völker des Alterthums den mittelalterlichen Zeiten Muster und Vor¬
bild gewesen sind.

In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters hatten die Waffentracht,
die Waffen und die Erkennungszeichen noch völlig die Gestalt der kriege¬
rischen Bekleidung bei den Griechen und Römern. Bis in das zehnte Jahr¬
hundert sogar hat sich ziemlich unverändert das kurze Schwert, der Schuppen¬
harnisch aus Horn oder Metall, der römische Helm, die Helmzier, das Saguw
und die enganliegende Hose erhalten. Als Illustrationen können die Siegel,
Miniaturen und einzelne Reliefs gelten. So kam es, daß selbst die bekannte
sogenannte französische Lilie, von der schon Gatterer vermuthete, daß man
ihr Urbild nicht auf dem Felde suchen dürfte, sich als das im Alterthum, in
der Zeit der Karolinger, ja sogar noch im zwölften Jahrhundert übliche Scevter-
ende ausgewiesen hat. Der deutsche Reichsapfel aber ist zur Weltkugel,
wie sie bereits Konstantin trug, avancirt. So nur wird das auf demselben
aufgepflanzte Siegeszeichen des Christenthums, das Kreuz, verständlich, dessen
Platz in alten Zeiten der Siegesgöttin gebührte.

Auch in der gewöhnlichen friedlichen Tracht scheint die antike Form in
Karolingischer Zeit über die ursprüngliche Landesform die Oberhand gewonnen
zu haben. Während jene weit und darum faltenreich war. ist das Charak-
teristicum dieser der enge knappe Anschluß an die Körperform. In jener Zeit
lag. wie Falke, der neueste Geschichtsschreiber der deutschen Tracht, sich aus¬
drückt, der deutsche Rock und die römische Tunica im Kampf gegeneinander,
bis um das Jahr 1000 etwa Rock und Mantel eine Form annahmen, die
sie der Tunica und dem römischen Pallium völlig ähnlich machte. Bedeuten¬
den Vorschub leistete auch hierin die römisch gesinnte Geistlichkeit der weiten
römischen Tracht, indem sie nur in Bezug auf die Unterkleider durch die klima¬
tischen Wittemngsverhältnisse genöthigt wurde, der Volkstracht einzelne Con¬
cessionen zu machen. Auf diese Weise hat sich der antike ideale Zuschnitt
der geistlichen und schließlich überhaupt jeder Amtstracht in deutschen Landen
eingeschlichen und forterhalten. Auch die Frauentracht hat den fremdlän¬
dischen römischen Charakter im Lauf der Zeiten weniger verändert, als die
vom Einfluß der Witterung und der Beschäftigung mehr abhängige Männer'
kracht. Am allerwenigsten jedoch hat sich die von der Geistlichkeit ausgeübte
Kunstthätigkeit in der Bekleidung ihrer Figuren um das heimische Wesen be¬
kümmert. So kommt es, daß bei den heiligen Figuren die antike Gewan¬
dung selbst in den Zeiten der ausgebildetsten mittelalterlichen Kunstthätigkeit
fast unwandelbar dieselbe geblieben ist. Für die Karolingische Zeit galt die
Bildersprache und die conventionelle Tracht der alten Welt noch in ihrer g"n-


das Wappenwesen der Griechen und Römer, nachgewiesen aus Schriften und
Kunstdenkmälern, ein Ende, indem er Stück für Stück darlegte, daß auch
hierin die Völker des Alterthums den mittelalterlichen Zeiten Muster und Vor¬
bild gewesen sind.

In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters hatten die Waffentracht,
die Waffen und die Erkennungszeichen noch völlig die Gestalt der kriege¬
rischen Bekleidung bei den Griechen und Römern. Bis in das zehnte Jahr¬
hundert sogar hat sich ziemlich unverändert das kurze Schwert, der Schuppen¬
harnisch aus Horn oder Metall, der römische Helm, die Helmzier, das Saguw
und die enganliegende Hose erhalten. Als Illustrationen können die Siegel,
Miniaturen und einzelne Reliefs gelten. So kam es, daß selbst die bekannte
sogenannte französische Lilie, von der schon Gatterer vermuthete, daß man
ihr Urbild nicht auf dem Felde suchen dürfte, sich als das im Alterthum, in
der Zeit der Karolinger, ja sogar noch im zwölften Jahrhundert übliche Scevter-
ende ausgewiesen hat. Der deutsche Reichsapfel aber ist zur Weltkugel,
wie sie bereits Konstantin trug, avancirt. So nur wird das auf demselben
aufgepflanzte Siegeszeichen des Christenthums, das Kreuz, verständlich, dessen
Platz in alten Zeiten der Siegesgöttin gebührte.

Auch in der gewöhnlichen friedlichen Tracht scheint die antike Form in
Karolingischer Zeit über die ursprüngliche Landesform die Oberhand gewonnen
zu haben. Während jene weit und darum faltenreich war. ist das Charak-
teristicum dieser der enge knappe Anschluß an die Körperform. In jener Zeit
lag. wie Falke, der neueste Geschichtsschreiber der deutschen Tracht, sich aus¬
drückt, der deutsche Rock und die römische Tunica im Kampf gegeneinander,
bis um das Jahr 1000 etwa Rock und Mantel eine Form annahmen, die
sie der Tunica und dem römischen Pallium völlig ähnlich machte. Bedeuten¬
den Vorschub leistete auch hierin die römisch gesinnte Geistlichkeit der weiten
römischen Tracht, indem sie nur in Bezug auf die Unterkleider durch die klima¬
tischen Wittemngsverhältnisse genöthigt wurde, der Volkstracht einzelne Con¬
cessionen zu machen. Auf diese Weise hat sich der antike ideale Zuschnitt
der geistlichen und schließlich überhaupt jeder Amtstracht in deutschen Landen
eingeschlichen und forterhalten. Auch die Frauentracht hat den fremdlän¬
dischen römischen Charakter im Lauf der Zeiten weniger verändert, als die
vom Einfluß der Witterung und der Beschäftigung mehr abhängige Männer'
kracht. Am allerwenigsten jedoch hat sich die von der Geistlichkeit ausgeübte
Kunstthätigkeit in der Bekleidung ihrer Figuren um das heimische Wesen be¬
kümmert. So kommt es, daß bei den heiligen Figuren die antike Gewan¬
dung selbst in den Zeiten der ausgebildetsten mittelalterlichen Kunstthätigkeit
fast unwandelbar dieselbe geblieben ist. Für die Karolingische Zeit galt die
Bildersprache und die conventionelle Tracht der alten Welt noch in ihrer g«n-


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[0320] das Wappenwesen der Griechen und Römer, nachgewiesen aus Schriften und Kunstdenkmälern, ein Ende, indem er Stück für Stück darlegte, daß auch hierin die Völker des Alterthums den mittelalterlichen Zeiten Muster und Vor¬ bild gewesen sind. In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters hatten die Waffentracht, die Waffen und die Erkennungszeichen noch völlig die Gestalt der kriege¬ rischen Bekleidung bei den Griechen und Römern. Bis in das zehnte Jahr¬ hundert sogar hat sich ziemlich unverändert das kurze Schwert, der Schuppen¬ harnisch aus Horn oder Metall, der römische Helm, die Helmzier, das Saguw und die enganliegende Hose erhalten. Als Illustrationen können die Siegel, Miniaturen und einzelne Reliefs gelten. So kam es, daß selbst die bekannte sogenannte französische Lilie, von der schon Gatterer vermuthete, daß man ihr Urbild nicht auf dem Felde suchen dürfte, sich als das im Alterthum, in der Zeit der Karolinger, ja sogar noch im zwölften Jahrhundert übliche Scevter- ende ausgewiesen hat. Der deutsche Reichsapfel aber ist zur Weltkugel, wie sie bereits Konstantin trug, avancirt. So nur wird das auf demselben aufgepflanzte Siegeszeichen des Christenthums, das Kreuz, verständlich, dessen Platz in alten Zeiten der Siegesgöttin gebührte. Auch in der gewöhnlichen friedlichen Tracht scheint die antike Form in Karolingischer Zeit über die ursprüngliche Landesform die Oberhand gewonnen zu haben. Während jene weit und darum faltenreich war. ist das Charak- teristicum dieser der enge knappe Anschluß an die Körperform. In jener Zeit lag. wie Falke, der neueste Geschichtsschreiber der deutschen Tracht, sich aus¬ drückt, der deutsche Rock und die römische Tunica im Kampf gegeneinander, bis um das Jahr 1000 etwa Rock und Mantel eine Form annahmen, die sie der Tunica und dem römischen Pallium völlig ähnlich machte. Bedeuten¬ den Vorschub leistete auch hierin die römisch gesinnte Geistlichkeit der weiten römischen Tracht, indem sie nur in Bezug auf die Unterkleider durch die klima¬ tischen Wittemngsverhältnisse genöthigt wurde, der Volkstracht einzelne Con¬ cessionen zu machen. Auf diese Weise hat sich der antike ideale Zuschnitt der geistlichen und schließlich überhaupt jeder Amtstracht in deutschen Landen eingeschlichen und forterhalten. Auch die Frauentracht hat den fremdlän¬ dischen römischen Charakter im Lauf der Zeiten weniger verändert, als die vom Einfluß der Witterung und der Beschäftigung mehr abhängige Männer' kracht. Am allerwenigsten jedoch hat sich die von der Geistlichkeit ausgeübte Kunstthätigkeit in der Bekleidung ihrer Figuren um das heimische Wesen be¬ kümmert. So kommt es, daß bei den heiligen Figuren die antike Gewan¬ dung selbst in den Zeiten der ausgebildetsten mittelalterlichen Kunstthätigkeit fast unwandelbar dieselbe geblieben ist. Für die Karolingische Zeit galt die Bildersprache und die conventionelle Tracht der alten Welt noch in ihrer g«n-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/320>, abgerufen am 23.07.2024.