Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.erst Arbeiten des elften Jahrhunderts zu sehen, während andere sie in eine frühere Der antike Gemmenschmuck an den Kirchengerüthen der Karolingischen wie An die antiken und antitisirenden Gemmen und Siegel der Karolinger Grenzboten III. 1859. 29
erst Arbeiten des elften Jahrhunderts zu sehen, während andere sie in eine frühere Der antike Gemmenschmuck an den Kirchengerüthen der Karolingischen wie An die antiken und antitisirenden Gemmen und Siegel der Karolinger Grenzboten III. 1859. 29
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erst Arbeiten des elften Jahrhunderts zu sehen, während andere sie in eine frühere
Zeit versetzen. Ob Quast Recht hat. muß ich vor der Hand dahingestellt
sein lassen, wenn er aber von den öfter angezogenen Kanzclreliefs zu Aachen
dasselbe vermuthet, so muß ich ihm entschieden widersprechen. Die vollen,
fast üppigen Körperforme», die kurzen gedrungenen Gestalten derselben, die
lebhaften Augen, alles Dinge, die der byzantinischen Kunst, der erste zuschrei¬
ben möchte, fern sind, legen ein unwiderstehliches Zeugniß gegen seine Ver¬
muthung ab.
Der antike Gemmenschmuck an den Kirchengerüthen der Karolingischen wie
der nachfolgenden Zeiten setzt uns um so weniger in Erstaunen, trotz der oft
fast obscönen Darstellungen an denselben, als die Formen dieser Kirchenuten-
s'lien selbst auch nur der alten Welt abgeborgt sind. Die Verfertiger der-
selben ahnten freilich nicht, daß viele ihrer frommen und biederen Nachkommen
das Entliehene für ihr Eigenthum in Anspruch nehmen und ausgeben würden,
weit davon entfernt, nach den Lehren ihres Meisters, die sie so gern im Munde
führen, nach bestem Wissen und Gewissen jedem das Seine zuzugestehen. Ich
freue mich um so mehr, neben solchen Leuten, wie Herr Kreuser. im feind¬
lichen Lager auch unparteiische und wahrhafte Forscher zu finden, wie Franz
Voet. Derselbe bekennt sogar in Beziehung aus das vornehmste Gesäß, den
Abendmahlskelch bei Besprechung der Frühkarolingischen Kirchengeräthe im
Stift Kremsmünster-, „das Gefäß, aus welchem das Mysterium der euchari-
stischen Transsubstantiation gereicht wird, ist in der äußern Gestaltung eine deut¬
sche Reminiscenz an jene bekannten Trinkgefäße, wie sie bei den Gastgelagen
der Römer in der classischen Cäsarenzeit in Gebrauch waren und wie ähnliche
un Museo Borbonico und anderwärts vorgefunden werden: es ist jener Pokal,
womit bei feierlichen Gastmählern zuerst „den Unsterblichen" die Libation ge¬
bracht wurde. Von den drei im Alterthum üblichen Formen derselben ist die¬
jenige gewählt, welche nach oben eine geräumige, haivkugelförmig ausgehöhlte
Trinkschale bildet, die mittelst eines Knaufes als Mittelstück mit einem trichter¬
förmigen Fußstück verbunden ist. Diese letzte Form der griechisch-römischen
Trinkgeschirre war zweifelsohne die bei den frühesten Kelchen aus OnyMn. Ser¬
pentin. Glas, Thon maßgebende, wie denn überhaupt die ersten Anfänge der
christlichen Kunst basirt und aufgerichtet waren auf der Ruine und den Ueber-
bleibseln der griechisch-römischen Cäsarenkunst."
An die antiken und antitisirenden Gemmen und Siegel der Karolinger
^ es uns gestattet einige allgemeine Bemerkungen über die Heraldik und
Wappenwesen jener Zeit anzuknüpfen. In den schönen Tagen d.lettan-
"scher Spielerei glaubte man grade in diesen Zweigen eine reine und ureigne
Schöpfung des christlichen Mittelalters erblicken zu dürfen. Erst Bernb machte
d'°se>n Unwesen durch seine gründliche und scharssinnige Untersuchung über
Grenzboten III. 1859. 29
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