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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Sitz und leichtem Schritt wie mit ihrem Roß zusammengewachsen durch das
Gedränge hin. Die Linke hält den Zaum, der oft nur ein Strick ist, die
Rechte den Schaft der über die Schulter gelegten Lanze. Die Knie berühren
fast den Kamm des Thieres, der Fuß ruht mit seiner ganzen Länge in der
Schaufel des Steigbügels, der zugleich als Sporn dient. Die Brust des
Pferdes schmückt ein halsbandartiges Gehänge von farbigen Quasten. Gute
Schußwaffen sah ich sie niemals führen, dagegen trug mancher, wenn auch
"ur an einem groben Hanfstrick, einen schönen Säbel mit kostbarem Griff
und sammtner Scheide an der Hüfte. Ihre Pferde waren von Mittelgröße,
eher klein, und meist sehr mager, aber kaum eins war unter ihnen, welches
uicht in seinem Bau und namentlich in seinem Kops edles Blut verrathen
hätte.

Alles gesticulirt, schreit, zankt, summt und gurgelt mit semitischer Leb¬
haftigkeit durcheinander. Händler preisen ihre Waaren an, Bettler murmeln
von ihrer Noth dazwischen. Von fern und nah mischen die vierfüßigen Be-
sucher dieses Marktes ihr Geblök, Gemecker und Gewieher drein. Durch das
Ganze aber bewegt sich wie ein ruhiger Strom durch einen tobenden See
aus der Gartenstraße. die hier mündet, nach dem Thor hin, der in der
Osterzeit sast nie abreißende Zug der Hadschis von Jerusalem. Gelben Staub
aufwühlend kommen eins hinter dem andern breirhinwandelnde Kameele mit
ganzen Familien in plumpen Tragsesseln oder Körben auf dem Rücken. Da¬
hinter Gesellschaften zu Pferd oder zu Esel, daneben andere zu Fuß, bisweilen
sogar noch ein Kind aus dem Arm, alle müde, viele aber zugleich mit dem
frohen Bewußtsein auf dem Gesicht, das ewige Leben verdient zu haben.
Einzelne Züge sind von griechischen Popen oder armenischen Priestern geführt.
Alle tragen in Bündeln von Stöcken Andenken vom Jordan, in langen Blechkap¬
seln Heiligenbilder, in den Klöstern Jerusalems gekauft, einige auch in ver¬
bundenen Köpfen Erinnerungen an die großartige Schlägerei um das heilige
Feuer mit sich heim, die zu jedem Osterfest in ElKods wie zu jeder echten Kir-
wcs in Deutschland gehört, und die auch dieses Jahr mit gewohnter Furie
celebrirt wurde. Alle Völker der Levante, alle Inseln und Küsten der östlichen
Meere bis weit über Stambul hinauf sind vertreten in dem Zuge: Araber,
Syrer, Kopten und Maroniten, Griechen und Bosniaken, Armenier, Bulgaren und
Südrussen, und man schlägt die Zahl der Pilger, welche das Auferstehungsfest
^jährlich in Jerusalem versammelt, auf reichlich zehntausend an. ja sie soll
dieses Jahr sich sogar auf vierzehntausend belaufen haben.

Unermeßlich viel Elend und Mühsal begleitet diese Karavanen. In
Schiffe verpackt wie Schafherden, von Sturm und Brandung hin und her
geworfen, kommen viele krank an. Hier pfercht man sie gegen dreifache Zah¬
lung dessen, was recht wäre, in Klöster ein. nimmt ihnen für Reit- und


Grenzboten III. 1859. 32

Sitz und leichtem Schritt wie mit ihrem Roß zusammengewachsen durch das
Gedränge hin. Die Linke hält den Zaum, der oft nur ein Strick ist, die
Rechte den Schaft der über die Schulter gelegten Lanze. Die Knie berühren
fast den Kamm des Thieres, der Fuß ruht mit seiner ganzen Länge in der
Schaufel des Steigbügels, der zugleich als Sporn dient. Die Brust des
Pferdes schmückt ein halsbandartiges Gehänge von farbigen Quasten. Gute
Schußwaffen sah ich sie niemals führen, dagegen trug mancher, wenn auch
"ur an einem groben Hanfstrick, einen schönen Säbel mit kostbarem Griff
und sammtner Scheide an der Hüfte. Ihre Pferde waren von Mittelgröße,
eher klein, und meist sehr mager, aber kaum eins war unter ihnen, welches
uicht in seinem Bau und namentlich in seinem Kops edles Blut verrathen
hätte.

Alles gesticulirt, schreit, zankt, summt und gurgelt mit semitischer Leb¬
haftigkeit durcheinander. Händler preisen ihre Waaren an, Bettler murmeln
von ihrer Noth dazwischen. Von fern und nah mischen die vierfüßigen Be-
sucher dieses Marktes ihr Geblök, Gemecker und Gewieher drein. Durch das
Ganze aber bewegt sich wie ein ruhiger Strom durch einen tobenden See
aus der Gartenstraße. die hier mündet, nach dem Thor hin, der in der
Osterzeit sast nie abreißende Zug der Hadschis von Jerusalem. Gelben Staub
aufwühlend kommen eins hinter dem andern breirhinwandelnde Kameele mit
ganzen Familien in plumpen Tragsesseln oder Körben auf dem Rücken. Da¬
hinter Gesellschaften zu Pferd oder zu Esel, daneben andere zu Fuß, bisweilen
sogar noch ein Kind aus dem Arm, alle müde, viele aber zugleich mit dem
frohen Bewußtsein auf dem Gesicht, das ewige Leben verdient zu haben.
Einzelne Züge sind von griechischen Popen oder armenischen Priestern geführt.
Alle tragen in Bündeln von Stöcken Andenken vom Jordan, in langen Blechkap¬
seln Heiligenbilder, in den Klöstern Jerusalems gekauft, einige auch in ver¬
bundenen Köpfen Erinnerungen an die großartige Schlägerei um das heilige
Feuer mit sich heim, die zu jedem Osterfest in ElKods wie zu jeder echten Kir-
wcs in Deutschland gehört, und die auch dieses Jahr mit gewohnter Furie
celebrirt wurde. Alle Völker der Levante, alle Inseln und Küsten der östlichen
Meere bis weit über Stambul hinauf sind vertreten in dem Zuge: Araber,
Syrer, Kopten und Maroniten, Griechen und Bosniaken, Armenier, Bulgaren und
Südrussen, und man schlägt die Zahl der Pilger, welche das Auferstehungsfest
^jährlich in Jerusalem versammelt, auf reichlich zehntausend an. ja sie soll
dieses Jahr sich sogar auf vierzehntausend belaufen haben.

Unermeßlich viel Elend und Mühsal begleitet diese Karavanen. In
Schiffe verpackt wie Schafherden, von Sturm und Brandung hin und her
geworfen, kommen viele krank an. Hier pfercht man sie gegen dreifache Zah¬
lung dessen, was recht wäre, in Klöster ein. nimmt ihnen für Reit- und


Grenzboten III. 1859. 32
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/263>, abgerufen am 23.07.2024.