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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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östlich vor der Stadt die einstige Wohnung der Jüngerin Tabitha, die durch
ihn vou den Todten erweckt wurde. Daß man nicht auch ein paar Gräten
des Fisches zeigt, der hier den Propheten Jonas verschlang, ist um so un¬
verzeihlicher, als man sie bei der Menge von Haifischen an dieser Küste leicht
haben konnte.

Andere Merkwürdigkeiten finden sich in Jaffa nicht, ich müßte denn er¬
wähnen, daß die eine der mohammedanischen Schulen nur des Morgens als
Unterrichtsanstalt, des Nachmittags aber als Eselsstall dient. Der Begräbniß-
platz vor dem Thore am Meer gelegen, ist dann- und schattenlos, ein bloßer
Sandplatz mit ausgemauerten Grabhügeln. Ueber einigen der Gräber sah
ich Pfähle mit Armen wie Galgen errichtet, an denen dreieckige Holziaternen
hingen, über andern eine Art Zelt ausgespannt, unter ,dem weißverhüllte
Frauen -- vielleicht Witwen -- saßen und weibliche Arbeiten verrichteten.
Hart daneben -- eine passende Wahl des Orts -- befindet sich das liederliche
Viertel Jaffas: einige Kothhütten. in denen ägyptische Dirnen wohnen. Als
ich in einiger Entfernung vorüberging, traten sie in ihren feuerfarbenen Ge¬
wändern vor die Thüren, und ich sah hier zum ersten Mal. daß man in
Asien von sich ab, statt auf sich zuwinkt, wenn man jemand zu sich ruft-
Einen sehr fremdartigen Anblick gewährt der an den Friedhof stoßende Raum
zwischen dem Stadtthor und den Gärten. Derselbe dient als Viehmarkt und
als Sammelplatz der ankommenden und abgehenden Karavanen nach dem
Innern des Landes, und man sieht hier in der Pilgerzeit sicher mehr als die
Hälfte aller Reit- und Lastthiere Palästinas vorübergehen. Neben dem Kaffee¬
haus, welches den Platz überschaut, stehen Massen reisefertiger Pferde und
Maulthiere mit türkischen Sätteln und bunten Schabracken. Auf dem Platze
selbst regt sich das bunteste Leben. An der einen Stelle lagert ein Trupp
Kameele mit vorgestreckten Hülsen und kauenden Mäulern, an einer andern
werden Kameele geschoren, beladen oder abgeladen, an einer dritten feilscht
ein Ring von Fellahin aus der Nachbarschaft lautschreiend um eine Ziege oder
ein Schaf mit Fettschwanz, an einer vierten hocken beturbante Verkäufer von
Orangen, Zwiebeln und Gurken. Kawaschen und Baschibosuks. Neger und
Beduinen, kohlschwarze und schneeweiße Gewänder, rothe Mützen, weiße,
blaue und grüne Turbane, rothe und gelbe Schnabelschuhe und nackte Füße
wimmeln durcheinander. Mukaris reiten zwischen den Gruppen Miethern
oder Käufern ihre Gäule vor, daß Schweif und Mähne fliegen.

Die Beduinen, sonnenverbrannte Gesellen mit blitzenden Augen und dün¬
nen schwarzen Bärten, watscheln entweder in plumpen Stiefeln und schweren
weiß und braun gestreiften Kameelbaarmänteln, die gelb und rothe fransen-
beseyte Kuffieh über Kopf und Nacken, schwerfällig hin und her, während M
Pferd an die in den Boden gesteckte Lanze befestigt ist, oder traben mit festem


östlich vor der Stadt die einstige Wohnung der Jüngerin Tabitha, die durch
ihn vou den Todten erweckt wurde. Daß man nicht auch ein paar Gräten
des Fisches zeigt, der hier den Propheten Jonas verschlang, ist um so un¬
verzeihlicher, als man sie bei der Menge von Haifischen an dieser Küste leicht
haben konnte.

Andere Merkwürdigkeiten finden sich in Jaffa nicht, ich müßte denn er¬
wähnen, daß die eine der mohammedanischen Schulen nur des Morgens als
Unterrichtsanstalt, des Nachmittags aber als Eselsstall dient. Der Begräbniß-
platz vor dem Thore am Meer gelegen, ist dann- und schattenlos, ein bloßer
Sandplatz mit ausgemauerten Grabhügeln. Ueber einigen der Gräber sah
ich Pfähle mit Armen wie Galgen errichtet, an denen dreieckige Holziaternen
hingen, über andern eine Art Zelt ausgespannt, unter ,dem weißverhüllte
Frauen — vielleicht Witwen — saßen und weibliche Arbeiten verrichteten.
Hart daneben — eine passende Wahl des Orts — befindet sich das liederliche
Viertel Jaffas: einige Kothhütten. in denen ägyptische Dirnen wohnen. Als
ich in einiger Entfernung vorüberging, traten sie in ihren feuerfarbenen Ge¬
wändern vor die Thüren, und ich sah hier zum ersten Mal. daß man in
Asien von sich ab, statt auf sich zuwinkt, wenn man jemand zu sich ruft-
Einen sehr fremdartigen Anblick gewährt der an den Friedhof stoßende Raum
zwischen dem Stadtthor und den Gärten. Derselbe dient als Viehmarkt und
als Sammelplatz der ankommenden und abgehenden Karavanen nach dem
Innern des Landes, und man sieht hier in der Pilgerzeit sicher mehr als die
Hälfte aller Reit- und Lastthiere Palästinas vorübergehen. Neben dem Kaffee¬
haus, welches den Platz überschaut, stehen Massen reisefertiger Pferde und
Maulthiere mit türkischen Sätteln und bunten Schabracken. Auf dem Platze
selbst regt sich das bunteste Leben. An der einen Stelle lagert ein Trupp
Kameele mit vorgestreckten Hülsen und kauenden Mäulern, an einer andern
werden Kameele geschoren, beladen oder abgeladen, an einer dritten feilscht
ein Ring von Fellahin aus der Nachbarschaft lautschreiend um eine Ziege oder
ein Schaf mit Fettschwanz, an einer vierten hocken beturbante Verkäufer von
Orangen, Zwiebeln und Gurken. Kawaschen und Baschibosuks. Neger und
Beduinen, kohlschwarze und schneeweiße Gewänder, rothe Mützen, weiße,
blaue und grüne Turbane, rothe und gelbe Schnabelschuhe und nackte Füße
wimmeln durcheinander. Mukaris reiten zwischen den Gruppen Miethern
oder Käufern ihre Gäule vor, daß Schweif und Mähne fliegen.

Die Beduinen, sonnenverbrannte Gesellen mit blitzenden Augen und dün¬
nen schwarzen Bärten, watscheln entweder in plumpen Stiefeln und schweren
weiß und braun gestreiften Kameelbaarmänteln, die gelb und rothe fransen-
beseyte Kuffieh über Kopf und Nacken, schwerfällig hin und her, während M
Pferd an die in den Boden gesteckte Lanze befestigt ist, oder traben mit festem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/262>, abgerufen am 23.07.2024.