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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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den,, über die schvngeschweiften Linien des Strandes, die stolzen Felsgipfel
dahinter und den glänzenden Wasserspiegel davor, so wird man, namentlich
wenn der Abend seinen violetten Dust über die Bergesflanken, sein dunkel¬
gelbes Licht über den Himmel und seine schwarzblauen Schatten über die
Thäler und Schluchten ausgießt, hingerissen werden, auch wenn man schon
sehr viel Schönes gesehen hat.

Der Dampfer, der uns nach Jaffa bringen sollte, ging erst in zwei
Tagen ab, und so hatte ich hinreichende Gelegenheit, das Innere der Stadt
nach verschiedenen Richtungen hin zu durchstreifen. Ich wanderte wiederholt
die große Frankenstraße aus und ab, welche, vielfach gewunden und gebro¬
chen, unmittelbar hinter den ersten Häusern am Ufer in der Länge einer Vier¬
telmeile hinläuft, bog dann in das Quartier der Griechen ein, durchzog das
der Armenier, kletterte durch das Türkenviertel nach den Friedhöfen hinauf,
machte einen Abstecher in die Region der Juden und beschloß den ersten Tag
Mit einem Besuch der Karavanenbrücke und der nicht weit davon entfernten
Eisenbahn. Am zweiten Tage wurde früh der Bazar besucht und später der
Gipfel des Pagos bestiegen. Die Abende verbrachte ich in der Gesellschaft
angenehmer deutscher Landsleute.

Im Frankenviertel tritt das türkische Element fast bis zum Verschwinden
in den Hintergrund, auf weite Strecken kann sich der Fremde in einer italie¬
nischen oder griechischen Stadt zu befinden glauben. Nur dann und wann
begegnet man einem Orientalen in Turban und Kasten, selten einer morgen¬
ländisch verschleierten Frau, und fast nur die Hamals. die auf breitem Rücken
Lasten von unglaublicher Schwere zwischen Speichern und Schiffen hin- und
herschleppen, gelegentlich vorbcimmschirende Soldaten des Sultans, an den
Ecken stehende Kawaschen mit Halbmondsübeln erinnern daran, daß man sich
"ur zwei Tagereisen von Konstantinopel und in Asien befindet. Deutlicher
Macht sich das Griechenthum bemerkbar, indeß tritt auch dieses, da sich auch
hier alle Wohlhabenden und namentlich alle Frauen mehr und mehr fränkisch
kleiden, jedes Jahr weiter zurück. Die Straßen haben zum großen Theil
französische Namen, einige wurden während des letzten Krieges sogar englisch
und deutsch bezeichnet. Die Läden und Kaufgewölbe enthalten lediglich pa¬
sser, londoner und wiener Waaren. Allenthalben wird Französisch. Englisch
"der Italienisch verstanden. Man trifft Buch- und Kunsthandlungen. Ateliers
von Photographen und zahlreiche Apotheken. Die Wohnungen sind in euro.
päischer Weise möblirt. und die Damen, welche in den Abendstunden hier
promeniren, wetteisern in ihren Toiletten mit der vornehmen Welt von Paris.
Auch an eleganten Equipagen würde es nicht fehlen, wenn das Pflaster nicht
aUzu schlecht wäre.

Das Griechenquartier, welches den größten Theil der nördlichen Hälfte


den,, über die schvngeschweiften Linien des Strandes, die stolzen Felsgipfel
dahinter und den glänzenden Wasserspiegel davor, so wird man, namentlich
wenn der Abend seinen violetten Dust über die Bergesflanken, sein dunkel¬
gelbes Licht über den Himmel und seine schwarzblauen Schatten über die
Thäler und Schluchten ausgießt, hingerissen werden, auch wenn man schon
sehr viel Schönes gesehen hat.

Der Dampfer, der uns nach Jaffa bringen sollte, ging erst in zwei
Tagen ab, und so hatte ich hinreichende Gelegenheit, das Innere der Stadt
nach verschiedenen Richtungen hin zu durchstreifen. Ich wanderte wiederholt
die große Frankenstraße aus und ab, welche, vielfach gewunden und gebro¬
chen, unmittelbar hinter den ersten Häusern am Ufer in der Länge einer Vier¬
telmeile hinläuft, bog dann in das Quartier der Griechen ein, durchzog das
der Armenier, kletterte durch das Türkenviertel nach den Friedhöfen hinauf,
machte einen Abstecher in die Region der Juden und beschloß den ersten Tag
Mit einem Besuch der Karavanenbrücke und der nicht weit davon entfernten
Eisenbahn. Am zweiten Tage wurde früh der Bazar besucht und später der
Gipfel des Pagos bestiegen. Die Abende verbrachte ich in der Gesellschaft
angenehmer deutscher Landsleute.

Im Frankenviertel tritt das türkische Element fast bis zum Verschwinden
in den Hintergrund, auf weite Strecken kann sich der Fremde in einer italie¬
nischen oder griechischen Stadt zu befinden glauben. Nur dann und wann
begegnet man einem Orientalen in Turban und Kasten, selten einer morgen¬
ländisch verschleierten Frau, und fast nur die Hamals. die auf breitem Rücken
Lasten von unglaublicher Schwere zwischen Speichern und Schiffen hin- und
herschleppen, gelegentlich vorbcimmschirende Soldaten des Sultans, an den
Ecken stehende Kawaschen mit Halbmondsübeln erinnern daran, daß man sich
"ur zwei Tagereisen von Konstantinopel und in Asien befindet. Deutlicher
Macht sich das Griechenthum bemerkbar, indeß tritt auch dieses, da sich auch
hier alle Wohlhabenden und namentlich alle Frauen mehr und mehr fränkisch
kleiden, jedes Jahr weiter zurück. Die Straßen haben zum großen Theil
französische Namen, einige wurden während des letzten Krieges sogar englisch
und deutsch bezeichnet. Die Läden und Kaufgewölbe enthalten lediglich pa¬
sser, londoner und wiener Waaren. Allenthalben wird Französisch. Englisch
"der Italienisch verstanden. Man trifft Buch- und Kunsthandlungen. Ateliers
von Photographen und zahlreiche Apotheken. Die Wohnungen sind in euro.
päischer Weise möblirt. und die Damen, welche in den Abendstunden hier
promeniren, wetteisern in ihren Toiletten mit der vornehmen Welt von Paris.
Auch an eleganten Equipagen würde es nicht fehlen, wenn das Pflaster nicht
aUzu schlecht wäre.

Das Griechenquartier, welches den größten Theil der nördlichen Hälfte


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[0221] den,, über die schvngeschweiften Linien des Strandes, die stolzen Felsgipfel dahinter und den glänzenden Wasserspiegel davor, so wird man, namentlich wenn der Abend seinen violetten Dust über die Bergesflanken, sein dunkel¬ gelbes Licht über den Himmel und seine schwarzblauen Schatten über die Thäler und Schluchten ausgießt, hingerissen werden, auch wenn man schon sehr viel Schönes gesehen hat. Der Dampfer, der uns nach Jaffa bringen sollte, ging erst in zwei Tagen ab, und so hatte ich hinreichende Gelegenheit, das Innere der Stadt nach verschiedenen Richtungen hin zu durchstreifen. Ich wanderte wiederholt die große Frankenstraße aus und ab, welche, vielfach gewunden und gebro¬ chen, unmittelbar hinter den ersten Häusern am Ufer in der Länge einer Vier¬ telmeile hinläuft, bog dann in das Quartier der Griechen ein, durchzog das der Armenier, kletterte durch das Türkenviertel nach den Friedhöfen hinauf, machte einen Abstecher in die Region der Juden und beschloß den ersten Tag Mit einem Besuch der Karavanenbrücke und der nicht weit davon entfernten Eisenbahn. Am zweiten Tage wurde früh der Bazar besucht und später der Gipfel des Pagos bestiegen. Die Abende verbrachte ich in der Gesellschaft angenehmer deutscher Landsleute. Im Frankenviertel tritt das türkische Element fast bis zum Verschwinden in den Hintergrund, auf weite Strecken kann sich der Fremde in einer italie¬ nischen oder griechischen Stadt zu befinden glauben. Nur dann und wann begegnet man einem Orientalen in Turban und Kasten, selten einer morgen¬ ländisch verschleierten Frau, und fast nur die Hamals. die auf breitem Rücken Lasten von unglaublicher Schwere zwischen Speichern und Schiffen hin- und herschleppen, gelegentlich vorbcimmschirende Soldaten des Sultans, an den Ecken stehende Kawaschen mit Halbmondsübeln erinnern daran, daß man sich "ur zwei Tagereisen von Konstantinopel und in Asien befindet. Deutlicher Macht sich das Griechenthum bemerkbar, indeß tritt auch dieses, da sich auch hier alle Wohlhabenden und namentlich alle Frauen mehr und mehr fränkisch kleiden, jedes Jahr weiter zurück. Die Straßen haben zum großen Theil französische Namen, einige wurden während des letzten Krieges sogar englisch und deutsch bezeichnet. Die Läden und Kaufgewölbe enthalten lediglich pa¬ sser, londoner und wiener Waaren. Allenthalben wird Französisch. Englisch "der Italienisch verstanden. Man trifft Buch- und Kunsthandlungen. Ateliers von Photographen und zahlreiche Apotheken. Die Wohnungen sind in euro. päischer Weise möblirt. und die Damen, welche in den Abendstunden hier promeniren, wetteisern in ihren Toiletten mit der vornehmen Welt von Paris. Auch an eleganten Equipagen würde es nicht fehlen, wenn das Pflaster nicht aUzu schlecht wäre. Das Griechenquartier, welches den größten Theil der nördlichen Hälfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/221>, abgerufen am 22.07.2024.