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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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legend spöttisch erzählen, daß sie ihr Geld eher verheimlichen als damit prah¬
ln, und daß sie sich nie in eine Speculation einlassen, deren Erfolg nicht
vollkommen sicher ist. Indeß sind sie nach dem Verfasser auch nicht knauserig,
es gilt. Sie haben eine Schule gebaut, die wie ein Schlößchen aussieht
und vielleicht die reichste Außenseite aller sächsischen Schulen hat, und sie haben
steh eine Kirche in ihr Dorf gestellt, die durch ihren schönen gothischen Thurm
und den Zimmerwald ihres Chors selbst die zwickauer in Schatten stellt. Aus
allem, was man von Bockwa hört und sieht, geht hervor, daß es nicht blos
e"nes der reichsten Dörfer der Erde ist, dessen Bewohner sich mit den begü¬
tertsten Bauern der holsteinischen Marschen und der Magdeburger Göhrde, der
^eichselniederungen und Oberöstreichs messen können, sondern daß es auch
^e Prüfung des Charakters, die in einem plötzlichen Glückswechsel liegt, in
rühmenswerther Weise überstanden hat.

Die schwarzen Diamanten haben aber nicht allein die reich gemacht, welche
66 Feld besitzen, in denen der Schatz liegt. Andere haben unmittelbar und
Mittelbar an dem Gewinn Theil genommen. In alten Zeiten blühten die
Gewerbe vorzüglich da aus. wo Flüsse Triebkraft und Wälder Heizstoff boten.
neuerer Zeit sind Kohlenfluren die Magnete für die Industriellen, und so
haben sich auch um die zwickauer Gruben schon verschiedene gewerbliche Unter¬
nehmungen angesetzt und andere werden nachfolgen.

Die Gewebeindustrie ist durch mehre Anstalten, namentlich durch eine
Kammgarnspinnerei, vertreten, welche 400 Arbeiter beschäftigt. Sehr bedeu-
ist die Coaksbrennerei, welche im Jahre 1850 mit vier Oefen begann
^ gegenwärtig deren schon an dreihundert zählt. Sie verwandelte 1856
Ares 26i Arbeiter 288,070 Karren rohe Steinkohlen in 845,000 Centner
"als und 185,200 Centner "Zünder", wie man hier nicht unverständig das
^Made Cinders zu nennen beliebt. Noch läßt man in den meisten Brenne¬
rn die beim Verkoken entwickelte Hitze nutzlos in die Luft verfliegen, näh¬
ert sex erfindungsreiche Fabrikbesitzer Fikentscher dieselbe zum Brennen von
^steinen zu benutzen gelehrt hat. Jetzt sind in Zwickau circa zwanzig Ziegel-
Uttea in Betrieb. Dieselben verwerthen auch die geringsten Rußkohlen und
U,'n eine große Menge billiger Backsteine her. Der genannte Fabrikant be-
Met aber, daß die zwickauer Coaksöfen durch Nachahmung seiner Wärme-
lparniß jährlich an siebzig Millionen Stück liefern könnten, und zwar ohne
^sdrücklichen Aufwand von Brennstoff. Derselbe Industrielle läßt auf seiner
umfangreichen Anlage eine mit Gas geheizte Tafelglasfabrik, eine Fabrik
r° und säurefester Thongeschirre und Röhren, eine Salzsiederei, deren Hei-
^urch die Coaksöfen nebenher besorgt wird, und endlich eine chemische
F"b^ ^"roer. Außer dieser letztern bestehen in Zwickau noch zwei chemische
^ken. Sodann ist der hiesigen Porzellanfabrik Erwähnung zu thun, die


legend spöttisch erzählen, daß sie ihr Geld eher verheimlichen als damit prah¬
ln, und daß sie sich nie in eine Speculation einlassen, deren Erfolg nicht
vollkommen sicher ist. Indeß sind sie nach dem Verfasser auch nicht knauserig,
es gilt. Sie haben eine Schule gebaut, die wie ein Schlößchen aussieht
und vielleicht die reichste Außenseite aller sächsischen Schulen hat, und sie haben
steh eine Kirche in ihr Dorf gestellt, die durch ihren schönen gothischen Thurm
und den Zimmerwald ihres Chors selbst die zwickauer in Schatten stellt. Aus
allem, was man von Bockwa hört und sieht, geht hervor, daß es nicht blos
e«nes der reichsten Dörfer der Erde ist, dessen Bewohner sich mit den begü¬
tertsten Bauern der holsteinischen Marschen und der Magdeburger Göhrde, der
^eichselniederungen und Oberöstreichs messen können, sondern daß es auch
^e Prüfung des Charakters, die in einem plötzlichen Glückswechsel liegt, in
rühmenswerther Weise überstanden hat.

Die schwarzen Diamanten haben aber nicht allein die reich gemacht, welche
66 Feld besitzen, in denen der Schatz liegt. Andere haben unmittelbar und
Mittelbar an dem Gewinn Theil genommen. In alten Zeiten blühten die
Gewerbe vorzüglich da aus. wo Flüsse Triebkraft und Wälder Heizstoff boten.
neuerer Zeit sind Kohlenfluren die Magnete für die Industriellen, und so
haben sich auch um die zwickauer Gruben schon verschiedene gewerbliche Unter¬
nehmungen angesetzt und andere werden nachfolgen.

Die Gewebeindustrie ist durch mehre Anstalten, namentlich durch eine
Kammgarnspinnerei, vertreten, welche 400 Arbeiter beschäftigt. Sehr bedeu-
ist die Coaksbrennerei, welche im Jahre 1850 mit vier Oefen begann
^ gegenwärtig deren schon an dreihundert zählt. Sie verwandelte 1856
Ares 26i Arbeiter 288,070 Karren rohe Steinkohlen in 845,000 Centner
"als und 185,200 Centner „Zünder", wie man hier nicht unverständig das
^Made Cinders zu nennen beliebt. Noch läßt man in den meisten Brenne¬
rn die beim Verkoken entwickelte Hitze nutzlos in die Luft verfliegen, näh¬
ert sex erfindungsreiche Fabrikbesitzer Fikentscher dieselbe zum Brennen von
^steinen zu benutzen gelehrt hat. Jetzt sind in Zwickau circa zwanzig Ziegel-
Uttea in Betrieb. Dieselben verwerthen auch die geringsten Rußkohlen und
U,'n eine große Menge billiger Backsteine her. Der genannte Fabrikant be-
Met aber, daß die zwickauer Coaksöfen durch Nachahmung seiner Wärme-
lparniß jährlich an siebzig Millionen Stück liefern könnten, und zwar ohne
^sdrücklichen Aufwand von Brennstoff. Derselbe Industrielle läßt auf seiner
umfangreichen Anlage eine mit Gas geheizte Tafelglasfabrik, eine Fabrik
r° und säurefester Thongeschirre und Röhren, eine Salzsiederei, deren Hei-
^urch die Coaksöfen nebenher besorgt wird, und endlich eine chemische
F»b^ ^"roer. Außer dieser letztern bestehen in Zwickau noch zwei chemische
^ken. Sodann ist der hiesigen Porzellanfabrik Erwähnung zu thun, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/197>, abgerufen am 23.07.2024.