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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Das zwickaller Kohlengebiet umfaßt eine Fläche von etwa 12,"00 Ackern.
Die "schwarzen Diamanten" liegen in zwölf bis vierzehn bauwürdigen Flözen als
Ruß- und Pechkohlen, durch Lager von Schieferthon, Sandstein und Kon¬
glomeraten getrennt, übereinander. Etwa zwei Dritttheile der Gesammtmasse
befinden sich auf dem linken, ein Drittel auf dem rechten Ufer der Mulde.
Der Oberfläche am nächsten kommen sie bei Planitz, während sie bei Zwickau
am tiefsten liegen. Sie repräsentiren eine außerordentliche Fülle des für die
heutige Industrie unentbehrlichen Brennstoffs; denn da man das Gewicht des
Scheffels Steinkohlen zu ungefähr zwei Centnern annimmt und achtzehn Centner
Steinkohle die Heizkraft von einer Klafter Brennholz entwickeln, so ist die Produc-
tion der zwickauer Kohlengruben von 1856 gleich 777,777 Klaftern Holz, zu
deren Erzeugung gegen 578,000 Acker Waldland, d. h. mehr als das dop¬
pelte Areal der Staatsforsten des Königreichs Sachsen erforderlich wäre. Ohne
die zwickauer Steinkohlen wären die chemnitzer Fabrikanlagen eine Unmög¬
lichkeit gewesen, mit ihnen allein sind sie der Weiterentwickelung fähig.

Felder mit solchem Untergrund wie die des zwickauer Kohlenlandes lie¬
fern natürlich ihren Besitzern einen weit höhern Ertrag als die besten Weizen¬
acker der berühmten lommatzscher Pflege oder der altenburger Gegend, und
wenige Holzbanern mögen, wenn sie die vom Vater aufbewahrten Bestände
zur Zeit der Holztheurung losschlugen, so plötzlich zu großem Reichthum ge¬
langt sein wie die Kohlenbauern von Bockwa. Noch vor einem Men¬
schenalter war Bockwa ein schlichtes erzgebirgisches Dorf, dessen Bewohner
gleich Tagelöhnern arbeiten mußten, dessen Kinder barfuß zur Schule gingen.
Das heutige Bockwa dagegen sieht aus wie das Rentiersviertel einer unserer
Großstädte. In seinen stattlichen, mit schmucken Gärtchen gezierten Häusern
wohnen steinreiche Leute, die nur so viel zu arbeiten brauchen, als sie wollen,
und von denen einige, ohne eine Hand rühren zu müssen, täglich über hun¬
dert Thaler Einnahme haben. Wenn der Bauer zum Millionär wird, so ist
das eine Metamorphose, die, wie unsre Theaterdichter wissen, nicht ohne
Gefahren ist. Mancher ist auf diesem Wege fast so schnell wieder arm ge¬
worden, als er reich wurde. Mancher hat sich wenigstens lächerlich gemacht-
Die Bockwaer haben die Klippe vermieden, an welcher die Helden der Posse-
denen Fortuna das große Loos bescherte, zu scheitern pflegen. Sie plagen
sich nicht mehr wie ihre Väter mit Pflug und Sense, und sie thun sich etwas
zu Gute. Sie fahren in eleganten Wagen mit schönen Pferden zur Stadt,
das erste, worin ein reichgewordener deutscher Bauer seinen Stolz sucht. Sie
putzen ihre Frauen, und sie geben ihren Kindern eine städtische Erziehung.
Küche und Keller sind natürlich auch besser bestellt, als in den Tagen, wo
man hauptsächlich vom Ertrag seiner Felder sich nährte. Aber in unsinnige
Verschwendung ist auch nicht einer versallen. Im Gegentheil hört man in der


Das zwickaller Kohlengebiet umfaßt eine Fläche von etwa 12,»00 Ackern.
Die „schwarzen Diamanten" liegen in zwölf bis vierzehn bauwürdigen Flözen als
Ruß- und Pechkohlen, durch Lager von Schieferthon, Sandstein und Kon¬
glomeraten getrennt, übereinander. Etwa zwei Dritttheile der Gesammtmasse
befinden sich auf dem linken, ein Drittel auf dem rechten Ufer der Mulde.
Der Oberfläche am nächsten kommen sie bei Planitz, während sie bei Zwickau
am tiefsten liegen. Sie repräsentiren eine außerordentliche Fülle des für die
heutige Industrie unentbehrlichen Brennstoffs; denn da man das Gewicht des
Scheffels Steinkohlen zu ungefähr zwei Centnern annimmt und achtzehn Centner
Steinkohle die Heizkraft von einer Klafter Brennholz entwickeln, so ist die Produc-
tion der zwickauer Kohlengruben von 1856 gleich 777,777 Klaftern Holz, zu
deren Erzeugung gegen 578,000 Acker Waldland, d. h. mehr als das dop¬
pelte Areal der Staatsforsten des Königreichs Sachsen erforderlich wäre. Ohne
die zwickauer Steinkohlen wären die chemnitzer Fabrikanlagen eine Unmög¬
lichkeit gewesen, mit ihnen allein sind sie der Weiterentwickelung fähig.

Felder mit solchem Untergrund wie die des zwickauer Kohlenlandes lie¬
fern natürlich ihren Besitzern einen weit höhern Ertrag als die besten Weizen¬
acker der berühmten lommatzscher Pflege oder der altenburger Gegend, und
wenige Holzbanern mögen, wenn sie die vom Vater aufbewahrten Bestände
zur Zeit der Holztheurung losschlugen, so plötzlich zu großem Reichthum ge¬
langt sein wie die Kohlenbauern von Bockwa. Noch vor einem Men¬
schenalter war Bockwa ein schlichtes erzgebirgisches Dorf, dessen Bewohner
gleich Tagelöhnern arbeiten mußten, dessen Kinder barfuß zur Schule gingen.
Das heutige Bockwa dagegen sieht aus wie das Rentiersviertel einer unserer
Großstädte. In seinen stattlichen, mit schmucken Gärtchen gezierten Häusern
wohnen steinreiche Leute, die nur so viel zu arbeiten brauchen, als sie wollen,
und von denen einige, ohne eine Hand rühren zu müssen, täglich über hun¬
dert Thaler Einnahme haben. Wenn der Bauer zum Millionär wird, so ist
das eine Metamorphose, die, wie unsre Theaterdichter wissen, nicht ohne
Gefahren ist. Mancher ist auf diesem Wege fast so schnell wieder arm ge¬
worden, als er reich wurde. Mancher hat sich wenigstens lächerlich gemacht-
Die Bockwaer haben die Klippe vermieden, an welcher die Helden der Posse-
denen Fortuna das große Loos bescherte, zu scheitern pflegen. Sie plagen
sich nicht mehr wie ihre Väter mit Pflug und Sense, und sie thun sich etwas
zu Gute. Sie fahren in eleganten Wagen mit schönen Pferden zur Stadt,
das erste, worin ein reichgewordener deutscher Bauer seinen Stolz sucht. Sie
putzen ihre Frauen, und sie geben ihren Kindern eine städtische Erziehung.
Küche und Keller sind natürlich auch besser bestellt, als in den Tagen, wo
man hauptsächlich vom Ertrag seiner Felder sich nährte. Aber in unsinnige
Verschwendung ist auch nicht einer versallen. Im Gegentheil hört man in der


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[0196] Das zwickaller Kohlengebiet umfaßt eine Fläche von etwa 12,»00 Ackern. Die „schwarzen Diamanten" liegen in zwölf bis vierzehn bauwürdigen Flözen als Ruß- und Pechkohlen, durch Lager von Schieferthon, Sandstein und Kon¬ glomeraten getrennt, übereinander. Etwa zwei Dritttheile der Gesammtmasse befinden sich auf dem linken, ein Drittel auf dem rechten Ufer der Mulde. Der Oberfläche am nächsten kommen sie bei Planitz, während sie bei Zwickau am tiefsten liegen. Sie repräsentiren eine außerordentliche Fülle des für die heutige Industrie unentbehrlichen Brennstoffs; denn da man das Gewicht des Scheffels Steinkohlen zu ungefähr zwei Centnern annimmt und achtzehn Centner Steinkohle die Heizkraft von einer Klafter Brennholz entwickeln, so ist die Produc- tion der zwickauer Kohlengruben von 1856 gleich 777,777 Klaftern Holz, zu deren Erzeugung gegen 578,000 Acker Waldland, d. h. mehr als das dop¬ pelte Areal der Staatsforsten des Königreichs Sachsen erforderlich wäre. Ohne die zwickauer Steinkohlen wären die chemnitzer Fabrikanlagen eine Unmög¬ lichkeit gewesen, mit ihnen allein sind sie der Weiterentwickelung fähig. Felder mit solchem Untergrund wie die des zwickauer Kohlenlandes lie¬ fern natürlich ihren Besitzern einen weit höhern Ertrag als die besten Weizen¬ acker der berühmten lommatzscher Pflege oder der altenburger Gegend, und wenige Holzbanern mögen, wenn sie die vom Vater aufbewahrten Bestände zur Zeit der Holztheurung losschlugen, so plötzlich zu großem Reichthum ge¬ langt sein wie die Kohlenbauern von Bockwa. Noch vor einem Men¬ schenalter war Bockwa ein schlichtes erzgebirgisches Dorf, dessen Bewohner gleich Tagelöhnern arbeiten mußten, dessen Kinder barfuß zur Schule gingen. Das heutige Bockwa dagegen sieht aus wie das Rentiersviertel einer unserer Großstädte. In seinen stattlichen, mit schmucken Gärtchen gezierten Häusern wohnen steinreiche Leute, die nur so viel zu arbeiten brauchen, als sie wollen, und von denen einige, ohne eine Hand rühren zu müssen, täglich über hun¬ dert Thaler Einnahme haben. Wenn der Bauer zum Millionär wird, so ist das eine Metamorphose, die, wie unsre Theaterdichter wissen, nicht ohne Gefahren ist. Mancher ist auf diesem Wege fast so schnell wieder arm ge¬ worden, als er reich wurde. Mancher hat sich wenigstens lächerlich gemacht- Die Bockwaer haben die Klippe vermieden, an welcher die Helden der Posse- denen Fortuna das große Loos bescherte, zu scheitern pflegen. Sie plagen sich nicht mehr wie ihre Väter mit Pflug und Sense, und sie thun sich etwas zu Gute. Sie fahren in eleganten Wagen mit schönen Pferden zur Stadt, das erste, worin ein reichgewordener deutscher Bauer seinen Stolz sucht. Sie putzen ihre Frauen, und sie geben ihren Kindern eine städtische Erziehung. Küche und Keller sind natürlich auch besser bestellt, als in den Tagen, wo man hauptsächlich vom Ertrag seiner Felder sich nährte. Aber in unsinnige Verschwendung ist auch nicht einer versallen. Im Gegentheil hört man in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/196>, abgerufen am 28.12.2024.