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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Bei den Kaiserlichen betrug er (exclusive Verpflegung) für den Pikenier
neun, den Musketier sechs Gulden, bei den Schweden war er noch niedriger,
wurde aber im Anfang regelmäßiger gezahlt und für die Verpflegung bessere
Sorge getragen. Außer dem Sold wurde die gesammte Verpflegung
des Heeres durch ein rohes Nequisitionssystem den Landschaften aufgebürdet,
auch auf befreundeten Territorium. Die Gehalte der Oberoffiziere waren
sehr hoch und bildeten doch nur den kleinsten Theil ihrer Einnahme.
Während der Dienstzeit wurde die Mannschaft zuweilen durch eine Con-
trolbehörde, Musterherrn oder Commissarien des Kriegsfürsten in die Rollen
aufgeschrieben, um zu verhindern, daß nicht Obersten und Hauptleute für eine
größere Anzahl Sold bezogen, als sie bei der Fahne beisammen hatten, dann
wurden die Entlaufenen apart geschrieben, hinter jeden ein Galgen gemalt.
Wer auf freier Musterung angenommen war, der wurde, wenn er untüchtig
geworden oder eine gute Zeit gedient hatte, ausgemustert, frei erkannt, abgedankt,
und mit einem Paßbrief oder Freizettel versehen. Auch wer sich mit Urlaub von
der Fahne entfernte, erhielt einen Paßzettel. Für die Kleidung sorgte der
Soldat selbst; eine Uniformirung findet nur ausnahmsweise, in der Regel
bei den Trabanten der Leibwache statt, und bei den schwer gerüsteten Reitern,
so weit ihnen die Rüstung vom Kriegsherrn geliefert wurde, was vor dem
Kriege nicht, oder doch nur gegen Soldabzug geschah.

Die Kriegszucht der Deutschen war beim Beginn des Krieges im schlech¬
testen Ruf. Die deutschen Kriegsleute galten für turbulente, aufsätzige Re¬
nommisten auch bei andern Nationen.*) Nicht wenig verdarb der Dienst in
halbwilden Ländern, wie damals Ungarn und Polen waren, und gegen einen
barbarischen Feind, die Türken. Schon wenn der Sold der Einzelnen be¬
handelt wurde, begann die Unzufriedenheit; dem Hauptmann, der die Präten-
sionen des angeworbenen Söldners nicht befriedigen wollte, warf der Ge¬
kränkte die Muskete zornig vor die Füße und entfernte sich mit seinem Lauf¬
geld, es gab kein Mittel, ihn zu halten. War das Fähnlein vereidigt, so
fand der Hauptmann nur zu häusig seinen Vertheil darin, das Plündern und
die nächtliche Entfernung von der Fahne zu begünstigen, denn er erhielt
seinen Antheil am Raube der Soldaten. "Die ärgsten Mausköpfe waren die
besten Bienen."

Tief verhaßt waren stets die Zahlherren gewesen, weil sie in der Regel
den Sold unvollständig, und in schlechtem Gelde zum Regiment brachten, sie
und andere Commissarien des Landesherrn waren, wenn sie in das Lager
kamen, sogar Mißhandlungen ausgesetzt. Den höhern Befehlshabern wurde
das Aergste nachgesagt, vor allem, daß sie mehr Sold empfangen, als sie



') Junghans am Schluß; Wallhausen, Kriegskunst zu Fuß a. in. O. z. B. S. 20.

Bei den Kaiserlichen betrug er (exclusive Verpflegung) für den Pikenier
neun, den Musketier sechs Gulden, bei den Schweden war er noch niedriger,
wurde aber im Anfang regelmäßiger gezahlt und für die Verpflegung bessere
Sorge getragen. Außer dem Sold wurde die gesammte Verpflegung
des Heeres durch ein rohes Nequisitionssystem den Landschaften aufgebürdet,
auch auf befreundeten Territorium. Die Gehalte der Oberoffiziere waren
sehr hoch und bildeten doch nur den kleinsten Theil ihrer Einnahme.
Während der Dienstzeit wurde die Mannschaft zuweilen durch eine Con-
trolbehörde, Musterherrn oder Commissarien des Kriegsfürsten in die Rollen
aufgeschrieben, um zu verhindern, daß nicht Obersten und Hauptleute für eine
größere Anzahl Sold bezogen, als sie bei der Fahne beisammen hatten, dann
wurden die Entlaufenen apart geschrieben, hinter jeden ein Galgen gemalt.
Wer auf freier Musterung angenommen war, der wurde, wenn er untüchtig
geworden oder eine gute Zeit gedient hatte, ausgemustert, frei erkannt, abgedankt,
und mit einem Paßbrief oder Freizettel versehen. Auch wer sich mit Urlaub von
der Fahne entfernte, erhielt einen Paßzettel. Für die Kleidung sorgte der
Soldat selbst; eine Uniformirung findet nur ausnahmsweise, in der Regel
bei den Trabanten der Leibwache statt, und bei den schwer gerüsteten Reitern,
so weit ihnen die Rüstung vom Kriegsherrn geliefert wurde, was vor dem
Kriege nicht, oder doch nur gegen Soldabzug geschah.

Die Kriegszucht der Deutschen war beim Beginn des Krieges im schlech¬
testen Ruf. Die deutschen Kriegsleute galten für turbulente, aufsätzige Re¬
nommisten auch bei andern Nationen.*) Nicht wenig verdarb der Dienst in
halbwilden Ländern, wie damals Ungarn und Polen waren, und gegen einen
barbarischen Feind, die Türken. Schon wenn der Sold der Einzelnen be¬
handelt wurde, begann die Unzufriedenheit; dem Hauptmann, der die Präten-
sionen des angeworbenen Söldners nicht befriedigen wollte, warf der Ge¬
kränkte die Muskete zornig vor die Füße und entfernte sich mit seinem Lauf¬
geld, es gab kein Mittel, ihn zu halten. War das Fähnlein vereidigt, so
fand der Hauptmann nur zu häusig seinen Vertheil darin, das Plündern und
die nächtliche Entfernung von der Fahne zu begünstigen, denn er erhielt
seinen Antheil am Raube der Soldaten. „Die ärgsten Mausköpfe waren die
besten Bienen."

Tief verhaßt waren stets die Zahlherren gewesen, weil sie in der Regel
den Sold unvollständig, und in schlechtem Gelde zum Regiment brachten, sie
und andere Commissarien des Landesherrn waren, wenn sie in das Lager
kamen, sogar Mißhandlungen ausgesetzt. Den höhern Befehlshabern wurde
das Aergste nachgesagt, vor allem, daß sie mehr Sold empfangen, als sie



') Junghans am Schluß; Wallhausen, Kriegskunst zu Fuß a. in. O. z. B. S. 20.
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[0144] Bei den Kaiserlichen betrug er (exclusive Verpflegung) für den Pikenier neun, den Musketier sechs Gulden, bei den Schweden war er noch niedriger, wurde aber im Anfang regelmäßiger gezahlt und für die Verpflegung bessere Sorge getragen. Außer dem Sold wurde die gesammte Verpflegung des Heeres durch ein rohes Nequisitionssystem den Landschaften aufgebürdet, auch auf befreundeten Territorium. Die Gehalte der Oberoffiziere waren sehr hoch und bildeten doch nur den kleinsten Theil ihrer Einnahme. Während der Dienstzeit wurde die Mannschaft zuweilen durch eine Con- trolbehörde, Musterherrn oder Commissarien des Kriegsfürsten in die Rollen aufgeschrieben, um zu verhindern, daß nicht Obersten und Hauptleute für eine größere Anzahl Sold bezogen, als sie bei der Fahne beisammen hatten, dann wurden die Entlaufenen apart geschrieben, hinter jeden ein Galgen gemalt. Wer auf freier Musterung angenommen war, der wurde, wenn er untüchtig geworden oder eine gute Zeit gedient hatte, ausgemustert, frei erkannt, abgedankt, und mit einem Paßbrief oder Freizettel versehen. Auch wer sich mit Urlaub von der Fahne entfernte, erhielt einen Paßzettel. Für die Kleidung sorgte der Soldat selbst; eine Uniformirung findet nur ausnahmsweise, in der Regel bei den Trabanten der Leibwache statt, und bei den schwer gerüsteten Reitern, so weit ihnen die Rüstung vom Kriegsherrn geliefert wurde, was vor dem Kriege nicht, oder doch nur gegen Soldabzug geschah. Die Kriegszucht der Deutschen war beim Beginn des Krieges im schlech¬ testen Ruf. Die deutschen Kriegsleute galten für turbulente, aufsätzige Re¬ nommisten auch bei andern Nationen.*) Nicht wenig verdarb der Dienst in halbwilden Ländern, wie damals Ungarn und Polen waren, und gegen einen barbarischen Feind, die Türken. Schon wenn der Sold der Einzelnen be¬ handelt wurde, begann die Unzufriedenheit; dem Hauptmann, der die Präten- sionen des angeworbenen Söldners nicht befriedigen wollte, warf der Ge¬ kränkte die Muskete zornig vor die Füße und entfernte sich mit seinem Lauf¬ geld, es gab kein Mittel, ihn zu halten. War das Fähnlein vereidigt, so fand der Hauptmann nur zu häusig seinen Vertheil darin, das Plündern und die nächtliche Entfernung von der Fahne zu begünstigen, denn er erhielt seinen Antheil am Raube der Soldaten. „Die ärgsten Mausköpfe waren die besten Bienen." Tief verhaßt waren stets die Zahlherren gewesen, weil sie in der Regel den Sold unvollständig, und in schlechtem Gelde zum Regiment brachten, sie und andere Commissarien des Landesherrn waren, wenn sie in das Lager kamen, sogar Mißhandlungen ausgesetzt. Den höhern Befehlshabern wurde das Aergste nachgesagt, vor allem, daß sie mehr Sold empfangen, als sie ') Junghans am Schluß; Wallhausen, Kriegskunst zu Fuß a. in. O. z. B. S. 20.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/144>, abgerufen am 28.12.2024.