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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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geringerem Kaliber, welches im Anfang des Krieges auch beim Fußvolk zuweilen
den veralteten Namen Arkebuse führt/) Der Musketier trug außer einem Seiten¬
gewehr mit wenig-gekrümmter Spitze über die Schulter ein breites Bandelier
mit elf Cylinderkapseln, in denen die Ladung steckte, einen Luntcnbergcr
und am Riemen einen Gabelstock, Furket, mit metallener Spitze, oben mit
zwei metallenen Hörnern, auf den er beim Schießen die Muskete legte. Sein
Haupt bedeckte noch Helm oder Sturmhaube, bald warf er auch diese letzte
Schutzwaffe weg; der Arkebusier zu Fuß oder Handschütz führte nicht Gabel
und Bandelier, er lud aus Kugcltasche und Pulverhorn. Pikeniere und Mus¬
ketiere standen in demselben Fähnlein vereinigt, doch gab es schon lange vor
dem großen Kriege Fähnlein, welche nur Feuerwaffen enthielten. Aus den
Schützenfähnlein mit Handrohr, der leichtesten Infanterie, die man gern als
Freicompagnien von den Regimentern sonderte, entwickelten sich in der Mitte
des Krieges, -- so viel uns bekannt -- zuerst bei den Hessen -- Jägercompag¬
nien mit gezogenem Rohr. Die Grenadiere, welche Handgranaten werfen,
werden einzeln in geringer Anzahl gebildet, z. B. 1634 bei den Schweden im
belagerten Regensburg.

Beim Beginn des Krieges war der Pikenicr als schwerer Infanterist
traditionell noch der angesehene Mann, noch wurde er in den Musterregistern
als Doppelsöldner aufgeführt; im Lauf des Krieges erwies er sich als schwer¬
fällig für große Märsche, unbehilflich beim Angriff, fast unnütz, seit der Ca-
valerie das EinHauen und die letzte Entscheidung auf dem Schlachtfeld zuge¬
fallen war; so sank er allmälig in Verachtung, und das hübsche Urtheil des
lustigen Springinsfeld**) drückt genau die damalige Ansicht über seine Brauch¬
barkeit aus: "Ein Musketier ist zwar eine wohlgeplagte arme Creatur, aber
er lebt in herrlicher Glückseligkeit gegen einen elenden Pikenicr. Es ist ver¬
drießlich daran zu denken, was die guten Tröpfe für Ungemach ausstehen
müssen; keiner kanns glauben, ders nicht selbst erfährt, und ich meine, wer
einen Pikenier niedermacht, den er verschonen könnte, der ermordet einen
Unschuldigen und kann solchen Todtschlag nimmermehr verantworten. Denn
obgleich diese armen Schiebochsen -- mit diesem spöttischen Namen werden
sie genannt -- creirt sind, ihre Brigaden vor dem Eiuhauen der Reiter im
freien Feld zu schützen, so thun sie doch für sich selbst niemandem ein Leid,
und dem geschieht ganz Recht, der ja einem von ihnen in seinen langen Spieß
rennt. In Summa, ich habe mein Lebtag viel scharfe Occasionen gesehen,
aber selten wahrgenommen, daß ein Pikenicr jemanden umgebracht hätte."
Demungeachtet erhielten sich die Pikeniere bis gegen Ende des siebzehnten




-) Jacobi von Wallhauscn, Kriegsmanual 1616, S. 7 und Kupfer, Die Arkebuse des
sechzehnten Jahrhunderts war schwerer gewesen,
") Grimmelshcmsen, Seltsamer Springinsfeld.

geringerem Kaliber, welches im Anfang des Krieges auch beim Fußvolk zuweilen
den veralteten Namen Arkebuse führt/) Der Musketier trug außer einem Seiten¬
gewehr mit wenig-gekrümmter Spitze über die Schulter ein breites Bandelier
mit elf Cylinderkapseln, in denen die Ladung steckte, einen Luntcnbergcr
und am Riemen einen Gabelstock, Furket, mit metallener Spitze, oben mit
zwei metallenen Hörnern, auf den er beim Schießen die Muskete legte. Sein
Haupt bedeckte noch Helm oder Sturmhaube, bald warf er auch diese letzte
Schutzwaffe weg; der Arkebusier zu Fuß oder Handschütz führte nicht Gabel
und Bandelier, er lud aus Kugcltasche und Pulverhorn. Pikeniere und Mus¬
ketiere standen in demselben Fähnlein vereinigt, doch gab es schon lange vor
dem großen Kriege Fähnlein, welche nur Feuerwaffen enthielten. Aus den
Schützenfähnlein mit Handrohr, der leichtesten Infanterie, die man gern als
Freicompagnien von den Regimentern sonderte, entwickelten sich in der Mitte
des Krieges, — so viel uns bekannt — zuerst bei den Hessen — Jägercompag¬
nien mit gezogenem Rohr. Die Grenadiere, welche Handgranaten werfen,
werden einzeln in geringer Anzahl gebildet, z. B. 1634 bei den Schweden im
belagerten Regensburg.

Beim Beginn des Krieges war der Pikenicr als schwerer Infanterist
traditionell noch der angesehene Mann, noch wurde er in den Musterregistern
als Doppelsöldner aufgeführt; im Lauf des Krieges erwies er sich als schwer¬
fällig für große Märsche, unbehilflich beim Angriff, fast unnütz, seit der Ca-
valerie das EinHauen und die letzte Entscheidung auf dem Schlachtfeld zuge¬
fallen war; so sank er allmälig in Verachtung, und das hübsche Urtheil des
lustigen Springinsfeld**) drückt genau die damalige Ansicht über seine Brauch¬
barkeit aus: „Ein Musketier ist zwar eine wohlgeplagte arme Creatur, aber
er lebt in herrlicher Glückseligkeit gegen einen elenden Pikenicr. Es ist ver¬
drießlich daran zu denken, was die guten Tröpfe für Ungemach ausstehen
müssen; keiner kanns glauben, ders nicht selbst erfährt, und ich meine, wer
einen Pikenier niedermacht, den er verschonen könnte, der ermordet einen
Unschuldigen und kann solchen Todtschlag nimmermehr verantworten. Denn
obgleich diese armen Schiebochsen — mit diesem spöttischen Namen werden
sie genannt — creirt sind, ihre Brigaden vor dem Eiuhauen der Reiter im
freien Feld zu schützen, so thun sie doch für sich selbst niemandem ein Leid,
und dem geschieht ganz Recht, der ja einem von ihnen in seinen langen Spieß
rennt. In Summa, ich habe mein Lebtag viel scharfe Occasionen gesehen,
aber selten wahrgenommen, daß ein Pikenicr jemanden umgebracht hätte."
Demungeachtet erhielten sich die Pikeniere bis gegen Ende des siebzehnten




-) Jacobi von Wallhauscn, Kriegsmanual 1616, S. 7 und Kupfer, Die Arkebuse des
sechzehnten Jahrhunderts war schwerer gewesen,
") Grimmelshcmsen, Seltsamer Springinsfeld.
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[0138] geringerem Kaliber, welches im Anfang des Krieges auch beim Fußvolk zuweilen den veralteten Namen Arkebuse führt/) Der Musketier trug außer einem Seiten¬ gewehr mit wenig-gekrümmter Spitze über die Schulter ein breites Bandelier mit elf Cylinderkapseln, in denen die Ladung steckte, einen Luntcnbergcr und am Riemen einen Gabelstock, Furket, mit metallener Spitze, oben mit zwei metallenen Hörnern, auf den er beim Schießen die Muskete legte. Sein Haupt bedeckte noch Helm oder Sturmhaube, bald warf er auch diese letzte Schutzwaffe weg; der Arkebusier zu Fuß oder Handschütz führte nicht Gabel und Bandelier, er lud aus Kugcltasche und Pulverhorn. Pikeniere und Mus¬ ketiere standen in demselben Fähnlein vereinigt, doch gab es schon lange vor dem großen Kriege Fähnlein, welche nur Feuerwaffen enthielten. Aus den Schützenfähnlein mit Handrohr, der leichtesten Infanterie, die man gern als Freicompagnien von den Regimentern sonderte, entwickelten sich in der Mitte des Krieges, — so viel uns bekannt — zuerst bei den Hessen — Jägercompag¬ nien mit gezogenem Rohr. Die Grenadiere, welche Handgranaten werfen, werden einzeln in geringer Anzahl gebildet, z. B. 1634 bei den Schweden im belagerten Regensburg. Beim Beginn des Krieges war der Pikenicr als schwerer Infanterist traditionell noch der angesehene Mann, noch wurde er in den Musterregistern als Doppelsöldner aufgeführt; im Lauf des Krieges erwies er sich als schwer¬ fällig für große Märsche, unbehilflich beim Angriff, fast unnütz, seit der Ca- valerie das EinHauen und die letzte Entscheidung auf dem Schlachtfeld zuge¬ fallen war; so sank er allmälig in Verachtung, und das hübsche Urtheil des lustigen Springinsfeld**) drückt genau die damalige Ansicht über seine Brauch¬ barkeit aus: „Ein Musketier ist zwar eine wohlgeplagte arme Creatur, aber er lebt in herrlicher Glückseligkeit gegen einen elenden Pikenicr. Es ist ver¬ drießlich daran zu denken, was die guten Tröpfe für Ungemach ausstehen müssen; keiner kanns glauben, ders nicht selbst erfährt, und ich meine, wer einen Pikenier niedermacht, den er verschonen könnte, der ermordet einen Unschuldigen und kann solchen Todtschlag nimmermehr verantworten. Denn obgleich diese armen Schiebochsen — mit diesem spöttischen Namen werden sie genannt — creirt sind, ihre Brigaden vor dem Eiuhauen der Reiter im freien Feld zu schützen, so thun sie doch für sich selbst niemandem ein Leid, und dem geschieht ganz Recht, der ja einem von ihnen in seinen langen Spieß rennt. In Summa, ich habe mein Lebtag viel scharfe Occasionen gesehen, aber selten wahrgenommen, daß ein Pikenicr jemanden umgebracht hätte." Demungeachtet erhielten sich die Pikeniere bis gegen Ende des siebzehnten -) Jacobi von Wallhauscn, Kriegsmanual 1616, S. 7 und Kupfer, Die Arkebuse des sechzehnten Jahrhunderts war schwerer gewesen, ") Grimmelshcmsen, Seltsamer Springinsfeld.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/138>, abgerufen am 28.12.2024.