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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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wurden die Landsknechte betrogene Betrüger, schlechte Abenteurer, Plünderer
und Räuber.

Aber auch das deutsche Kriegstheater war nicht so beschaffen, daß
dauerhafte Erfolge zu erzielen waren. Fast jede Stadt, viele Landsitze waren
befestigt. Noch war das Belagerungsgeschütz schwerfällig und unsicher in
seinen Leistungen, noch die Vertheidigung fester Plätze verhältnißmäßig stärker
als der Angriff. So wurde der Kampf zum großen Theil ein Festungskrieg,
jede eingenommene Stadt schwächte das siegreiche Heer durch den Abgang der
Besntzungstruppen. War eine Landschaft erobert, dann war der Sieger leicht
nicht im Stande, in offener Feldschlacht dem Besiegten zu widerstehn. Durch
eine neue Anstrengung warf dieser Yen Sieger aus dem Felde, dann folgten
neue Belagerungen und Einnahmen und wieder eine verhängnißvolle Zersplit¬
terung der Kräfte.

So stand es um die deutsche Kriegführung beim Beginn des großen
Kampfes. Die Ausgabe der folgenden Abhandlung ist nun vorzugsweise.
Leben und Treiben der Soldaten selbst und ihr Verhältniß zum Volk darzu¬
stellen. Einige Bemerkungen über Organisation der Heere und die damalige
Methode des Krieges sind zum Verständniß unvermeidlich/)

Das Fußvolk trug entweder das Feuerrohr oder den Spieß, das Rohr
Zum Auflockern der feindlichen Massen, den Spieß zum Drausgehn und zur
Entscheidung im Nahgesecht. Die Mannschaften der scharfen Waffe waren in
der großen Mehrzahl Pikeniere, seltener Hellebardiere. zuweilen noch Schlacht¬
schwerter und Nondarschiere mit Spieß und Schild. Beim Beginn des Krie¬
ges gute der Pikenier für den schweren Jnfanteristen, er trug Helm. Brust¬
harnisch, Armschienen, den Degen und eine achtzehn Fuß lange Pike mit eiserner
Spitze, den Schaft am besten von Eschenholz. Die Gefreiten und Subaltern-
Mziere führten Hellebarden oder Partisanen. Es wurde aber immer schwerer,
sür diese alten Landsknechtwaffen das Volk in hinreichender Anzahl zusam-
wenzubringen. denn es fehlte bereits sehr an Mannschaft, welche drausgehn
Zollte. Von den Handfeuerwaffen hatten zwei die Herrschaft in den Heeren
klänge, die Gabelmuskete, bei den Kaiserlichen ein schweres Gewehr von sechs
Fuß Länge mit Luntenschloß, und Kugeln, von denen zehn aufs Pfund gin¬
gen, und daneben das kürzere Hand- oder Schützenrohr, leichter und von



") Das Beste, was bis jetzt über Taktik und Strategie des dreißigjährigen Krieges ge-
schrieben ist. findet steh in W. Nüstow. Geschichte der Infanterie 2. Bde, Gotha 18S7, Hier
sollen die Seiten des damaligen Heerwesens hervorgehoben werden, welche zu behandeln Rü°
se°w keine Veranlassung hatte, -- Karl Aug. Müller, Das Söldnerwcsen in den ersten
Leiten des dreißigjährigen Krieges. Dresden, 1838 -- ist eine kleine Monographie, welche
Notizen des dresdner Archivs aus der Zeit 1618--23 vortrefflich zusammenfaßt, sie ist im Fol-
SMden einmal benutzt, -- I, Hellmann, das Kriegswesen des dreißigjährigen Krieges, Leipzig,
^50. ist eine Compilation, bei welcher die Kritik leider unvollständig war. --
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wurden die Landsknechte betrogene Betrüger, schlechte Abenteurer, Plünderer
und Räuber.

Aber auch das deutsche Kriegstheater war nicht so beschaffen, daß
dauerhafte Erfolge zu erzielen waren. Fast jede Stadt, viele Landsitze waren
befestigt. Noch war das Belagerungsgeschütz schwerfällig und unsicher in
seinen Leistungen, noch die Vertheidigung fester Plätze verhältnißmäßig stärker
als der Angriff. So wurde der Kampf zum großen Theil ein Festungskrieg,
jede eingenommene Stadt schwächte das siegreiche Heer durch den Abgang der
Besntzungstruppen. War eine Landschaft erobert, dann war der Sieger leicht
nicht im Stande, in offener Feldschlacht dem Besiegten zu widerstehn. Durch
eine neue Anstrengung warf dieser Yen Sieger aus dem Felde, dann folgten
neue Belagerungen und Einnahmen und wieder eine verhängnißvolle Zersplit¬
terung der Kräfte.

So stand es um die deutsche Kriegführung beim Beginn des großen
Kampfes. Die Ausgabe der folgenden Abhandlung ist nun vorzugsweise.
Leben und Treiben der Soldaten selbst und ihr Verhältniß zum Volk darzu¬
stellen. Einige Bemerkungen über Organisation der Heere und die damalige
Methode des Krieges sind zum Verständniß unvermeidlich/)

Das Fußvolk trug entweder das Feuerrohr oder den Spieß, das Rohr
Zum Auflockern der feindlichen Massen, den Spieß zum Drausgehn und zur
Entscheidung im Nahgesecht. Die Mannschaften der scharfen Waffe waren in
der großen Mehrzahl Pikeniere, seltener Hellebardiere. zuweilen noch Schlacht¬
schwerter und Nondarschiere mit Spieß und Schild. Beim Beginn des Krie¬
ges gute der Pikenier für den schweren Jnfanteristen, er trug Helm. Brust¬
harnisch, Armschienen, den Degen und eine achtzehn Fuß lange Pike mit eiserner
Spitze, den Schaft am besten von Eschenholz. Die Gefreiten und Subaltern-
Mziere führten Hellebarden oder Partisanen. Es wurde aber immer schwerer,
sür diese alten Landsknechtwaffen das Volk in hinreichender Anzahl zusam-
wenzubringen. denn es fehlte bereits sehr an Mannschaft, welche drausgehn
Zollte. Von den Handfeuerwaffen hatten zwei die Herrschaft in den Heeren
klänge, die Gabelmuskete, bei den Kaiserlichen ein schweres Gewehr von sechs
Fuß Länge mit Luntenschloß, und Kugeln, von denen zehn aufs Pfund gin¬
gen, und daneben das kürzere Hand- oder Schützenrohr, leichter und von



") Das Beste, was bis jetzt über Taktik und Strategie des dreißigjährigen Krieges ge-
schrieben ist. findet steh in W. Nüstow. Geschichte der Infanterie 2. Bde, Gotha 18S7, Hier
sollen die Seiten des damaligen Heerwesens hervorgehoben werden, welche zu behandeln Rü°
se°w keine Veranlassung hatte, — Karl Aug. Müller, Das Söldnerwcsen in den ersten
Leiten des dreißigjährigen Krieges. Dresden, 1838 — ist eine kleine Monographie, welche
Notizen des dresdner Archivs aus der Zeit 1618—23 vortrefflich zusammenfaßt, sie ist im Fol-
SMden einmal benutzt, — I, Hellmann, das Kriegswesen des dreißigjährigen Krieges, Leipzig,
^50. ist eine Compilation, bei welcher die Kritik leider unvollständig war. —
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[0137] wurden die Landsknechte betrogene Betrüger, schlechte Abenteurer, Plünderer und Räuber. Aber auch das deutsche Kriegstheater war nicht so beschaffen, daß dauerhafte Erfolge zu erzielen waren. Fast jede Stadt, viele Landsitze waren befestigt. Noch war das Belagerungsgeschütz schwerfällig und unsicher in seinen Leistungen, noch die Vertheidigung fester Plätze verhältnißmäßig stärker als der Angriff. So wurde der Kampf zum großen Theil ein Festungskrieg, jede eingenommene Stadt schwächte das siegreiche Heer durch den Abgang der Besntzungstruppen. War eine Landschaft erobert, dann war der Sieger leicht nicht im Stande, in offener Feldschlacht dem Besiegten zu widerstehn. Durch eine neue Anstrengung warf dieser Yen Sieger aus dem Felde, dann folgten neue Belagerungen und Einnahmen und wieder eine verhängnißvolle Zersplit¬ terung der Kräfte. So stand es um die deutsche Kriegführung beim Beginn des großen Kampfes. Die Ausgabe der folgenden Abhandlung ist nun vorzugsweise. Leben und Treiben der Soldaten selbst und ihr Verhältniß zum Volk darzu¬ stellen. Einige Bemerkungen über Organisation der Heere und die damalige Methode des Krieges sind zum Verständniß unvermeidlich/) Das Fußvolk trug entweder das Feuerrohr oder den Spieß, das Rohr Zum Auflockern der feindlichen Massen, den Spieß zum Drausgehn und zur Entscheidung im Nahgesecht. Die Mannschaften der scharfen Waffe waren in der großen Mehrzahl Pikeniere, seltener Hellebardiere. zuweilen noch Schlacht¬ schwerter und Nondarschiere mit Spieß und Schild. Beim Beginn des Krie¬ ges gute der Pikenier für den schweren Jnfanteristen, er trug Helm. Brust¬ harnisch, Armschienen, den Degen und eine achtzehn Fuß lange Pike mit eiserner Spitze, den Schaft am besten von Eschenholz. Die Gefreiten und Subaltern- Mziere führten Hellebarden oder Partisanen. Es wurde aber immer schwerer, sür diese alten Landsknechtwaffen das Volk in hinreichender Anzahl zusam- wenzubringen. denn es fehlte bereits sehr an Mannschaft, welche drausgehn Zollte. Von den Handfeuerwaffen hatten zwei die Herrschaft in den Heeren klänge, die Gabelmuskete, bei den Kaiserlichen ein schweres Gewehr von sechs Fuß Länge mit Luntenschloß, und Kugeln, von denen zehn aufs Pfund gin¬ gen, und daneben das kürzere Hand- oder Schützenrohr, leichter und von ") Das Beste, was bis jetzt über Taktik und Strategie des dreißigjährigen Krieges ge- schrieben ist. findet steh in W. Nüstow. Geschichte der Infanterie 2. Bde, Gotha 18S7, Hier sollen die Seiten des damaligen Heerwesens hervorgehoben werden, welche zu behandeln Rü° se°w keine Veranlassung hatte, — Karl Aug. Müller, Das Söldnerwcsen in den ersten Leiten des dreißigjährigen Krieges. Dresden, 1838 — ist eine kleine Monographie, welche Notizen des dresdner Archivs aus der Zeit 1618—23 vortrefflich zusammenfaßt, sie ist im Fol- SMden einmal benutzt, — I, Hellmann, das Kriegswesen des dreißigjährigen Krieges, Leipzig, ^50. ist eine Compilation, bei welcher die Kritik leider unvollständig war. — 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/137>, abgerufen am 22.07.2024.