Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Schmack abgewinnen. Man wirft Worte und Gedanken hin, ohne zu wissen An Körner, 28. Sept. 1789. "Kommenden Winter lese ich die Woche Schmack abgewinnen. Man wirft Worte und Gedanken hin, ohne zu wissen An Körner, 28. Sept. 1789. „Kommenden Winter lese ich die Woche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107512"/> <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> Schmack abgewinnen. Man wirft Worte und Gedanken hin, ohne zu wissen<lb/> und fast ohne zu hoffen, daß sie irgendwo fangen." „Es ist hier ein solcher<lb/> Geist des Neides, daß dieses kleine Geräusch, das mein erster Auftritt machte,<lb/> die Zahl meiner Freunde wol schwerlich vermehrt hat." 11 Juni: „Da mir<lb/> die Materien, worüber ich lese, noch zu neu sind, so muß ich mich freilich<lb/> noch ans Manuscript halten, und ich fühle wohl, daß gemeinverständliche<lb/> Deutlichkeit grade das ist, was mir am meisten Mühe kostet. Bis jetzt hat<lb/> mein Vortrag durch seinen Glanz und seine Neuheit geblendet, in der Folge<lb/> aber muß ich ihm doch mehr allgemeine Faßlichkeit zu geben suchen, wenn<lb/> ich meine Leute festhalten will. Meine Vorlesungen kosten mich jetzt noch er¬<lb/> staunlich viel Zeit und Mühe, sowol weil ich erst selbst lernen muß, als<lb/> auch weil mir die Materie unter den Händen wichtiger wird als ich sie für<lb/> den Augenblick brauche, und ich die Gedanken doch nicht fahren lassen mag."<lb/> ganz 20. spe., an Lottchen, mit der er sich kurz vorher verlobt: „Ich eile jetzt<lb/> gewaltig, und meine Studenten freuen sich ordentlich, wie es schnell geht. Ganze<lb/> Jahrhunderte fliegen hinter uns zurück. Morgen bin ich schon mit dem Alci-<lb/> biades fertig, und es geht mit schnellen Schritten dem Alexander zu, mit dem<lb/> ich aufhöre. Unser Plutarch thut mir jetzt gar gute Dienste."</p><lb/> <p xml:id="ID_1408" next="#ID_1409"> An Körner, 28. Sept. 1789. „Kommenden Winter lese ich die Woche<lb/> fünf Stunden Universalgeschichte, von der fränkischen Monarchie an bis aus<lb/> Friedrich den Zweiten, und eine Stunde publico Geschichte der Römer; so daß<lb/> ich von Ostern 178g bis Ostern 1790 den ganzen Cursus der Universal¬<lb/> historie durchgemacht haben muß. Wie? das ist eine andere Frage. Aber daß<lb/> mir diese Nothwendigkeit, Facta einzustudiren, äußerst wohlthut, fühle ich<lb/> schon jetzt." „Hast du die Vo^a,Ms ä' ^.nac:Ka.rsis gelesen? Die Form wäre<lb/> vortrefflich, wenn sie durch ein Genie ausgeführt worden wäre, das scheint<lb/> aber nicht der Fall zu sein. Ein Künstlergcnie würde die ganze griechische<lb/> Geschichte ungezwungenen die Reise zu verflechten gewußt haben, und zwar<lb/> mit einer solchen Oekonomie, daß jedes nur an der Stelle erwähnt worden<lb/> wäre, wo es zum Verständniß des Nächstfolgenden gedient und die höchste<lb/> Wirkung gethan hätte. Dann scheint mir auch keine strenge Wahl des Inter¬<lb/> essanten darin stattgehabt zu haben: man sieht, wie mühsam er z. B. die<lb/> Topographie und tgi. zusammentrug, um dadurch Leben und Wahrheit in<lb/> seine Schilderung zu bringen; aber was liegt uns so sehr an den geographi¬<lb/> schen oder naturhistorischen Beschaffenheiten von Orten, die nicht mehr sind<lb/> und auch da sie waren nicht viel zu bedeuten hatten." „Ich habe den Li-<lb/> vius mit hierher (nach Rudolstadt) genommen, den ich jetzt zum allerersten<lb/> Male lese und der mir überaus viel Vergnügen gibt. Warum habe ich nicht<lb/> Griechisch genug gelernt, um den Lenophon und Tbucudidcs zu lesen? Mein<lb/> eigner Stil ist noch nicht historisch und überhaupt noch nicht einfach, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
Schmack abgewinnen. Man wirft Worte und Gedanken hin, ohne zu wissen
und fast ohne zu hoffen, daß sie irgendwo fangen." „Es ist hier ein solcher
Geist des Neides, daß dieses kleine Geräusch, das mein erster Auftritt machte,
die Zahl meiner Freunde wol schwerlich vermehrt hat." 11 Juni: „Da mir
die Materien, worüber ich lese, noch zu neu sind, so muß ich mich freilich
noch ans Manuscript halten, und ich fühle wohl, daß gemeinverständliche
Deutlichkeit grade das ist, was mir am meisten Mühe kostet. Bis jetzt hat
mein Vortrag durch seinen Glanz und seine Neuheit geblendet, in der Folge
aber muß ich ihm doch mehr allgemeine Faßlichkeit zu geben suchen, wenn
ich meine Leute festhalten will. Meine Vorlesungen kosten mich jetzt noch er¬
staunlich viel Zeit und Mühe, sowol weil ich erst selbst lernen muß, als
auch weil mir die Materie unter den Händen wichtiger wird als ich sie für
den Augenblick brauche, und ich die Gedanken doch nicht fahren lassen mag."
ganz 20. spe., an Lottchen, mit der er sich kurz vorher verlobt: „Ich eile jetzt
gewaltig, und meine Studenten freuen sich ordentlich, wie es schnell geht. Ganze
Jahrhunderte fliegen hinter uns zurück. Morgen bin ich schon mit dem Alci-
biades fertig, und es geht mit schnellen Schritten dem Alexander zu, mit dem
ich aufhöre. Unser Plutarch thut mir jetzt gar gute Dienste."
An Körner, 28. Sept. 1789. „Kommenden Winter lese ich die Woche
fünf Stunden Universalgeschichte, von der fränkischen Monarchie an bis aus
Friedrich den Zweiten, und eine Stunde publico Geschichte der Römer; so daß
ich von Ostern 178g bis Ostern 1790 den ganzen Cursus der Universal¬
historie durchgemacht haben muß. Wie? das ist eine andere Frage. Aber daß
mir diese Nothwendigkeit, Facta einzustudiren, äußerst wohlthut, fühle ich
schon jetzt." „Hast du die Vo^a,Ms ä' ^.nac:Ka.rsis gelesen? Die Form wäre
vortrefflich, wenn sie durch ein Genie ausgeführt worden wäre, das scheint
aber nicht der Fall zu sein. Ein Künstlergcnie würde die ganze griechische
Geschichte ungezwungenen die Reise zu verflechten gewußt haben, und zwar
mit einer solchen Oekonomie, daß jedes nur an der Stelle erwähnt worden
wäre, wo es zum Verständniß des Nächstfolgenden gedient und die höchste
Wirkung gethan hätte. Dann scheint mir auch keine strenge Wahl des Inter¬
essanten darin stattgehabt zu haben: man sieht, wie mühsam er z. B. die
Topographie und tgi. zusammentrug, um dadurch Leben und Wahrheit in
seine Schilderung zu bringen; aber was liegt uns so sehr an den geographi¬
schen oder naturhistorischen Beschaffenheiten von Orten, die nicht mehr sind
und auch da sie waren nicht viel zu bedeuten hatten." „Ich habe den Li-
vius mit hierher (nach Rudolstadt) genommen, den ich jetzt zum allerersten
Male lese und der mir überaus viel Vergnügen gibt. Warum habe ich nicht
Griechisch genug gelernt, um den Lenophon und Tbucudidcs zu lesen? Mein
eigner Stil ist noch nicht historisch und überhaupt noch nicht einfach, und
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