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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gewährt, desto mehr hat es auch zu erwarte"/ daß bei einem Friedensschluß und
bei einer Neugestaltung der Dinge, die jedem Friedensschluß folgt, von Oest¬
reichs Seite auf die deutscheu Bundesgenossen nach jeder Richtung hin Rücksicht
genommen werden wird."

Da diese Betrachtungen -- weit über den Saal der ersten sächsischen Kammer
hinaus -- an diejenigen gerichtet sind, welche von ähnlichen Gedanken etwas prä-
occupirt sind, wie wir, so sei uns ein näheres Eingehn auf dieselben verstattet.

Eigentlich müßte man glauben, die Unterstützung des Bundes könne nur den
Zweck haben, Oestreich einen schnellen ,,nicht allzu lästigen" Frieden zu verschaffen,
und wenn Oestreich in der Lage wäre, diesen Zweck ohne jene Hilfe zu erreichen, so
sei es nützlicher für beide Theile. -- Indeß sind jene Betrachtungen nicht ohne Ge¬
wicht. Ans dem Diplomatischen übersetzt, kommen sie ungefähr auf die im vorigen
Heft von uns besprochene Ansicht eines deutschen Blatts heraus: Oestreich könne
gar wol auf Kosten Deutschlands mit Frankreich Frieden schließen. (Und dies ist
wol der Fall, den die Kreuzzeitung vorsieht, wenn sie die Verbindung aller Konser¬
vativen mit Oestreich und Frankreich gegen Preußen in Aussicht stellt.) Dies zu
vermeiden, meint der Minister, ist wol das zweckmäßigste Mittel, wenn man Oest¬
reichs Dankbarkeit erregt.

Es ist mit der Politischen Dankbarkeit eine eigne Sache. Als Preußen im
Mai 1849 zur Niederwerfung des dresdner Aufruhrs willig seine Hilfe geliehen,
klagte später Herr v. Manteuffel, wie es einem sentimentalen Staatsmann ziemt,
auch über Sachsens Undank. Wir billigen ganz im Gegentheil das Verfahren Sach¬
sens, sich in ernsthaften Dingen nicht durch das Gefühl der Dankbarkeit, sondern
durch die Rücksicht auf seine Interessen bestimmen zu lassen. Auf Dankbarkeit rech¬
net in der Politik nur der Schwächling, und Oestreich ist ein viel zu lebenskräftiger
Staat, um sich solche" Gcmüthsanwandlungcn hinzugeben -- es hat das auch hin¬
länglich gezeigt. Mit dieser Rechnung wäre es also, namentlich von Seiten Preu¬
ßens , das doch mehr und mehr über die deutschen Stimmungen auss Reine kommt,
eine sehr bedenkliche Speculation.

Daß Oestreich im Frieden die preußische Rheinprovinz an Frankreich abtreten
sollte, wäre zwar etwas Neues, aber dieser Umstand wäre noch kein Beweis für die
Unmöglichkeit der Sache. Aber -- warum sollte Oestreich denn einen solchen Frieden
nicht schließen, wenn wir alle nach einem mehrjährigen Kriege erschöpft wären, wenn
Preußen kein Heer mehr hätte? -- Man denke doch an den Frieden von Tilsit!
Preußen war auf Anreizung Rußlands in den Krieg gegangen -- das Weitre "ver¬
schweig' ich, doch weiß es die Welt!" -- Nicht wir sind es, die solche Eventuali¬
täten in Rechnung zu ziehen den Anfang gemacht haben.

Nein, wir verlangen solidere Garantien dafür, daß "bei der Neugestaltung der
Dinge, die jedem Friedensschluß folgt," auf die deutschen Bundesgenossen "nach
allen Seiten hin Rücksicht genommen werde." Die Dankbarkeit ist eine Tugend, aber
zur Garantie ist sie nicht solid genug.

Die Drohung Rußlands, salls der deutsche Bund sieh in die italienische Sache
einließe, scheint nun erfolgt zu sein. Preußen wäre also den feindlichen Heeren vom
Rhein, von der Nordsee, von der Ostsee, von Polen ausgesetzt. Von England ist
sehr wenig zu erwarten, wenn Lord Derby bleibt; nichts, wenn Palmerston ans


gewährt, desto mehr hat es auch zu erwarte«/ daß bei einem Friedensschluß und
bei einer Neugestaltung der Dinge, die jedem Friedensschluß folgt, von Oest¬
reichs Seite auf die deutscheu Bundesgenossen nach jeder Richtung hin Rücksicht
genommen werden wird."

Da diese Betrachtungen — weit über den Saal der ersten sächsischen Kammer
hinaus — an diejenigen gerichtet sind, welche von ähnlichen Gedanken etwas prä-
occupirt sind, wie wir, so sei uns ein näheres Eingehn auf dieselben verstattet.

Eigentlich müßte man glauben, die Unterstützung des Bundes könne nur den
Zweck haben, Oestreich einen schnellen ,,nicht allzu lästigen" Frieden zu verschaffen,
und wenn Oestreich in der Lage wäre, diesen Zweck ohne jene Hilfe zu erreichen, so
sei es nützlicher für beide Theile. — Indeß sind jene Betrachtungen nicht ohne Ge¬
wicht. Ans dem Diplomatischen übersetzt, kommen sie ungefähr auf die im vorigen
Heft von uns besprochene Ansicht eines deutschen Blatts heraus: Oestreich könne
gar wol auf Kosten Deutschlands mit Frankreich Frieden schließen. (Und dies ist
wol der Fall, den die Kreuzzeitung vorsieht, wenn sie die Verbindung aller Konser¬
vativen mit Oestreich und Frankreich gegen Preußen in Aussicht stellt.) Dies zu
vermeiden, meint der Minister, ist wol das zweckmäßigste Mittel, wenn man Oest¬
reichs Dankbarkeit erregt.

Es ist mit der Politischen Dankbarkeit eine eigne Sache. Als Preußen im
Mai 1849 zur Niederwerfung des dresdner Aufruhrs willig seine Hilfe geliehen,
klagte später Herr v. Manteuffel, wie es einem sentimentalen Staatsmann ziemt,
auch über Sachsens Undank. Wir billigen ganz im Gegentheil das Verfahren Sach¬
sens, sich in ernsthaften Dingen nicht durch das Gefühl der Dankbarkeit, sondern
durch die Rücksicht auf seine Interessen bestimmen zu lassen. Auf Dankbarkeit rech¬
net in der Politik nur der Schwächling, und Oestreich ist ein viel zu lebenskräftiger
Staat, um sich solche» Gcmüthsanwandlungcn hinzugeben — es hat das auch hin¬
länglich gezeigt. Mit dieser Rechnung wäre es also, namentlich von Seiten Preu¬
ßens , das doch mehr und mehr über die deutschen Stimmungen auss Reine kommt,
eine sehr bedenkliche Speculation.

Daß Oestreich im Frieden die preußische Rheinprovinz an Frankreich abtreten
sollte, wäre zwar etwas Neues, aber dieser Umstand wäre noch kein Beweis für die
Unmöglichkeit der Sache. Aber — warum sollte Oestreich denn einen solchen Frieden
nicht schließen, wenn wir alle nach einem mehrjährigen Kriege erschöpft wären, wenn
Preußen kein Heer mehr hätte? — Man denke doch an den Frieden von Tilsit!
Preußen war auf Anreizung Rußlands in den Krieg gegangen — das Weitre „ver¬
schweig' ich, doch weiß es die Welt!" — Nicht wir sind es, die solche Eventuali¬
täten in Rechnung zu ziehen den Anfang gemacht haben.

Nein, wir verlangen solidere Garantien dafür, daß „bei der Neugestaltung der
Dinge, die jedem Friedensschluß folgt," auf die deutschen Bundesgenossen „nach
allen Seiten hin Rücksicht genommen werde." Die Dankbarkeit ist eine Tugend, aber
zur Garantie ist sie nicht solid genug.

Die Drohung Rußlands, salls der deutsche Bund sieh in die italienische Sache
einließe, scheint nun erfolgt zu sein. Preußen wäre also den feindlichen Heeren vom
Rhein, von der Nordsee, von der Ostsee, von Polen ausgesetzt. Von England ist
sehr wenig zu erwarten, wenn Lord Derby bleibt; nichts, wenn Palmerston ans


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/447>, abgerufen am 22.12.2024.