Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Christenthum erst aus dein Platonismus genommen hatten, den sie dann Ganz besonders gilt dies von Justin, dein Märtyrer, der von einer phi¬ Diese enge Verbindung von Philosophie und Christenthum, wie wir sie Grenzboten II. 18S9. 53
Christenthum erst aus dein Platonismus genommen hatten, den sie dann Ganz besonders gilt dies von Justin, dein Märtyrer, der von einer phi¬ Diese enge Verbindung von Philosophie und Christenthum, wie wir sie Grenzboten II. 18S9. 53
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107474"/> <p xml:id="ID_1273" prev="#ID_1272"> Christenthum erst aus dein Platonismus genommen hatten, den sie dann<lb/> selbst in seinen äußern Sitten in dasselbe hinüberbrachte».</p><lb/> <p xml:id="ID_1274"> Ganz besonders gilt dies von Justin, dein Märtyrer, der von einer phi¬<lb/> losophischen Schule zu der andern sich wandte, bis er durch die Platoniker<lb/> sich befriedigt fühlte. Die Richtung, welche der Platonismus ihm gab, be¬<lb/> reitete seinen Uebertritt vor. Aehnlich wenigstens verhält es sich mit seinem<lb/> Schüler Tatian, der das Christenthum im Geist und im Sinne der morgen-<lb/> lündischen Philosophie aufgefaßt und selbst eine gnostische Sekte gestiftet hat.-<lb/> Der Lehrer des Origenes war Ammonius Sakkas. der Stifter der neuplato¬<lb/> nischen Schule. Athenagoras wird in der Aufschrift seiner beiden Werke ein<lb/> athcniensischer Philosoph genannt. Einer der ersten Vorkämpfer der christ¬<lb/> lichen Lehre war der atheniensische Philosoph Aristides, der schon unter Ha-<lb/> drian als Apologet des Christenthums auftrat. Endlich mag hier auch noch<lb/> die Nachricht des Eusebius, daß viele Philosophen dem Clemens von Ale-<lb/> xandrien und dem Origenes ihre Schriften gewidmet und gleichsam wie ihren<lb/> Lehrern übersendet hätten, eine Stelle finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1275" next="#ID_1276"> Diese enge Verbindung von Philosophie und Christenthum, wie wir sie<lb/> in den beiden ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung nachgewiesen haben,<lb/> um den Philosophenbart und den Philosophenmantel an den Gestalten der<lb/> Apostel zu erklären, die aus den Traditionen der römischen Kirche und ihrer<lb/> spätern Anordnung historisch bereits unerklärbar geworden sind, erläutert noch<lb/> bedeutend wichtigere Dinge, als die sind, die wir soeben ins rechte Licht ge¬<lb/> setzt haben. Einen geistreichen Beitrag hat in dieser Hinsicht Zeller in dem<lb/> ersten Heft der Sybelschen historischen Zeitschrift geliefert, indem er nachgewiesen<lb/> hat, daß selbst das Platonische Staatsideal auf die cillmälige Gestaltung der<lb/> mittelalterlichen Welt nicht einflußlos gewesen ist. Platos Staat ist eine Dar¬<lb/> stellung und ein Hilfsmittel der Sittlichkeit; seine höchste Aufgabe aber ist:<lb/> seine Bürger zur Tugend und dadurch zur Glückseligkeit zu erziehen, ihren<lb/> Sinn und ihr Auge einer höheren geistigen Welt zuzuwenden, welche sich als<lb/> der Gipfel alles menschlichen Strebens darstellt. Wer mag leugnen, daß dieser<lb/> Platonische Staat dem christlichen, „dem Reiche Gottes", dessen irdische Er¬<lb/> scheinung die christliche Kirche sein will, nahe genug steht? Der geistigen Herr¬<lb/> schaft der Philosophen im Platonischen Staat entspricht die geistliche der Priester<lb/> im Mittelalter. Die vollziehende Macht der Krieger Platos ist die der mittel¬<lb/> alterlichen Ritter. Der Lehr-, Wehr- und Nährstand des Mittelalters wird<lb/> im Platonischen Staat durch die Philosophen, die Krieger und die Hand¬<lb/> werker vertreten. Gütergemeinschaft wünscht Plato dem Staate als das höchste<lb/> Gut und auch der christlichen Kirche hat sie nicht nur in der ältesten Zeit als<lb/> Ideal vorgeschwebt, sondern ist in ihr auch später noch als Entsagung und frei-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 18S9. 53</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
Christenthum erst aus dein Platonismus genommen hatten, den sie dann
selbst in seinen äußern Sitten in dasselbe hinüberbrachte».
Ganz besonders gilt dies von Justin, dein Märtyrer, der von einer phi¬
losophischen Schule zu der andern sich wandte, bis er durch die Platoniker
sich befriedigt fühlte. Die Richtung, welche der Platonismus ihm gab, be¬
reitete seinen Uebertritt vor. Aehnlich wenigstens verhält es sich mit seinem
Schüler Tatian, der das Christenthum im Geist und im Sinne der morgen-
lündischen Philosophie aufgefaßt und selbst eine gnostische Sekte gestiftet hat.-
Der Lehrer des Origenes war Ammonius Sakkas. der Stifter der neuplato¬
nischen Schule. Athenagoras wird in der Aufschrift seiner beiden Werke ein
athcniensischer Philosoph genannt. Einer der ersten Vorkämpfer der christ¬
lichen Lehre war der atheniensische Philosoph Aristides, der schon unter Ha-
drian als Apologet des Christenthums auftrat. Endlich mag hier auch noch
die Nachricht des Eusebius, daß viele Philosophen dem Clemens von Ale-
xandrien und dem Origenes ihre Schriften gewidmet und gleichsam wie ihren
Lehrern übersendet hätten, eine Stelle finden.
Diese enge Verbindung von Philosophie und Christenthum, wie wir sie
in den beiden ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung nachgewiesen haben,
um den Philosophenbart und den Philosophenmantel an den Gestalten der
Apostel zu erklären, die aus den Traditionen der römischen Kirche und ihrer
spätern Anordnung historisch bereits unerklärbar geworden sind, erläutert noch
bedeutend wichtigere Dinge, als die sind, die wir soeben ins rechte Licht ge¬
setzt haben. Einen geistreichen Beitrag hat in dieser Hinsicht Zeller in dem
ersten Heft der Sybelschen historischen Zeitschrift geliefert, indem er nachgewiesen
hat, daß selbst das Platonische Staatsideal auf die cillmälige Gestaltung der
mittelalterlichen Welt nicht einflußlos gewesen ist. Platos Staat ist eine Dar¬
stellung und ein Hilfsmittel der Sittlichkeit; seine höchste Aufgabe aber ist:
seine Bürger zur Tugend und dadurch zur Glückseligkeit zu erziehen, ihren
Sinn und ihr Auge einer höheren geistigen Welt zuzuwenden, welche sich als
der Gipfel alles menschlichen Strebens darstellt. Wer mag leugnen, daß dieser
Platonische Staat dem christlichen, „dem Reiche Gottes", dessen irdische Er¬
scheinung die christliche Kirche sein will, nahe genug steht? Der geistigen Herr¬
schaft der Philosophen im Platonischen Staat entspricht die geistliche der Priester
im Mittelalter. Die vollziehende Macht der Krieger Platos ist die der mittel¬
alterlichen Ritter. Der Lehr-, Wehr- und Nährstand des Mittelalters wird
im Platonischen Staat durch die Philosophen, die Krieger und die Hand¬
werker vertreten. Gütergemeinschaft wünscht Plato dem Staate als das höchste
Gut und auch der christlichen Kirche hat sie nicht nur in der ältesten Zeit als
Ideal vorgeschwebt, sondern ist in ihr auch später noch als Entsagung und frei-
Grenzboten II. 18S9. 53
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