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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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willige Armuth sichtbar: in den Bettelorden tritt sie unter der Form gemein¬
schaftlichen Besitzes auf.

Ich füge hinzu, was den Kunsthistoriker am nächsten angeht und Zeller
übersehen hat: die Abneigung der ältesten christlichen Kirche vor
Konstantin gegen die Kunst. Plato verstieß die Künstler aus seinem
Staate; die Kirchenväter verstießen dieselben sammt ihrer Kunst aus der Kirche.
Tertullian eifert gegen Bildner als gegen Leute, welche ein schändliches Ge¬
werbe treiben und einem Maler wirft er vor, daß er das Gesetz Gottes durch
die Kunst entweihe. Clemens von Alexandrien warnt ebenso eindringlich vor
dem Gebrauch der Bilder. "Wir müssen/' sagt er, "nicht an dem Sinnlichen
kleben, sondern uns zum Geistigen erheben; die Gewohnheit des täglichen
Anblicks entweiht die Würde des Göttlichen. Das geistige Wesen durch ir¬
dischen Stoff ehren wollen, heißt dasselbe durch Sinnlichkeit entwürdigen. "Ori-
genes hält die Zulassung von Bildnern und Malern in christlichen Gemeinden
graoezu für verboten. Auf die rohe Execution dieser Grundsätze im Bilder¬
krieg endlich will ich nur hingedeutet haben.

Im Uebrigen überlasse ich es den frommen Leuten, die nur eine soge¬
nannte christliche Kunst anerkennen und nur von ihr als der einzig wahren
Kunst reden und daher in ihr auch hinlänglich bewandert sein müssen, mir
nachzuweisen, daß die eben angeführten Leute, welche diese Grundsätze aus¬
gesprochen haben, nicht von Haus aus griechische Philosophen, nicht in der
Platonischen Schule gebildet waren, daß serner die Weise, in der sie ihre
Grundsätze verfochten, nicht auf Platonischen Argumenten basirt ist. sondern
daß dieser Kunsthaß des Christenthumes, wie sie vermeinen, lediglich aus der
Abneigung des Judenthums gegen bildliche Darstellungen hervorgegangen ist.
Der Einfluß der Judenchristen war in dieser Zeit bereits gleich Null, wäh¬
rend der Einfluß der Neuplatoniker von Tag zu Tag durch die gegenseitige
Annäherung stieg. Plotin. der Neuplatoniker, verschmähte es sich abbilden
zu lassen, weil es schon genug sei, die menschliche Gestalt zu tragen und es
sich nicht zieme, von dem nichtigen Bilde ein anderes zu machen.

Die Kunst galt den Platonikern und den christlichen Apologeten jener Zeit
als das, was sie in der Spützeit des Alterthums wirklich geworden war. als
eine bloße Dienerin der Sinnlichkeit. Die Gedankentiefe und Gefühlsfülle
der modernen Kunst, die wir ihr im Gegensatz zur Antike, wenn auch oft ein¬
seitig genug nachrühmen, ist nicht blos ein Product des Christenthums, son¬
dern jener ganzen unwiderstehlichen Zeitrichtung, welche dem Christenthum erst
Form und Gestalt gegsben hat. Die katholische Kirche hat das Verdienst, in
dieser Hinsicht nicht das Wort der einzelnen Vertreter jener Richtung, sondern
den Geist ihres Strebens im Allgemeinen erfaßt und ihm die richtige Wen¬
dung gegeben zu haben. Sie hat daher die Kunst in ihren Dienst genommen,


willige Armuth sichtbar: in den Bettelorden tritt sie unter der Form gemein¬
schaftlichen Besitzes auf.

Ich füge hinzu, was den Kunsthistoriker am nächsten angeht und Zeller
übersehen hat: die Abneigung der ältesten christlichen Kirche vor
Konstantin gegen die Kunst. Plato verstieß die Künstler aus seinem
Staate; die Kirchenväter verstießen dieselben sammt ihrer Kunst aus der Kirche.
Tertullian eifert gegen Bildner als gegen Leute, welche ein schändliches Ge¬
werbe treiben und einem Maler wirft er vor, daß er das Gesetz Gottes durch
die Kunst entweihe. Clemens von Alexandrien warnt ebenso eindringlich vor
dem Gebrauch der Bilder. „Wir müssen/' sagt er, „nicht an dem Sinnlichen
kleben, sondern uns zum Geistigen erheben; die Gewohnheit des täglichen
Anblicks entweiht die Würde des Göttlichen. Das geistige Wesen durch ir¬
dischen Stoff ehren wollen, heißt dasselbe durch Sinnlichkeit entwürdigen. „Ori-
genes hält die Zulassung von Bildnern und Malern in christlichen Gemeinden
graoezu für verboten. Auf die rohe Execution dieser Grundsätze im Bilder¬
krieg endlich will ich nur hingedeutet haben.

Im Uebrigen überlasse ich es den frommen Leuten, die nur eine soge¬
nannte christliche Kunst anerkennen und nur von ihr als der einzig wahren
Kunst reden und daher in ihr auch hinlänglich bewandert sein müssen, mir
nachzuweisen, daß die eben angeführten Leute, welche diese Grundsätze aus¬
gesprochen haben, nicht von Haus aus griechische Philosophen, nicht in der
Platonischen Schule gebildet waren, daß serner die Weise, in der sie ihre
Grundsätze verfochten, nicht auf Platonischen Argumenten basirt ist. sondern
daß dieser Kunsthaß des Christenthumes, wie sie vermeinen, lediglich aus der
Abneigung des Judenthums gegen bildliche Darstellungen hervorgegangen ist.
Der Einfluß der Judenchristen war in dieser Zeit bereits gleich Null, wäh¬
rend der Einfluß der Neuplatoniker von Tag zu Tag durch die gegenseitige
Annäherung stieg. Plotin. der Neuplatoniker, verschmähte es sich abbilden
zu lassen, weil es schon genug sei, die menschliche Gestalt zu tragen und es
sich nicht zieme, von dem nichtigen Bilde ein anderes zu machen.

Die Kunst galt den Platonikern und den christlichen Apologeten jener Zeit
als das, was sie in der Spützeit des Alterthums wirklich geworden war. als
eine bloße Dienerin der Sinnlichkeit. Die Gedankentiefe und Gefühlsfülle
der modernen Kunst, die wir ihr im Gegensatz zur Antike, wenn auch oft ein¬
seitig genug nachrühmen, ist nicht blos ein Product des Christenthums, son¬
dern jener ganzen unwiderstehlichen Zeitrichtung, welche dem Christenthum erst
Form und Gestalt gegsben hat. Die katholische Kirche hat das Verdienst, in
dieser Hinsicht nicht das Wort der einzelnen Vertreter jener Richtung, sondern
den Geist ihres Strebens im Allgemeinen erfaßt und ihm die richtige Wen¬
dung gegeben zu haben. Sie hat daher die Kunst in ihren Dienst genommen,


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[0428] willige Armuth sichtbar: in den Bettelorden tritt sie unter der Form gemein¬ schaftlichen Besitzes auf. Ich füge hinzu, was den Kunsthistoriker am nächsten angeht und Zeller übersehen hat: die Abneigung der ältesten christlichen Kirche vor Konstantin gegen die Kunst. Plato verstieß die Künstler aus seinem Staate; die Kirchenväter verstießen dieselben sammt ihrer Kunst aus der Kirche. Tertullian eifert gegen Bildner als gegen Leute, welche ein schändliches Ge¬ werbe treiben und einem Maler wirft er vor, daß er das Gesetz Gottes durch die Kunst entweihe. Clemens von Alexandrien warnt ebenso eindringlich vor dem Gebrauch der Bilder. „Wir müssen/' sagt er, „nicht an dem Sinnlichen kleben, sondern uns zum Geistigen erheben; die Gewohnheit des täglichen Anblicks entweiht die Würde des Göttlichen. Das geistige Wesen durch ir¬ dischen Stoff ehren wollen, heißt dasselbe durch Sinnlichkeit entwürdigen. „Ori- genes hält die Zulassung von Bildnern und Malern in christlichen Gemeinden graoezu für verboten. Auf die rohe Execution dieser Grundsätze im Bilder¬ krieg endlich will ich nur hingedeutet haben. Im Uebrigen überlasse ich es den frommen Leuten, die nur eine soge¬ nannte christliche Kunst anerkennen und nur von ihr als der einzig wahren Kunst reden und daher in ihr auch hinlänglich bewandert sein müssen, mir nachzuweisen, daß die eben angeführten Leute, welche diese Grundsätze aus¬ gesprochen haben, nicht von Haus aus griechische Philosophen, nicht in der Platonischen Schule gebildet waren, daß serner die Weise, in der sie ihre Grundsätze verfochten, nicht auf Platonischen Argumenten basirt ist. sondern daß dieser Kunsthaß des Christenthumes, wie sie vermeinen, lediglich aus der Abneigung des Judenthums gegen bildliche Darstellungen hervorgegangen ist. Der Einfluß der Judenchristen war in dieser Zeit bereits gleich Null, wäh¬ rend der Einfluß der Neuplatoniker von Tag zu Tag durch die gegenseitige Annäherung stieg. Plotin. der Neuplatoniker, verschmähte es sich abbilden zu lassen, weil es schon genug sei, die menschliche Gestalt zu tragen und es sich nicht zieme, von dem nichtigen Bilde ein anderes zu machen. Die Kunst galt den Platonikern und den christlichen Apologeten jener Zeit als das, was sie in der Spützeit des Alterthums wirklich geworden war. als eine bloße Dienerin der Sinnlichkeit. Die Gedankentiefe und Gefühlsfülle der modernen Kunst, die wir ihr im Gegensatz zur Antike, wenn auch oft ein¬ seitig genug nachrühmen, ist nicht blos ein Product des Christenthums, son¬ dern jener ganzen unwiderstehlichen Zeitrichtung, welche dem Christenthum erst Form und Gestalt gegsben hat. Die katholische Kirche hat das Verdienst, in dieser Hinsicht nicht das Wort der einzelnen Vertreter jener Richtung, sondern den Geist ihres Strebens im Allgemeinen erfaßt und ihm die richtige Wen¬ dung gegeben zu haben. Sie hat daher die Kunst in ihren Dienst genommen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/428>, abgerufen am 22.12.2024.