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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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an militärisch geeigneten Punkten, also in der Nähe der Westgrenze, vielleicht
in große Uebungslager zusammengezogen werden. Darauf sollte Preußen nach
vorherigen Vernehmen mit Oestreich von den kriegführenden Mächten, zunächst
von Frankreich, die Wiederherstellung des Friedens fordern. Durch die Ent-
faltung seiner militärischen Kraft, deren Spitze gegen Frankreich gekehrt ist,
mußte Deutschland den Druck ausüben, welcher nöthig ist, Preußens Vermitt¬
lungen Autorität zu geben, ohne die diplomatischen Verhandlungen zu er¬
schweren. Es war nicht unmöglich, daß Preußen, von andern neutralen
Mächten fecundirt, unter solchen Bedingungen einen für Deutschland ehren¬
vollen Frieden durchsetzte. Scheiterten seine Bemühungen an dem Trotz der
französischen Regierung, dann war der Zeitpunkt gekommen, durch Waffen¬
gewalt den Frieden zu erzwingen. Dann durfte Preußen sein Schwert ziehen
und die letzten Zielpunkte dieses Krieges, der wahrscheinlich Frankreich in allen
seinen Tiefen aufregt und auf der einen Seite für einen Staat, auf der an¬
dern für eine Dynastie zur Lebensfrage wird, mußten radical sein d. h.' sie
mußten Deutschland Garantien geben, daß seine Ruhe und Sicherheit nicht
wieder durch souveräne Stimmungen und Aufwallungen von einzelnen Indi¬
viduen gestört werde.

Für diesen Zweck hat Preußen sein Heer in Kriegsbereitschaft gesetzt und
es war entschlossen, wenn wir die Intentionen des berliner Cabinets recht
beurtheilen, im Nothfall einen Krieg nach drei Weltgegenden hin auf seine
Schultern zu nehmen. Die Frage aber, von welcher alles abhing, war die,
ob es ein Deutschland gab, mit dem verbunden Preußen diese große Auf¬
gabe zu lösen hatte, eine deutsche Nation, welche Verständniß ihrer eignen
Interessen, Gefühl für die eigne Ehre und Vertrauen zu der eignen Kraft
hatte, und deutsche Regierungen, welche ihr dynastisches Sonderinteresse und
kleinliche Intriguen während einer großen Krisis vergessen konnten.

Denn die Grundbedingung für ein gemeinsames Vorgehen Preußens und
Deutschlands ist Einheit des militärischen Kommandos, Einheit in den di¬
plomatischen Verhandlungen. Daß der deutsche Bund durchaus ungeeignet ist.
die militärischen und diplomatischen Interessen Deutschlands fest, einheitlich
und nach rein deutschen Gesichtspunkten zu leiten, ist niemandem in Deutsch¬
land zweifelhaft, daß Oestreich mit zwei Drittheilen seiner militärischen Kraft
in Italien beschäftigt, selbst in leidenschaftlichem Kampfe ohne sichtbaren Ueber¬
fluß an militärischen und politischen Intelligenzen, und, was die Hauptsache
ist. in allen seinen deutschen Besitzungen durch Preußen gedeckt und in erster
Linie nicht gefährdet, am wenigsten geeignet ist, die Führerschaft für solche
deutsche Politik zu übernehmen, sollte von niemand bezweifelt werden. Wer
selbst ein Duell auszukämpfen hat, kann nicht Vermittler, Cartellträger und
Secundant in seiner eignen Sache sein. Ein deutsches Heer unter östreichischen


an militärisch geeigneten Punkten, also in der Nähe der Westgrenze, vielleicht
in große Uebungslager zusammengezogen werden. Darauf sollte Preußen nach
vorherigen Vernehmen mit Oestreich von den kriegführenden Mächten, zunächst
von Frankreich, die Wiederherstellung des Friedens fordern. Durch die Ent-
faltung seiner militärischen Kraft, deren Spitze gegen Frankreich gekehrt ist,
mußte Deutschland den Druck ausüben, welcher nöthig ist, Preußens Vermitt¬
lungen Autorität zu geben, ohne die diplomatischen Verhandlungen zu er¬
schweren. Es war nicht unmöglich, daß Preußen, von andern neutralen
Mächten fecundirt, unter solchen Bedingungen einen für Deutschland ehren¬
vollen Frieden durchsetzte. Scheiterten seine Bemühungen an dem Trotz der
französischen Regierung, dann war der Zeitpunkt gekommen, durch Waffen¬
gewalt den Frieden zu erzwingen. Dann durfte Preußen sein Schwert ziehen
und die letzten Zielpunkte dieses Krieges, der wahrscheinlich Frankreich in allen
seinen Tiefen aufregt und auf der einen Seite für einen Staat, auf der an¬
dern für eine Dynastie zur Lebensfrage wird, mußten radical sein d. h.' sie
mußten Deutschland Garantien geben, daß seine Ruhe und Sicherheit nicht
wieder durch souveräne Stimmungen und Aufwallungen von einzelnen Indi¬
viduen gestört werde.

Für diesen Zweck hat Preußen sein Heer in Kriegsbereitschaft gesetzt und
es war entschlossen, wenn wir die Intentionen des berliner Cabinets recht
beurtheilen, im Nothfall einen Krieg nach drei Weltgegenden hin auf seine
Schultern zu nehmen. Die Frage aber, von welcher alles abhing, war die,
ob es ein Deutschland gab, mit dem verbunden Preußen diese große Auf¬
gabe zu lösen hatte, eine deutsche Nation, welche Verständniß ihrer eignen
Interessen, Gefühl für die eigne Ehre und Vertrauen zu der eignen Kraft
hatte, und deutsche Regierungen, welche ihr dynastisches Sonderinteresse und
kleinliche Intriguen während einer großen Krisis vergessen konnten.

Denn die Grundbedingung für ein gemeinsames Vorgehen Preußens und
Deutschlands ist Einheit des militärischen Kommandos, Einheit in den di¬
plomatischen Verhandlungen. Daß der deutsche Bund durchaus ungeeignet ist.
die militärischen und diplomatischen Interessen Deutschlands fest, einheitlich
und nach rein deutschen Gesichtspunkten zu leiten, ist niemandem in Deutsch¬
land zweifelhaft, daß Oestreich mit zwei Drittheilen seiner militärischen Kraft
in Italien beschäftigt, selbst in leidenschaftlichem Kampfe ohne sichtbaren Ueber¬
fluß an militärischen und politischen Intelligenzen, und, was die Hauptsache
ist. in allen seinen deutschen Besitzungen durch Preußen gedeckt und in erster
Linie nicht gefährdet, am wenigsten geeignet ist, die Führerschaft für solche
deutsche Politik zu übernehmen, sollte von niemand bezweifelt werden. Wer
selbst ein Duell auszukämpfen hat, kann nicht Vermittler, Cartellträger und
Secundant in seiner eignen Sache sein. Ein deutsches Heer unter östreichischen


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[0416] an militärisch geeigneten Punkten, also in der Nähe der Westgrenze, vielleicht in große Uebungslager zusammengezogen werden. Darauf sollte Preußen nach vorherigen Vernehmen mit Oestreich von den kriegführenden Mächten, zunächst von Frankreich, die Wiederherstellung des Friedens fordern. Durch die Ent- faltung seiner militärischen Kraft, deren Spitze gegen Frankreich gekehrt ist, mußte Deutschland den Druck ausüben, welcher nöthig ist, Preußens Vermitt¬ lungen Autorität zu geben, ohne die diplomatischen Verhandlungen zu er¬ schweren. Es war nicht unmöglich, daß Preußen, von andern neutralen Mächten fecundirt, unter solchen Bedingungen einen für Deutschland ehren¬ vollen Frieden durchsetzte. Scheiterten seine Bemühungen an dem Trotz der französischen Regierung, dann war der Zeitpunkt gekommen, durch Waffen¬ gewalt den Frieden zu erzwingen. Dann durfte Preußen sein Schwert ziehen und die letzten Zielpunkte dieses Krieges, der wahrscheinlich Frankreich in allen seinen Tiefen aufregt und auf der einen Seite für einen Staat, auf der an¬ dern für eine Dynastie zur Lebensfrage wird, mußten radical sein d. h.' sie mußten Deutschland Garantien geben, daß seine Ruhe und Sicherheit nicht wieder durch souveräne Stimmungen und Aufwallungen von einzelnen Indi¬ viduen gestört werde. Für diesen Zweck hat Preußen sein Heer in Kriegsbereitschaft gesetzt und es war entschlossen, wenn wir die Intentionen des berliner Cabinets recht beurtheilen, im Nothfall einen Krieg nach drei Weltgegenden hin auf seine Schultern zu nehmen. Die Frage aber, von welcher alles abhing, war die, ob es ein Deutschland gab, mit dem verbunden Preußen diese große Auf¬ gabe zu lösen hatte, eine deutsche Nation, welche Verständniß ihrer eignen Interessen, Gefühl für die eigne Ehre und Vertrauen zu der eignen Kraft hatte, und deutsche Regierungen, welche ihr dynastisches Sonderinteresse und kleinliche Intriguen während einer großen Krisis vergessen konnten. Denn die Grundbedingung für ein gemeinsames Vorgehen Preußens und Deutschlands ist Einheit des militärischen Kommandos, Einheit in den di¬ plomatischen Verhandlungen. Daß der deutsche Bund durchaus ungeeignet ist. die militärischen und diplomatischen Interessen Deutschlands fest, einheitlich und nach rein deutschen Gesichtspunkten zu leiten, ist niemandem in Deutsch¬ land zweifelhaft, daß Oestreich mit zwei Drittheilen seiner militärischen Kraft in Italien beschäftigt, selbst in leidenschaftlichem Kampfe ohne sichtbaren Ueber¬ fluß an militärischen und politischen Intelligenzen, und, was die Hauptsache ist. in allen seinen deutschen Besitzungen durch Preußen gedeckt und in erster Linie nicht gefährdet, am wenigsten geeignet ist, die Führerschaft für solche deutsche Politik zu übernehmen, sollte von niemand bezweifelt werden. Wer selbst ein Duell auszukämpfen hat, kann nicht Vermittler, Cartellträger und Secundant in seiner eignen Sache sein. Ein deutsches Heer unter östreichischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/416>, abgerufen am 22.12.2024.