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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Opfer kann sich Preußen siegreich darüber erheben. An eine Neutralität, welche
sich auf die Bundespflichten beschränkt, und Oestreich mir in der Defensive
gegen einen eventuellen Angriff auf dessen deutsche Besitzungen unterstützt,
dachte doch beim Ausbruch des Krieges in Preußen niemand, und gegen das
hohle Getöse einiger kleinern Regierungen und ihrer aufgeregten Bevölkerung
stach die ruhige Haltung und das methodische Vorgehen Preußens vortheil¬
haft ab.

In der That ist für Preußen und Deutschland jetzt gar nicht mehr die
Frage, eine Diversion etwa am Rhein zu Gunsten der östreichischen Herrschaft
in Italien zu machen, sondern durch eine große Entwicklung seiner Kraft sich
selbst und Deutschland dadurch vor dem Verderben zu bewahren, daß es von
den hadernden Mächten einen Frieden erzwingt, im Nothfall durch Krieg mit
Anspannung aller seiner Kräfte herbeiführt. In welchem Stadium des ita¬
lienischen Krieges Preußen mit Deutschland den Krieg beginnen soll, ist
deshalb eine müßige Frage. Ob der Tessino oder der Mincio oder die La¬
gunenstadt als die äußerste Grenze betrachtet werden sollen, bis zu welcher
die Oestreicher im Fall ihres Unterliegens zurückgedrängt werden dürfen, dar¬
auf kommt es in erster Linie nicht mehr an. Wir haben von der "unver¬
gleichlichen" Minciolinie seit der berühmten Rede des General Nadowitz viel
hören müssen, wir wünschen lebhaft, daß die Oestreicher nicht in die Lage
kommen mögen, bis zu ihr zurückzugehen, aber wir glauben, daß es in der
Kriegswissenschaft ebenso gut Phrasen gibt, welche gedankenlos nachgesprochen
werden, als auf jedem andern Gebiet menschlichen Wissens, und wir wollen
die kategorische Ansicht nicht verhehlen, daß diese strategische Linie, wie schätzens¬
wert!) sie als ein vorgeschobenes Werk zum Schutz deutscher Grenzen sein mag,
doch keineswegs nothwendig zur Sicherung des deutschen Bundesgebietes ist.
Es ist uns wenigstens nicht bekannt, daß Preußen in Frankreich, am Sunde, oder
im Königreich Polen ähnliche Barrieren zum Schutz deutscher Grenzen besitze,
und uns scheint nach diesen Richtungen die geographische Formation Deutsch¬
lands keinen bessern Schutz zu gewähren, als die Alpen gegen Italien. Da¬
mit soll nicht gesagt sein, daß wir Deutsche das Zurückdrängen der Oestreicher
bis auf diese Barriere oder gar den Verlust derselben gleichgiltig betrachten
sollen, aber der Kampf, den wir vielleicht zu führen haben, soll nicht zum
Schutz irgend einer militärischen Position in Italien geführt werden, sondern
Zur Wiederherstellung der Ruhe und Sicherheit in Europa, zur Sicherung und
Ehre der deutschen Nation auf allen ihren Grenzen, und zur Wiederherstellung
ihres Ansehens.

Die diplomatische und militärische Form, in welcher Preußen nach dieser
Richtung vorzugehen beabsichtigte, war die der bewaffneten Intervention.
Preußens Heere und die Contingente der andern deutschen Staaten sollten


Opfer kann sich Preußen siegreich darüber erheben. An eine Neutralität, welche
sich auf die Bundespflichten beschränkt, und Oestreich mir in der Defensive
gegen einen eventuellen Angriff auf dessen deutsche Besitzungen unterstützt,
dachte doch beim Ausbruch des Krieges in Preußen niemand, und gegen das
hohle Getöse einiger kleinern Regierungen und ihrer aufgeregten Bevölkerung
stach die ruhige Haltung und das methodische Vorgehen Preußens vortheil¬
haft ab.

In der That ist für Preußen und Deutschland jetzt gar nicht mehr die
Frage, eine Diversion etwa am Rhein zu Gunsten der östreichischen Herrschaft
in Italien zu machen, sondern durch eine große Entwicklung seiner Kraft sich
selbst und Deutschland dadurch vor dem Verderben zu bewahren, daß es von
den hadernden Mächten einen Frieden erzwingt, im Nothfall durch Krieg mit
Anspannung aller seiner Kräfte herbeiführt. In welchem Stadium des ita¬
lienischen Krieges Preußen mit Deutschland den Krieg beginnen soll, ist
deshalb eine müßige Frage. Ob der Tessino oder der Mincio oder die La¬
gunenstadt als die äußerste Grenze betrachtet werden sollen, bis zu welcher
die Oestreicher im Fall ihres Unterliegens zurückgedrängt werden dürfen, dar¬
auf kommt es in erster Linie nicht mehr an. Wir haben von der „unver¬
gleichlichen" Minciolinie seit der berühmten Rede des General Nadowitz viel
hören müssen, wir wünschen lebhaft, daß die Oestreicher nicht in die Lage
kommen mögen, bis zu ihr zurückzugehen, aber wir glauben, daß es in der
Kriegswissenschaft ebenso gut Phrasen gibt, welche gedankenlos nachgesprochen
werden, als auf jedem andern Gebiet menschlichen Wissens, und wir wollen
die kategorische Ansicht nicht verhehlen, daß diese strategische Linie, wie schätzens¬
wert!) sie als ein vorgeschobenes Werk zum Schutz deutscher Grenzen sein mag,
doch keineswegs nothwendig zur Sicherung des deutschen Bundesgebietes ist.
Es ist uns wenigstens nicht bekannt, daß Preußen in Frankreich, am Sunde, oder
im Königreich Polen ähnliche Barrieren zum Schutz deutscher Grenzen besitze,
und uns scheint nach diesen Richtungen die geographische Formation Deutsch¬
lands keinen bessern Schutz zu gewähren, als die Alpen gegen Italien. Da¬
mit soll nicht gesagt sein, daß wir Deutsche das Zurückdrängen der Oestreicher
bis auf diese Barriere oder gar den Verlust derselben gleichgiltig betrachten
sollen, aber der Kampf, den wir vielleicht zu führen haben, soll nicht zum
Schutz irgend einer militärischen Position in Italien geführt werden, sondern
Zur Wiederherstellung der Ruhe und Sicherheit in Europa, zur Sicherung und
Ehre der deutschen Nation auf allen ihren Grenzen, und zur Wiederherstellung
ihres Ansehens.

Die diplomatische und militärische Form, in welcher Preußen nach dieser
Richtung vorzugehen beabsichtigte, war die der bewaffneten Intervention.
Preußens Heere und die Contingente der andern deutschen Staaten sollten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/415>, abgerufen am 22.12.2024.