Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Oberbefehl heißt Deutschland und Preußen zum willenlosen Werkzeug der Für Preußen aber, das zumeist gefährdete, nach drei Seiten bedrohte, 1) Vereinigung der Bundesarmee unter seinem Obercommando während 2) Leitung der Verhandlungen mit Frankreich und den neutralen Mächten Die Sendung des General v. Willisen nach Wien hatte, so viel bekannt, Oestreich nimmt den Oberbefehl über die deutschen Bundesheere, die Lei¬ So stehen wir Deutsche gegenwärtig vor einer innern Verwicklung, hinter Oberbefehl heißt Deutschland und Preußen zum willenlosen Werkzeug der Für Preußen aber, das zumeist gefährdete, nach drei Seiten bedrohte, 1) Vereinigung der Bundesarmee unter seinem Obercommando während 2) Leitung der Verhandlungen mit Frankreich und den neutralen Mächten Die Sendung des General v. Willisen nach Wien hatte, so viel bekannt, Oestreich nimmt den Oberbefehl über die deutschen Bundesheere, die Lei¬ So stehen wir Deutsche gegenwärtig vor einer innern Verwicklung, hinter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107464"/> <p xml:id="ID_1238" prev="#ID_1237"> Oberbefehl heißt Deutschland und Preußen zum willenlosen Werkzeug der<lb/> Politik in Italien Herabdrücken, ein östreichischer Feldmarschall als Befehls¬<lb/> haber des Bundesheeres, oder auch nur östreichische Truppen in erster Linie<lb/> als Bestandtheile desselben heißt so viel als eine vorzeitige Provocation Frank¬<lb/> reichs, welche alle Verhandlungen mit diesem Staat und den neutralen Re¬<lb/> gierungen fruchtlos macht, und Preußen und Deutschland in eine unwürdige<lb/> und sinnlose Defensive hinabdrückt. Und dies irrationale Verhältniß wird<lb/> nicht wesentlich gebessert, wenn Oestreich den Oberbefehl auch nur über eines<lb/> der aufgestellten Bundesheere, etwa über die südlich vom Main aufzustellende<lb/> Armee übernimmt, denn es ist gleichgiltig, ob ein Theil oder das Ganze durch<lb/> Oestreichs Interessen oder etwaige französische Angriffe in den Kampf ge¬<lb/> worfen wird. Für Oestreich selbst dürste, wenn seine Politik weise wäre, ein<lb/> solches Verhältniß nicht erwünscht sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1239"> Für Preußen aber, das zumeist gefährdete, nach drei Seiten bedrohte,<lb/> wäre eine solche vollständige Unterordnung seines Krieges unter östreichische<lb/> Zwecke unerträglich, und wir meinen, daß die Ehre und jede Rücksicht auf<lb/> eignes Heil ihm verbieten, irgendwie in eine solche Führerschaft Oestreichs zu<lb/> willigen. Was demnach Preußen zu fordern hat, ist</p><lb/> <p xml:id="ID_1240"> 1) Vereinigung der Bundesarmee unter seinem Obercommando während<lb/> der Dauer des italienischen Kampfes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1241"> 2) Leitung der Verhandlungen mit Frankreich und den neutralen Mächten<lb/> durch die preußische Diplomatie im Auftrag des Bundes. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1242"> Die Sendung des General v. Willisen nach Wien hatte, so viel bekannt,<lb/> den Zweck, der kaiserlichen Regierung diese Gesichtspunkte zu insinuiren. Es<lb/> ist kein Geheimniß mehr, daß sie in der Hauptsache gescheitert ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243"> Oestreich nimmt den Oberbefehl über die deutschen Bundesheere, die Lei¬<lb/> tung der diplomatischen Verhandlungen der Bundesstaaten als ein ihm gebüh¬<lb/> rendes Recht in Anspruch, es fordert von Preußen militärische Mitwirkung<lb/> zur Eroberung Piemonts, im Weigerungsfall werde es ohne Preußen mit den<lb/> übrigen Bundesstaaten den Krieg beenden. Es ist die Politik eines alten<lb/> Hauses, dessen Ansprüche größer sind, als seine Mittel. Nicht viel erfolgreicher<lb/> scheinen die militärischen Missionen Preußens an die kleinen Höfe gewesen zu<lb/> sein. Die süddeutschen Regierungen scheinen in der That nicht mehr ganz<lb/> Herr der Bewegung, welche sich in ihren Truppen zu regen beginnt, und das<lb/> Urtheil ihrer Bürger gegen Preußen aufgeregt hat. Dort sieht das einfache<lb/> Urtheil nur zwei Gegensätze, ein Oestreich, welches tapfer dreinschlägt, und ein<lb/> Preußen, welches jetzt Weitläufigkeiten und Zögerungen macht, und sich wei¬<lb/> gert, in einer deutschen Sache anzugehn. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1244"> So stehen wir Deutsche gegenwärtig vor einer innern Verwicklung, hinter<lb/> welcher ein tiefer Abgrund gähnt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
Oberbefehl heißt Deutschland und Preußen zum willenlosen Werkzeug der
Politik in Italien Herabdrücken, ein östreichischer Feldmarschall als Befehls¬
haber des Bundesheeres, oder auch nur östreichische Truppen in erster Linie
als Bestandtheile desselben heißt so viel als eine vorzeitige Provocation Frank¬
reichs, welche alle Verhandlungen mit diesem Staat und den neutralen Re¬
gierungen fruchtlos macht, und Preußen und Deutschland in eine unwürdige
und sinnlose Defensive hinabdrückt. Und dies irrationale Verhältniß wird
nicht wesentlich gebessert, wenn Oestreich den Oberbefehl auch nur über eines
der aufgestellten Bundesheere, etwa über die südlich vom Main aufzustellende
Armee übernimmt, denn es ist gleichgiltig, ob ein Theil oder das Ganze durch
Oestreichs Interessen oder etwaige französische Angriffe in den Kampf ge¬
worfen wird. Für Oestreich selbst dürste, wenn seine Politik weise wäre, ein
solches Verhältniß nicht erwünscht sein.
Für Preußen aber, das zumeist gefährdete, nach drei Seiten bedrohte,
wäre eine solche vollständige Unterordnung seines Krieges unter östreichische
Zwecke unerträglich, und wir meinen, daß die Ehre und jede Rücksicht auf
eignes Heil ihm verbieten, irgendwie in eine solche Führerschaft Oestreichs zu
willigen. Was demnach Preußen zu fordern hat, ist
1) Vereinigung der Bundesarmee unter seinem Obercommando während
der Dauer des italienischen Kampfes.
2) Leitung der Verhandlungen mit Frankreich und den neutralen Mächten
durch die preußische Diplomatie im Auftrag des Bundes. —
Die Sendung des General v. Willisen nach Wien hatte, so viel bekannt,
den Zweck, der kaiserlichen Regierung diese Gesichtspunkte zu insinuiren. Es
ist kein Geheimniß mehr, daß sie in der Hauptsache gescheitert ist.
Oestreich nimmt den Oberbefehl über die deutschen Bundesheere, die Lei¬
tung der diplomatischen Verhandlungen der Bundesstaaten als ein ihm gebüh¬
rendes Recht in Anspruch, es fordert von Preußen militärische Mitwirkung
zur Eroberung Piemonts, im Weigerungsfall werde es ohne Preußen mit den
übrigen Bundesstaaten den Krieg beenden. Es ist die Politik eines alten
Hauses, dessen Ansprüche größer sind, als seine Mittel. Nicht viel erfolgreicher
scheinen die militärischen Missionen Preußens an die kleinen Höfe gewesen zu
sein. Die süddeutschen Regierungen scheinen in der That nicht mehr ganz
Herr der Bewegung, welche sich in ihren Truppen zu regen beginnt, und das
Urtheil ihrer Bürger gegen Preußen aufgeregt hat. Dort sieht das einfache
Urtheil nur zwei Gegensätze, ein Oestreich, welches tapfer dreinschlägt, und ein
Preußen, welches jetzt Weitläufigkeiten und Zögerungen macht, und sich wei¬
gert, in einer deutschen Sache anzugehn. —
So stehen wir Deutsche gegenwärtig vor einer innern Verwicklung, hinter
welcher ein tiefer Abgrund gähnt.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |