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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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herabsetzt? -- Warum schreibe ich von ihr so viel? Ich hätte etwas Besseres
thun können."

Als Schiller 17. Februar 1790 nach Erfurt zum Coadjutor ging, um
dort seine Braut zu treffen, gab er Charlotten eigenhändig ihre Briefe zurück. *)
Sie bewahrte dieselben in einem schwarzen Kästchen. Als sie eben darin las.
verfiel ihre vertraute Dienerin in plötzlichen Wahnsinn; ein tiefes Grauen er¬
faßte sie, sie warf die Briefe langsam, einen nach dem andern ins Feuer.
"Mit Wehmuth sah ich weinend nach dieser Opferung, und wie spät habe ich
erkannt, daß es nicht mir. daß es vielen geraubt war." Sie schrieb damals
die Verse: "Erstarrt hält an im Lauf die Erde, im Leichenantlitz blickt der
Mond durch die entseelte Sternenheerde: vom Tode bleibt nichts unverschont.
Von allem, was da ist gewesen, lebst du allein in dieser Nacht, vernichtet hab'
ich alle Wesen."

Schillers Hochzeit war am 22. Februar; Charlottens Ehe wurde nicht
gelöst; ihr Mann reiste Ostern 1790 ab und ordnete sein Haus, als ob er
lange abwesend sein wollte. Charlotte blieb eine Zeit lang bei der Schwester
auf dem Ried; im August kehrte sie nach Weimar zurück. Ihr Mann war
in die Plane seines Chefs, des Grafen Fersen zur Rettung des Königs
eingeweiht, und entschlossen, an denselben Theil zu nehmen; um nicht Ver¬
dacht zu erregen, wartete er den weitern Verlauf in Thüringen ab. Bekannt¬
uch scheiterte das Unternehmen, und so war das Ehepaar wieder darauf gewiesen,
in geschäftigem Müssiggang einander so fremd wie je, am Hof zu Weimar ihre
Tage zuzubringen. Endlich wurden die Beziehungen zu Schiller wieder ange¬
knüpft. Charlotte wandte sich an ihn wegen eines Hauslehrers für ihren Sohn.
Schiller offenbar gerührt, antwortet 8. Mai 1793: "Eine sehr angenehme
Ueberraschung war mir der unerwartete Beweis Ihres gütigen Andenkens.
Ihres Vertrauens, Ihrer Theilnahme an mir. Blos meine üble Gesundheit ist
Schuld, daß Sie mir in der Versicherung des ersten zuvorgekommen sind. Aber
glauben Sie mir. daß es keiner Erinnerung bedürfte, das Bild meiner Freundin
in meiner Seele lebendig zu erhalten. Ich habe Ursache, die Bande, die mich
an das Leben heften, nicht allzu sorgfältig zu befestigen. Dies entschuldige
"und gegen Sie. daß ich nicht eifriger gewesen bin, mein Andenken bei Ihnen
Zu erneuern." "Es könnte mir nicht leicht etwas Angenehmeres begegnen, als



*) In den Memoiren Charlottens ist einige Verwirrung. Schon im Nov. 1788 habe er
'hr einen Bries von Lottchen gebracht, worin diese um ihre Freundschaft bat. "Sie war mir
stets hold erschienen, aber wie konnte ich für diese zarte Jugend die Hingebung empfinden,
°>e mau Freundschaft nennt. Ich sprach zu ihm: ich kann es nicht aussprechen, wie mich
^)r Entschluß bewegt, mein Segen bleibt Ihnen, aber verschieden ist unsre Ansicht für unsre
Zukunft, und so muß sich ergeben, daß uns gegenseitig serner Briefe überlästig find. -- Er
verneinte es nicht, doch später erkannte ich, es sei ihm empfindlich gewesen." Die Unterredung
'se wol vielmehr hierher zu ziehn.

herabsetzt? — Warum schreibe ich von ihr so viel? Ich hätte etwas Besseres
thun können."

Als Schiller 17. Februar 1790 nach Erfurt zum Coadjutor ging, um
dort seine Braut zu treffen, gab er Charlotten eigenhändig ihre Briefe zurück. *)
Sie bewahrte dieselben in einem schwarzen Kästchen. Als sie eben darin las.
verfiel ihre vertraute Dienerin in plötzlichen Wahnsinn; ein tiefes Grauen er¬
faßte sie, sie warf die Briefe langsam, einen nach dem andern ins Feuer.
„Mit Wehmuth sah ich weinend nach dieser Opferung, und wie spät habe ich
erkannt, daß es nicht mir. daß es vielen geraubt war." Sie schrieb damals
die Verse: „Erstarrt hält an im Lauf die Erde, im Leichenantlitz blickt der
Mond durch die entseelte Sternenheerde: vom Tode bleibt nichts unverschont.
Von allem, was da ist gewesen, lebst du allein in dieser Nacht, vernichtet hab'
ich alle Wesen."

Schillers Hochzeit war am 22. Februar; Charlottens Ehe wurde nicht
gelöst; ihr Mann reiste Ostern 1790 ab und ordnete sein Haus, als ob er
lange abwesend sein wollte. Charlotte blieb eine Zeit lang bei der Schwester
auf dem Ried; im August kehrte sie nach Weimar zurück. Ihr Mann war
in die Plane seines Chefs, des Grafen Fersen zur Rettung des Königs
eingeweiht, und entschlossen, an denselben Theil zu nehmen; um nicht Ver¬
dacht zu erregen, wartete er den weitern Verlauf in Thüringen ab. Bekannt¬
uch scheiterte das Unternehmen, und so war das Ehepaar wieder darauf gewiesen,
in geschäftigem Müssiggang einander so fremd wie je, am Hof zu Weimar ihre
Tage zuzubringen. Endlich wurden die Beziehungen zu Schiller wieder ange¬
knüpft. Charlotte wandte sich an ihn wegen eines Hauslehrers für ihren Sohn.
Schiller offenbar gerührt, antwortet 8. Mai 1793: „Eine sehr angenehme
Ueberraschung war mir der unerwartete Beweis Ihres gütigen Andenkens.
Ihres Vertrauens, Ihrer Theilnahme an mir. Blos meine üble Gesundheit ist
Schuld, daß Sie mir in der Versicherung des ersten zuvorgekommen sind. Aber
glauben Sie mir. daß es keiner Erinnerung bedürfte, das Bild meiner Freundin
in meiner Seele lebendig zu erhalten. Ich habe Ursache, die Bande, die mich
an das Leben heften, nicht allzu sorgfältig zu befestigen. Dies entschuldige
"und gegen Sie. daß ich nicht eifriger gewesen bin, mein Andenken bei Ihnen
Zu erneuern." „Es könnte mir nicht leicht etwas Angenehmeres begegnen, als



*) In den Memoiren Charlottens ist einige Verwirrung. Schon im Nov. 1788 habe er
'hr einen Bries von Lottchen gebracht, worin diese um ihre Freundschaft bat. „Sie war mir
stets hold erschienen, aber wie konnte ich für diese zarte Jugend die Hingebung empfinden,
°>e mau Freundschaft nennt. Ich sprach zu ihm: ich kann es nicht aussprechen, wie mich
^)r Entschluß bewegt, mein Segen bleibt Ihnen, aber verschieden ist unsre Ansicht für unsre
Zukunft, und so muß sich ergeben, daß uns gegenseitig serner Briefe überlästig find. — Er
verneinte es nicht, doch später erkannte ich, es sei ihm empfindlich gewesen." Die Unterredung
'se wol vielmehr hierher zu ziehn.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/343>, abgerufen am 22.12.2024.