Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Ihnen einen Beweis meiner Dankbarkeit zu geben, die nur mit meinem Leben Der Verkehr mit Goethe, Herder, auch Fichte dauerte lebhaft fort; daß Ihnen einen Beweis meiner Dankbarkeit zu geben, die nur mit meinem Leben Der Verkehr mit Goethe, Herder, auch Fichte dauerte lebhaft fort; daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107391"/> <p xml:id="ID_1016" prev="#ID_1015"> Ihnen einen Beweis meiner Dankbarkeit zu geben, die nur mit meinem Leben<lb/> endigen wird." Von Ludwigsburg aus, wohin er mit seiner Frau gereist war<lb/> schlägt er ihr 1. Oct. 1793 Hölderlin, den er eben persönlich kennen lernte,<lb/> als Hauslehrer vor, und da der gleichzeitig vorgeschlagene Hegel freiwillig<lb/> resignirte, kam der erste noch im Herbst 1793 wirklich nach Waltershausen,<lb/> um seine Stelle anzutreten. Er schreibt an Hegel. 10. Juli 1794: „Ich lebe<lb/> im Kreise eines seltenen, nach Umfang und Tiefe. Kühnheit und Gewandtheit<lb/> ungewöhnlichen Geistes. Eine Frau v. Kalb wirst du schwerlich in deinem<lb/> Bern finden. Es müßte dir sehr wohl thun, an diesem Strahl dich zu son¬<lb/> nen." Seiner Mutter, der Frau von Kalb freundliche Theilnahme schenkte,<lb/> schreibt er: „Wenn wir in Gesellschaft zusammen sind, wird meist vorgelesen,<lb/> abwechslungsweise bald von Herrn, bald von der Frau v. Kalb, bald von<lb/> mir, und über Tische oder auf Spaziergängen oft in Ernst und Scherz, wenn<lb/> es jedem gelegen ist, davon gesprochen." An Schiller: „Die seltne Energie<lb/> des Geistes, die ich an Fr. v. K. bewundere, soll, wie ich hoffe, dem meini¬<lb/> gen aufhelfen, um so mehr, da alles beiträgt, mich zu heiterer Thätigkeit zu<lb/> stimmen. Könnt ich doch die mütterlichen Hoffnungen dieser edeln Dame reali-<lb/> siren." Doch wurde ihm bald zu enge, und obgleich man ihm erlaubte, mit<lb/> seinem Zögling nach Weimar überzusiedeln, wo ihn Schillers und Fichtes Vor¬<lb/> träge heftig ergriffen, bat er doch im Dec. 1794, wo er Fr. v. Kalb nach<lb/> Weimar begleitete und von ihr unter andern bei Herder eingeführt wurde,<lb/> dringend um seinen Abschied, der ihm endlich, ungern, gewährt wurde. „Sie<lb/> zeigte" schreibt er, „noch beim Abschied ihren ganzen edlen Sinn und ihre, wie<lb/> ich doch glauben muß. herzliche Freundschaft für mich." Lebcnssorgen trieben<lb/> ihn bald aus Jena in eine neue Hauslehrerstelle nach Frankfurt a. M. (1796)<lb/> wo eine unglückliche Liebe (Diotima) seinen Geist zerrüttete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1017" next="#ID_1018"> Der Verkehr mit Goethe, Herder, auch Fichte dauerte lebhaft fort; daß<lb/> die Beziehungen zu dem Kreise Schillers sich doch nicht ganz hergestellt hatten,<lb/> zeigt folgende Stelle eines Briefes von Goethe. 22. März 1796: „Körners<lb/> sind fort, und ich muß gestehen, daß es mir leid that. Ihr Verhältniß gegen<lb/> diese Societät so wunderlich verrückt zu scheu." — Sie hatte mittlerweile die<lb/> Schriften Jean Pauls kennen gelernt und ihm einen enthusiastischen Brief<lb/> geschrieben. Den 11. Juni 1796 kam er nach Weimar (er 34, sie jetzt 35<lb/> Jahr alt); schon den folgenden Tag schreibt er an seinen Freund Otto:<lb/> „Gestern ging ich zur Kalb. Ich hatte mir eine einsame Minute ausbedun¬<lb/> gen, ein Ms g. töte. Sie hat zwei große Dinge, große Augen, wie ich<lb/> noch keine sah, und eine große Seele. Sie spricht grade so, wie Herder<lb/> schreibt. Sie ist stark, voll, auch das Gesicht — ich will sie dir schon schil¬<lb/> dern. Drei Viertheil Zeit brachte sie mit Lachen zu. dessen Hälfte aber nur<lb/> Nervenschwäche ist, und ein Viertheil mit Ernst, wobei sie die großen, fast</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Ihnen einen Beweis meiner Dankbarkeit zu geben, die nur mit meinem Leben
endigen wird." Von Ludwigsburg aus, wohin er mit seiner Frau gereist war
schlägt er ihr 1. Oct. 1793 Hölderlin, den er eben persönlich kennen lernte,
als Hauslehrer vor, und da der gleichzeitig vorgeschlagene Hegel freiwillig
resignirte, kam der erste noch im Herbst 1793 wirklich nach Waltershausen,
um seine Stelle anzutreten. Er schreibt an Hegel. 10. Juli 1794: „Ich lebe
im Kreise eines seltenen, nach Umfang und Tiefe. Kühnheit und Gewandtheit
ungewöhnlichen Geistes. Eine Frau v. Kalb wirst du schwerlich in deinem
Bern finden. Es müßte dir sehr wohl thun, an diesem Strahl dich zu son¬
nen." Seiner Mutter, der Frau von Kalb freundliche Theilnahme schenkte,
schreibt er: „Wenn wir in Gesellschaft zusammen sind, wird meist vorgelesen,
abwechslungsweise bald von Herrn, bald von der Frau v. Kalb, bald von
mir, und über Tische oder auf Spaziergängen oft in Ernst und Scherz, wenn
es jedem gelegen ist, davon gesprochen." An Schiller: „Die seltne Energie
des Geistes, die ich an Fr. v. K. bewundere, soll, wie ich hoffe, dem meini¬
gen aufhelfen, um so mehr, da alles beiträgt, mich zu heiterer Thätigkeit zu
stimmen. Könnt ich doch die mütterlichen Hoffnungen dieser edeln Dame reali-
siren." Doch wurde ihm bald zu enge, und obgleich man ihm erlaubte, mit
seinem Zögling nach Weimar überzusiedeln, wo ihn Schillers und Fichtes Vor¬
träge heftig ergriffen, bat er doch im Dec. 1794, wo er Fr. v. Kalb nach
Weimar begleitete und von ihr unter andern bei Herder eingeführt wurde,
dringend um seinen Abschied, der ihm endlich, ungern, gewährt wurde. „Sie
zeigte" schreibt er, „noch beim Abschied ihren ganzen edlen Sinn und ihre, wie
ich doch glauben muß. herzliche Freundschaft für mich." Lebcnssorgen trieben
ihn bald aus Jena in eine neue Hauslehrerstelle nach Frankfurt a. M. (1796)
wo eine unglückliche Liebe (Diotima) seinen Geist zerrüttete.
Der Verkehr mit Goethe, Herder, auch Fichte dauerte lebhaft fort; daß
die Beziehungen zu dem Kreise Schillers sich doch nicht ganz hergestellt hatten,
zeigt folgende Stelle eines Briefes von Goethe. 22. März 1796: „Körners
sind fort, und ich muß gestehen, daß es mir leid that. Ihr Verhältniß gegen
diese Societät so wunderlich verrückt zu scheu." — Sie hatte mittlerweile die
Schriften Jean Pauls kennen gelernt und ihm einen enthusiastischen Brief
geschrieben. Den 11. Juni 1796 kam er nach Weimar (er 34, sie jetzt 35
Jahr alt); schon den folgenden Tag schreibt er an seinen Freund Otto:
„Gestern ging ich zur Kalb. Ich hatte mir eine einsame Minute ausbedun¬
gen, ein Ms g. töte. Sie hat zwei große Dinge, große Augen, wie ich
noch keine sah, und eine große Seele. Sie spricht grade so, wie Herder
schreibt. Sie ist stark, voll, auch das Gesicht — ich will sie dir schon schil¬
dern. Drei Viertheil Zeit brachte sie mit Lachen zu. dessen Hälfte aber nur
Nervenschwäche ist, und ein Viertheil mit Ernst, wobei sie die großen, fast
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