Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.aber sie wollte es entweder heut oder morgen, und weder heute noch mor¬ "Die Kalb," berichtet Schiller 21. Dec.. "hat mir heute geschrieben, mir 42*
aber sie wollte es entweder heut oder morgen, und weder heute noch mor¬ „Die Kalb," berichtet Schiller 21. Dec.. „hat mir heute geschrieben, mir 42*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107388"/> <p xml:id="ID_1010" prev="#ID_1009"> aber sie wollte es entweder heut oder morgen, und weder heute noch mor¬<lb/> gen noch übermorgen wäre mirs möglich gewesen. Hört sie aber nun,<lb/> daß ich vier Wochen in Volkstedt gewesen, und ihr einen einzigen Tag<lb/> in Weimar abschlug, so muß es ihr, da sie von einem genauen Verhältniß<lb/> Zwischen uns nichts weiß, sehr empfindlich auffallen. Und bei Gott! ich<lb/> konnte diese Woche nicht weg. Nun hab ich ihr durch einen Expressen ge¬<lb/> schrieben und die Proposition gemacht, daß sie hierher kommen soll, und um<lb/> es schicklicher zu können, in Gesellschaft der (Corona) Schröter. mit der sie<lb/> gut steht, die discret ist, und der sie außerdem ein Vergnügen dadurch macht.<lb/> Sie soll gerade bei mir anfahren und sonst keinen Besuch geben; dies kann<lb/> sie auch wirklich ohne alle Gefahr, sich zu compromittiren, da es ganz ver¬<lb/> schwiegen bleiben kann. Ich bin nun in Erwartung, was der weibliche Senat<lb/> beschließen wird — ist sie rücksichtsvoll, so wasche ich meine Hände, denn ich<lb/> werde durch die Nothwendigkeit, und sie blos durch ein Vorurtheil verhindert,<lb/> (Abends). — Die Kalb ist nicht gekommen und kommt auch nicht. Zum<lb/> Theil haben mich die Gründe, die sie mir anführt, überzeugt. Ihre Lage ist<lb/> jetzt doppelt delicat, und sie glaubt nicht, daß die Sache unbeachtet bleiben<lb/> würde. Ich habe nun das Meinige gethan (!)." — 20. Nov. — „In Wei¬<lb/> mar werdet ihr die Fr. v. Kalb sehr krank finden ... Ich habe lange nichts<lb/> von ihr gehört . . Erkundigt euch doch nach ihrem Befinden, und Hütte<lb/> es Gefahr, so laßt es mich bald wissen." — 30. Nov.: „Mit der Kalb geht<lb/> es besser; ihr Kranksein war nicht gefährlich." — Hier treten ihre Memoiren<lb/> ergänzend ein. — Im December kamen die Brüder von Kalb in Weimar an,<lb/> und wollten ihr den Sohn nehmen; „Schwermuth lastete so auf ihr, daß man<lb/> sie für krank hielt, und da der Zustand der Betäubung wuchs, so sandte ihr<lb/> ihre Schwester alten Ungarwein. Sie nippte nicht, sie trank wol die kleine<lb/> Flasche aus. Als sie erwachte, war die Starrsucht gebrochen. — Als die<lb/> Herzogin Louise sie wiedersah, drückte sie ihr stumm die Hand; an ihrer Be¬<lb/> wegung erkannte Charlotte, daß sie wußte, was sie betroffen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1011" next="#ID_1012"> „Die Kalb," berichtet Schiller 21. Dec.. „hat mir heute geschrieben, mir<lb/> aber gar nichts merken lassen, als wüßte sie, daß ich in Weimar gewesen sei.<lb/> Vielleicht hat sie es auch nicht erfahren. Ich habe ihr sogleich geantwortet:<lb/> lieber zehn Briefe schreiben als einmal selbst kommen. Von euch schreibt sie,<lb/> daß sie euch nicht so oft sähe, als sie es wünschte, weil sie noch nicht aus¬<lb/> gehe u. s. w." — Schiller hatte den 18. Dec. seinen officiellen Antrag ge¬<lb/> wacht, und die Sache mußte nun öffentlich werden. — „Wegen der Kalb,"<lb/> schreibt er 5. Febr. 1790, „habe ich ernstlich Verdacht, denn ich weiß, was sie<lb/> fähig ist. Auch ohne italienischen Himmel würde ich dir nicht rathen, in ge¬<lb/> wissen Augenblicken mit ihr zusammenzutreffen, denn Leidenschaft und Kränk¬<lb/> lichkeit zusammen haben sie manchmal an die Grenzen des Wahnsinns geführt.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 42*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
aber sie wollte es entweder heut oder morgen, und weder heute noch mor¬
gen noch übermorgen wäre mirs möglich gewesen. Hört sie aber nun,
daß ich vier Wochen in Volkstedt gewesen, und ihr einen einzigen Tag
in Weimar abschlug, so muß es ihr, da sie von einem genauen Verhältniß
Zwischen uns nichts weiß, sehr empfindlich auffallen. Und bei Gott! ich
konnte diese Woche nicht weg. Nun hab ich ihr durch einen Expressen ge¬
schrieben und die Proposition gemacht, daß sie hierher kommen soll, und um
es schicklicher zu können, in Gesellschaft der (Corona) Schröter. mit der sie
gut steht, die discret ist, und der sie außerdem ein Vergnügen dadurch macht.
Sie soll gerade bei mir anfahren und sonst keinen Besuch geben; dies kann
sie auch wirklich ohne alle Gefahr, sich zu compromittiren, da es ganz ver¬
schwiegen bleiben kann. Ich bin nun in Erwartung, was der weibliche Senat
beschließen wird — ist sie rücksichtsvoll, so wasche ich meine Hände, denn ich
werde durch die Nothwendigkeit, und sie blos durch ein Vorurtheil verhindert,
(Abends). — Die Kalb ist nicht gekommen und kommt auch nicht. Zum
Theil haben mich die Gründe, die sie mir anführt, überzeugt. Ihre Lage ist
jetzt doppelt delicat, und sie glaubt nicht, daß die Sache unbeachtet bleiben
würde. Ich habe nun das Meinige gethan (!)." — 20. Nov. — „In Wei¬
mar werdet ihr die Fr. v. Kalb sehr krank finden ... Ich habe lange nichts
von ihr gehört . . Erkundigt euch doch nach ihrem Befinden, und Hütte
es Gefahr, so laßt es mich bald wissen." — 30. Nov.: „Mit der Kalb geht
es besser; ihr Kranksein war nicht gefährlich." — Hier treten ihre Memoiren
ergänzend ein. — Im December kamen die Brüder von Kalb in Weimar an,
und wollten ihr den Sohn nehmen; „Schwermuth lastete so auf ihr, daß man
sie für krank hielt, und da der Zustand der Betäubung wuchs, so sandte ihr
ihre Schwester alten Ungarwein. Sie nippte nicht, sie trank wol die kleine
Flasche aus. Als sie erwachte, war die Starrsucht gebrochen. — Als die
Herzogin Louise sie wiedersah, drückte sie ihr stumm die Hand; an ihrer Be¬
wegung erkannte Charlotte, daß sie wußte, was sie betroffen."
„Die Kalb," berichtet Schiller 21. Dec.. „hat mir heute geschrieben, mir
aber gar nichts merken lassen, als wüßte sie, daß ich in Weimar gewesen sei.
Vielleicht hat sie es auch nicht erfahren. Ich habe ihr sogleich geantwortet:
lieber zehn Briefe schreiben als einmal selbst kommen. Von euch schreibt sie,
daß sie euch nicht so oft sähe, als sie es wünschte, weil sie noch nicht aus¬
gehe u. s. w." — Schiller hatte den 18. Dec. seinen officiellen Antrag ge¬
wacht, und die Sache mußte nun öffentlich werden. — „Wegen der Kalb,"
schreibt er 5. Febr. 1790, „habe ich ernstlich Verdacht, denn ich weiß, was sie
fähig ist. Auch ohne italienischen Himmel würde ich dir nicht rathen, in ge¬
wissen Augenblicken mit ihr zusammenzutreffen, denn Leidenschaft und Kränk¬
lichkeit zusammen haben sie manchmal an die Grenzen des Wahnsinns geführt.
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