Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.zur Linken, mehre Stimmen nein!) Ja, ich versichere es Ihnen." "Aber aller¬ In der offiziellen Anrede an den Reichsverweser hatte die Deputation Indem der Erzherzog die Wahl annahm, machte er darauf aufmerksam, Herr Heckscher fand für nöthig, mehre Aeußerungen des Reichsverwesers zur Linken, mehre Stimmen nein!) Ja, ich versichere es Ihnen." „Aber aller¬ In der offiziellen Anrede an den Reichsverweser hatte die Deputation Indem der Erzherzog die Wahl annahm, machte er darauf aufmerksam, Herr Heckscher fand für nöthig, mehre Aeußerungen des Reichsverwesers <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107357"/> <p xml:id="ID_899" prev="#ID_898"> zur Linken, mehre Stimmen nein!) Ja, ich versichere es Ihnen." „Aber aller¬<lb/> dings fast ohne Beispiel großartig war unser Empfang in Leipzig." Dort<lb/> speiste man nämlich durcheinander, Fürsten und Bürgersleute, und noch dazu<lb/> unter einem schwarz-roth-goldenen Zelt. Darauf gab Hr. Heckscher dem<lb/> Reichsverweser noch ein sehr günstiges Zeugniß und versicherte: „die einfache<lb/> Herzlichkeit, die Vaterlandsliebe, der klare und besonnene Verstand des Erz¬<lb/> herzogs haben uns unbedingt für ihn eingenommen." Abends darauf, nach¬<lb/> dem der Reichsverweser in die Versammlung eingeführt worden war, hat<lb/> dieselbe einen Commers gehalten und den „Fürst von Thoren" gemacht;<lb/> doch ist dieser in die stenographischen Berichte nicht aufgenommen. — Lassen<lb/> wir diese Gemüthlichkeiten, die schon damals jedem Nüchternen sehr unheim¬<lb/> lich vorkamen, und suchen uns die ernste Seite der Situation klar zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_900"> In der offiziellen Anrede an den Reichsverweser hatte die Deputation<lb/> gesagt: „In dem Gesetz über die Gründung einer provisorischen Centralgewalt<lb/> für Deutschland findet sich das große und andeutungsvolle Princip ausge¬<lb/> sprochen, daß das deutsche Volk, in seiner Nationalversannnlung gesetzlich<lb/> vertreten, fortan und für alle Zukunft die Quelle, der Ursprung der obersten<lb/> Centralregierungsgewalt in Deutschland ist. Die UnVerantwortlichkeit des<lb/> Reichsverwesers, die dasselbe Gesetz im Munde führt, bedeutet die Permanenz<lb/> und Stabilität der obersten Reichsgewalt. Die hohen Tugenden Ew. kaiser¬<lb/> lichen Hoheit, die Liebe des deutschen Volkes, sie waren es, welche die Wahl<lb/> auf Ew. kaiserlichen Hoheit erhabene Person lenkten."</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> Indem der Erzherzog die Wahl annahm, machte er darauf aufmerksam,<lb/> daß ihr die Regierungen ihren Beifall gegeben hätten; nur sei er für den<lb/> Augenblick noch durch Verpflichtungen in Wien zurückgehalten: „Ich werde<lb/> ungesäumt mich mit dem Kaiser, meinem allergnädigsten Herrn, über die<lb/> Art und Weise verständigen, wie ich die Pflichten meiner neuen Stellung mit<lb/> dem mir von ihm geschenkten Vertrauen vereinigen kann."</p><lb/> <p xml:id="ID_902" next="#ID_903"> Herr Heckscher fand für nöthig, mehre Aeußerungen des Reichsverwesers<lb/> im Sinn der allgemeinen Bewegung zu commentiren. Die unterstrichene Stelle<lb/> zu commentiren hielt er nicht für nöthig, und doch lag in ihr der Kern der<lb/> Sache. Daß der Erzherzog den Kaiser von Oestreich früher seinen allergnädigsten<lb/> Herrn nannte, war ganz in der Ordnung; es wäre aber für die National¬<lb/> versammlung nicht unwichtig gewesen, zu erfahren, ob dies Verhältniß fort¬<lb/> dauern sollte. Nach der Absicht der Versammlung sollte vielmehr der Reichs¬<lb/> verweser wenigstens provisorisch der „allergnädigste Herr" des Kaisers von<lb/> Oestreich sein, und so wäre man denn in das mittelalterliche System gerathen,<lb/> wo.es wol geschehn konnte, daß der Lehnsherr für gewisse Dinge der Vasall<lb/> seines Vasallen wurde. Da man so das Verhältniß nicht ansah, so bleibt<lb/> nichts übrig, als eine stillschweigende Voraussetzung anzunehmen, eine wirt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0310]
zur Linken, mehre Stimmen nein!) Ja, ich versichere es Ihnen." „Aber aller¬
dings fast ohne Beispiel großartig war unser Empfang in Leipzig." Dort
speiste man nämlich durcheinander, Fürsten und Bürgersleute, und noch dazu
unter einem schwarz-roth-goldenen Zelt. Darauf gab Hr. Heckscher dem
Reichsverweser noch ein sehr günstiges Zeugniß und versicherte: „die einfache
Herzlichkeit, die Vaterlandsliebe, der klare und besonnene Verstand des Erz¬
herzogs haben uns unbedingt für ihn eingenommen." Abends darauf, nach¬
dem der Reichsverweser in die Versammlung eingeführt worden war, hat
dieselbe einen Commers gehalten und den „Fürst von Thoren" gemacht;
doch ist dieser in die stenographischen Berichte nicht aufgenommen. — Lassen
wir diese Gemüthlichkeiten, die schon damals jedem Nüchternen sehr unheim¬
lich vorkamen, und suchen uns die ernste Seite der Situation klar zu machen.
In der offiziellen Anrede an den Reichsverweser hatte die Deputation
gesagt: „In dem Gesetz über die Gründung einer provisorischen Centralgewalt
für Deutschland findet sich das große und andeutungsvolle Princip ausge¬
sprochen, daß das deutsche Volk, in seiner Nationalversannnlung gesetzlich
vertreten, fortan und für alle Zukunft die Quelle, der Ursprung der obersten
Centralregierungsgewalt in Deutschland ist. Die UnVerantwortlichkeit des
Reichsverwesers, die dasselbe Gesetz im Munde führt, bedeutet die Permanenz
und Stabilität der obersten Reichsgewalt. Die hohen Tugenden Ew. kaiser¬
lichen Hoheit, die Liebe des deutschen Volkes, sie waren es, welche die Wahl
auf Ew. kaiserlichen Hoheit erhabene Person lenkten."
Indem der Erzherzog die Wahl annahm, machte er darauf aufmerksam,
daß ihr die Regierungen ihren Beifall gegeben hätten; nur sei er für den
Augenblick noch durch Verpflichtungen in Wien zurückgehalten: „Ich werde
ungesäumt mich mit dem Kaiser, meinem allergnädigsten Herrn, über die
Art und Weise verständigen, wie ich die Pflichten meiner neuen Stellung mit
dem mir von ihm geschenkten Vertrauen vereinigen kann."
Herr Heckscher fand für nöthig, mehre Aeußerungen des Reichsverwesers
im Sinn der allgemeinen Bewegung zu commentiren. Die unterstrichene Stelle
zu commentiren hielt er nicht für nöthig, und doch lag in ihr der Kern der
Sache. Daß der Erzherzog den Kaiser von Oestreich früher seinen allergnädigsten
Herrn nannte, war ganz in der Ordnung; es wäre aber für die National¬
versammlung nicht unwichtig gewesen, zu erfahren, ob dies Verhältniß fort¬
dauern sollte. Nach der Absicht der Versammlung sollte vielmehr der Reichs¬
verweser wenigstens provisorisch der „allergnädigste Herr" des Kaisers von
Oestreich sein, und so wäre man denn in das mittelalterliche System gerathen,
wo.es wol geschehn konnte, daß der Lehnsherr für gewisse Dinge der Vasall
seines Vasallen wurde. Da man so das Verhältniß nicht ansah, so bleibt
nichts übrig, als eine stillschweigende Voraussetzung anzunehmen, eine wirt-
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