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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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ihnen rühmend nachgesagt (S. 809) daß sie Deutsche, doch ebenso wol Baiern
und Oestreicher bleiben wollten; der Deputation sei ein Empfang geworden,
wie man ihn sonst nur Fürsten zu bereiten pflegte. Den 12. Juli betrat der
Abgeordnete Heat scher, Advocat aus Hamburg, später Reichsminister, jetzt,
wenn wir nicht irren, Resident in Wien, die Tribune, und fing seine Rede
damit an, daß er eigentlich "der bilderreichen Sprache des Dichters und der
Farbe des Künstlers" bedürfe, um seinem Gegenstand gerecht zu werden:
trotzdem versprach er nüchtern zu sein, obgleich jetzt die Rede den Eindruck
der Weinseligkeit macht. "Wir könnten wie jener große Eroberer beinahe
sagen: veui vidi viel!" Doch war auch dieser Triumph nicht ganz ohne Ver¬
lust erfochten. "Freund Raveaux", der gemüthliche Radikale, war heiser und
krank in Wien zurückgeblieben, denn überall hatten die Abgeordneten stun¬
denlang reden müssen, zuweilen vom zweiten Stock herab vor einer unge¬
heuern Menge und "Freund Raveaux" als der populärste Charakter, der be¬
rühmte Redner der rheinischen Narrenfeste, mußte am meisten sprechen. Zu ihm
hatte sich auch der Erzherzog am rührendsten geäußert. In Linz war der Ein¬
druck der Reden so groß, "daß wir gleichsam mit Umarmungen erdrückt wurden."
Als man lachte, fuhr Herr Heckscher sort: "versteht sich, von Männern; ich
Möchte nicht, daß ich einen Irrthum oder ein Mißverständniß, oder gar einen
Ordnungsruf durch meine Worte Hervorriese." Alles übertraf aber der Em¬
pfang in Wien. "Ich bitte, meine Herrn, es sagen zu dürfen, wir sind mit
sogenannten königlichen Ehren begrüßt worden. Aber seien Sie überzeugt, unser
einfacher Sinn, das Bewußtsein, daß wir nur als einfache Bürger gekommen
wären, hat sich bei keinem von uns auch nur einen Augenblick verleugnet.
(Einzelne Stimmen: Bravo!)" Prächtige Scenen werden geschildert, so z. B.
in Mähren. "In ihrem eigenthümlichen Nationalanzuge, von Fackeln be¬
leuchtet, erschienen mährische Deputirte und redeten den Reichsverweser in
uns unverständlicher mährischer Sprache an, aber der Erzherzog, der nie eine
Antwort schuldig blieb, war mit dieser Sprache vertraut und sprach auf solche
Weise, daß immer mit Jubel seine Antwort endete." Selbst in Breslau
wurde man gut empfangen: "Der Graf von Brandenburg setzte sich mit
uns an eine trefflich servirte Tafel." Hier verlangte man, wie wir uns er¬
innern, auf der Linken die Speisekarte; der stenographische Bericht begnügt
sich mit dem Ausdruck: "Heiterkeit". Herr Heckscher fuhr ungestört fort:
"Meine Herrn, die Theilnahme gibt sich auch in solchen Dingen kund." --
Dresden gab dasselbe Schauspiel, wie Wien und Linz. "Der Reichsverweser
speiste dort allein mit der königlichen Familie, wir an einer andern Tafel
mit allen Ministern, Gesandten und hohen Militärpersonen, und ich kann
Sie versichern, daß auch dort wie immer die hohe Würde der Versammlung
ur ihren Vertretern aufrecht erhalten worden ist. (Zeichen von Mißbilligung


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ihnen rühmend nachgesagt (S. 809) daß sie Deutsche, doch ebenso wol Baiern
und Oestreicher bleiben wollten; der Deputation sei ein Empfang geworden,
wie man ihn sonst nur Fürsten zu bereiten pflegte. Den 12. Juli betrat der
Abgeordnete Heat scher, Advocat aus Hamburg, später Reichsminister, jetzt,
wenn wir nicht irren, Resident in Wien, die Tribune, und fing seine Rede
damit an, daß er eigentlich „der bilderreichen Sprache des Dichters und der
Farbe des Künstlers" bedürfe, um seinem Gegenstand gerecht zu werden:
trotzdem versprach er nüchtern zu sein, obgleich jetzt die Rede den Eindruck
der Weinseligkeit macht. „Wir könnten wie jener große Eroberer beinahe
sagen: veui vidi viel!" Doch war auch dieser Triumph nicht ganz ohne Ver¬
lust erfochten. „Freund Raveaux", der gemüthliche Radikale, war heiser und
krank in Wien zurückgeblieben, denn überall hatten die Abgeordneten stun¬
denlang reden müssen, zuweilen vom zweiten Stock herab vor einer unge¬
heuern Menge und „Freund Raveaux" als der populärste Charakter, der be¬
rühmte Redner der rheinischen Narrenfeste, mußte am meisten sprechen. Zu ihm
hatte sich auch der Erzherzog am rührendsten geäußert. In Linz war der Ein¬
druck der Reden so groß, „daß wir gleichsam mit Umarmungen erdrückt wurden."
Als man lachte, fuhr Herr Heckscher sort: „versteht sich, von Männern; ich
Möchte nicht, daß ich einen Irrthum oder ein Mißverständniß, oder gar einen
Ordnungsruf durch meine Worte Hervorriese." Alles übertraf aber der Em¬
pfang in Wien. „Ich bitte, meine Herrn, es sagen zu dürfen, wir sind mit
sogenannten königlichen Ehren begrüßt worden. Aber seien Sie überzeugt, unser
einfacher Sinn, das Bewußtsein, daß wir nur als einfache Bürger gekommen
wären, hat sich bei keinem von uns auch nur einen Augenblick verleugnet.
(Einzelne Stimmen: Bravo!)" Prächtige Scenen werden geschildert, so z. B.
in Mähren. „In ihrem eigenthümlichen Nationalanzuge, von Fackeln be¬
leuchtet, erschienen mährische Deputirte und redeten den Reichsverweser in
uns unverständlicher mährischer Sprache an, aber der Erzherzog, der nie eine
Antwort schuldig blieb, war mit dieser Sprache vertraut und sprach auf solche
Weise, daß immer mit Jubel seine Antwort endete." Selbst in Breslau
wurde man gut empfangen: „Der Graf von Brandenburg setzte sich mit
uns an eine trefflich servirte Tafel." Hier verlangte man, wie wir uns er¬
innern, auf der Linken die Speisekarte; der stenographische Bericht begnügt
sich mit dem Ausdruck: „Heiterkeit". Herr Heckscher fuhr ungestört fort:
"Meine Herrn, die Theilnahme gibt sich auch in solchen Dingen kund." —
Dresden gab dasselbe Schauspiel, wie Wien und Linz. „Der Reichsverweser
speiste dort allein mit der königlichen Familie, wir an einer andern Tafel
mit allen Ministern, Gesandten und hohen Militärpersonen, und ich kann
Sie versichern, daß auch dort wie immer die hohe Würde der Versammlung
ur ihren Vertretern aufrecht erhalten worden ist. (Zeichen von Mißbilligung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/309>, abgerufen am 22.12.2024.