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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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geistvollen Schriftstellerin, die ihre Dichtungen unter dem Namen eines Abb6
de la Tour herausgab, stand er als Uebersetzer ihrer Werke in dauerndem
Verkehr, ebenso und noch intimer mit Benjamin Constant. der ihn Dec.
N94 bei Frau von Staöl einführte. "Erstaunlich viel Leben und Geist,
aber wenig Innigkeit. Verstand. Artigkeit, Lustigkeit, tolle Einfälle, das alles
scheint außer ihrem innersten Wesen vorzugehn, und doch zu bewirken, daß
dieses innere Wesen gar nicht existirt. Constant ist ganz hin, lebt nur um
sie. und bei ihr... Glücklich fühlt er sich nicht dabei, das merkt man wol,
aber daß er hingerissen ist, verzeiht man ihm gern.. . Constant fühlt sich
wenig glücklich, und hat keine Hoffnung mehr, je ordentlich glücklich zu sein.
Es ist ein liebes sonderbares Wesen! so kindlich zu sein, und doch dabei so
wenig Reines genossen und gefühlt zu haben, wiewol er mit Herz und Geist,
mit Wehmuth, mit schwer verhaltenen Thränen alles Reine auffaßt und dafür
fühlt." "Im gesellschaftlichen Ton dieser Menschen ist Böses und Gutes
durcheinandergemischt. Böse ist die Oberflächlichkeit, das Springen von
einem Gegenstand zum andern, das Reduciren aller Ideen und Gefühle an
den seichten Unterhaltungsstoff. Gut ist die Artigkeit und Leichtigkeit, die
Toleranz, die Cultur, die Vielseitigkeit. Kurz er ist zehntausendmal besser
als die meisten Arten von Gescllschaftston in Deutschland; aber es gehörte
ein eignes Geheimniß dazu, daß ein guter Kopf in diesem Element nicht von
Grund aus verdorben wurde."

In diesem Cirkel geistreicher Franzosen lernte Huber auch die Revolution
richtiger würdigen; er suchte sich dieselbe in jeder Form klar zu machen, bald
durch philosophische Reflexionen, bald durch novellistisch ausgeführte Bilder.
Was von den unter seinem Namen erschienenen Novellen (drei Sammlungen,
1801--2; vierte, 1819) ihm und was seiner Frau angehört, ist nicht genau
M entscheiden; das meiste ist offenbar von Therese, nur von zweien ("die Reise
nach Neuholland" und "Weltsinn und Frömmigkeit") ist Huber mit Bestimmt¬
heit als Verfasser angegeben. Die erste enthält Forsters wirkliche und mög¬
liche Schicksale; sie führt den Verbannten mit einer Reihe von Deportirten
Susannen, interessanten Verbrechern, von denen die eine, Francis, sich als
tugendhaftes Weib ausweist Trotz der Häufung wunderbarer Erfindungen ist
das Ganze doch sehr ermüdend. "Weltsinn und Frömmigkeit, eine unaus-
gebildete Handschrift," ist zwar auch ziemlich trocken und doctrinür erzählt,
und die sittliche Lösung nichts weniger als befriedigend; aber das Problem
hat doch etwas Spannendes. Zwei Paare werden einander gegenüberge¬
stellt; das eine, aus den höhern Ständen, begeht einen Ehebruch und wird
durch die Sünde zur Tugend und selbst zum Glück geführt; das andere, aus
dem Volk, opfert sein Glück seinen Gewissensbedenken, und geht in Wcchn-


Grenzboten II. 13S9. 33

geistvollen Schriftstellerin, die ihre Dichtungen unter dem Namen eines Abb6
de la Tour herausgab, stand er als Uebersetzer ihrer Werke in dauerndem
Verkehr, ebenso und noch intimer mit Benjamin Constant. der ihn Dec.
N94 bei Frau von Staöl einführte. „Erstaunlich viel Leben und Geist,
aber wenig Innigkeit. Verstand. Artigkeit, Lustigkeit, tolle Einfälle, das alles
scheint außer ihrem innersten Wesen vorzugehn, und doch zu bewirken, daß
dieses innere Wesen gar nicht existirt. Constant ist ganz hin, lebt nur um
sie. und bei ihr... Glücklich fühlt er sich nicht dabei, das merkt man wol,
aber daß er hingerissen ist, verzeiht man ihm gern.. . Constant fühlt sich
wenig glücklich, und hat keine Hoffnung mehr, je ordentlich glücklich zu sein.
Es ist ein liebes sonderbares Wesen! so kindlich zu sein, und doch dabei so
wenig Reines genossen und gefühlt zu haben, wiewol er mit Herz und Geist,
mit Wehmuth, mit schwer verhaltenen Thränen alles Reine auffaßt und dafür
fühlt." „Im gesellschaftlichen Ton dieser Menschen ist Böses und Gutes
durcheinandergemischt. Böse ist die Oberflächlichkeit, das Springen von
einem Gegenstand zum andern, das Reduciren aller Ideen und Gefühle an
den seichten Unterhaltungsstoff. Gut ist die Artigkeit und Leichtigkeit, die
Toleranz, die Cultur, die Vielseitigkeit. Kurz er ist zehntausendmal besser
als die meisten Arten von Gescllschaftston in Deutschland; aber es gehörte
ein eignes Geheimniß dazu, daß ein guter Kopf in diesem Element nicht von
Grund aus verdorben wurde."

In diesem Cirkel geistreicher Franzosen lernte Huber auch die Revolution
richtiger würdigen; er suchte sich dieselbe in jeder Form klar zu machen, bald
durch philosophische Reflexionen, bald durch novellistisch ausgeführte Bilder.
Was von den unter seinem Namen erschienenen Novellen (drei Sammlungen,
1801—2; vierte, 1819) ihm und was seiner Frau angehört, ist nicht genau
M entscheiden; das meiste ist offenbar von Therese, nur von zweien („die Reise
nach Neuholland" und „Weltsinn und Frömmigkeit") ist Huber mit Bestimmt¬
heit als Verfasser angegeben. Die erste enthält Forsters wirkliche und mög¬
liche Schicksale; sie führt den Verbannten mit einer Reihe von Deportirten
Susannen, interessanten Verbrechern, von denen die eine, Francis, sich als
tugendhaftes Weib ausweist Trotz der Häufung wunderbarer Erfindungen ist
das Ganze doch sehr ermüdend. „Weltsinn und Frömmigkeit, eine unaus-
gebildete Handschrift," ist zwar auch ziemlich trocken und doctrinür erzählt,
und die sittliche Lösung nichts weniger als befriedigend; aber das Problem
hat doch etwas Spannendes. Zwei Paare werden einander gegenüberge¬
stellt; das eine, aus den höhern Ständen, begeht einen Ehebruch und wird
durch die Sünde zur Tugend und selbst zum Glück geführt; das andere, aus
dem Volk, opfert sein Glück seinen Gewissensbedenken, und geht in Wcchn-


Grenzboten II. 13S9. 33
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[0267] geistvollen Schriftstellerin, die ihre Dichtungen unter dem Namen eines Abb6 de la Tour herausgab, stand er als Uebersetzer ihrer Werke in dauerndem Verkehr, ebenso und noch intimer mit Benjamin Constant. der ihn Dec. N94 bei Frau von Staöl einführte. „Erstaunlich viel Leben und Geist, aber wenig Innigkeit. Verstand. Artigkeit, Lustigkeit, tolle Einfälle, das alles scheint außer ihrem innersten Wesen vorzugehn, und doch zu bewirken, daß dieses innere Wesen gar nicht existirt. Constant ist ganz hin, lebt nur um sie. und bei ihr... Glücklich fühlt er sich nicht dabei, das merkt man wol, aber daß er hingerissen ist, verzeiht man ihm gern.. . Constant fühlt sich wenig glücklich, und hat keine Hoffnung mehr, je ordentlich glücklich zu sein. Es ist ein liebes sonderbares Wesen! so kindlich zu sein, und doch dabei so wenig Reines genossen und gefühlt zu haben, wiewol er mit Herz und Geist, mit Wehmuth, mit schwer verhaltenen Thränen alles Reine auffaßt und dafür fühlt." „Im gesellschaftlichen Ton dieser Menschen ist Böses und Gutes durcheinandergemischt. Böse ist die Oberflächlichkeit, das Springen von einem Gegenstand zum andern, das Reduciren aller Ideen und Gefühle an den seichten Unterhaltungsstoff. Gut ist die Artigkeit und Leichtigkeit, die Toleranz, die Cultur, die Vielseitigkeit. Kurz er ist zehntausendmal besser als die meisten Arten von Gescllschaftston in Deutschland; aber es gehörte ein eignes Geheimniß dazu, daß ein guter Kopf in diesem Element nicht von Grund aus verdorben wurde." In diesem Cirkel geistreicher Franzosen lernte Huber auch die Revolution richtiger würdigen; er suchte sich dieselbe in jeder Form klar zu machen, bald durch philosophische Reflexionen, bald durch novellistisch ausgeführte Bilder. Was von den unter seinem Namen erschienenen Novellen (drei Sammlungen, 1801—2; vierte, 1819) ihm und was seiner Frau angehört, ist nicht genau M entscheiden; das meiste ist offenbar von Therese, nur von zweien („die Reise nach Neuholland" und „Weltsinn und Frömmigkeit") ist Huber mit Bestimmt¬ heit als Verfasser angegeben. Die erste enthält Forsters wirkliche und mög¬ liche Schicksale; sie führt den Verbannten mit einer Reihe von Deportirten Susannen, interessanten Verbrechern, von denen die eine, Francis, sich als tugendhaftes Weib ausweist Trotz der Häufung wunderbarer Erfindungen ist das Ganze doch sehr ermüdend. „Weltsinn und Frömmigkeit, eine unaus- gebildete Handschrift," ist zwar auch ziemlich trocken und doctrinür erzählt, und die sittliche Lösung nichts weniger als befriedigend; aber das Problem hat doch etwas Spannendes. Zwei Paare werden einander gegenüberge¬ stellt; das eine, aus den höhern Ständen, begeht einen Ehebruch und wird durch die Sünde zur Tugend und selbst zum Glück geführt; das andere, aus dem Volk, opfert sein Glück seinen Gewissensbedenken, und geht in Wcchn- Grenzboten II. 13S9. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/267>, abgerufen am 22.12.2024.