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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gab Huber den Schlüssel zu tausend Redensarten. Gesichtspunkten, Wortstel¬
lungen, er lehrte ihm gleichsam die Parole der damaligen Zeit." "Mancher
phantastische Traum beschäftigte die sonderbaren, edel schwärmenden Menschen.
Forster hoffte den Frieden in kurzem errungen zu sehn, und dann bei ganz
veränderten Verhältnissen seinen Freunden in Paris einen vortheilhaften
Aufenthalt zu verschaffen." Vorläufig mußte er auf seine eigne Sicherheit
denken. Sein Ausflug über die Grenze konnte ihm den Tod bringen. Um
sich sicher zu stellen, ließ er sich von Huber ein Memoire Lally Tolendals
geben (das dieser von Dr. Bollmann, dem Befreier Lafayettes. erhalten), um
es im schlimmsten Fall als Document gegen den eben angeklagten General
Luckner, der ohnehin dem Tode nicht entgehen konnte, zu benutzen und seine
Reise über die Grenze dadurch zu rechtfertigen. "Ich habe diese Menschen be¬
trachtet, die alle drei mit dem Pflichtgefühl, für anerkanntes Recht selbst das
Leben zu opfern, hier durch die Spannung der Umstände vermocht wurden,
sich selbst ein Recht zu schaffen. Das ist die schreckliche Folge jeder Lage,
wo, aus dem Gleise des bürgerlichen Lebens herausgerissen, eigne Kraft allein
führen muß, da die gewöhnlichen Rechtsgrundsätze nicht mehr anwendbar
sind. Der Mensch beweist alsdann seine höhere Moralität, der den Augen¬
blick zu unterscheiden weiß, wo er dem Schicksal gleichsam die Zügel aus den
Händen nehmen muß, oder wo seine Leidenschaft sich an die Stelle dieser
furchtbaren Nothwendigkeit setzen will, der, sobald er sich durch das Dunkel,
wo kein anwendbares Gesetz ihm leuchtete, hindurchwand, sich der Eigenmacht
freiwillig entäußert." -- Glücklicherweise wurde das Memoire nicht benutzt,
aber es wurde aus Forsters Nachlaß herausgegeben, und setzte Huber in nicht
geringe Verlegenheit.

Forster starb den 12. Januar 1794; Huber konnte Therese nun berathen
und sie in die Gesellschaft wieder einführen, die sie bisher sorgfältig vermie¬
den hatte. Jetzt galt es noch ernster, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Wie
wir aus einem Brief Schillers erfahren, trug sich Huber (wie später Kleist)
mit dem Gedanken, die Kantische Philosophie -- von der er noch gar nichts
wußte! -- in Frankreich einzuführen. Auch mit Hamburg stand er eine Zeit¬
lang in Unterhandlung. -- Die Behörden von Neufchatel wurden durch die
Nachbarn genöthigt, alle Emigranten auszuweisen; auch Huber wurde bereits
1794 von dieser Maßregel betroffen, obgleich sich angesehene Familien für
ihn verwandten. Er zog nach Büle, einem kleinen Dorf am Abhang des
Jura, zwei Stunden von der Stadt, wo er unter den Bauern einen sehr ge'
müthlichen Umgang fand. Ein paar französische Bibliotheken standen ihm
offen, und er ließ es sich, für seine beschränkte Lage, sehr viel kosten, sich
einige deutsche Journale zu halten und alle neuen Schriften von Goethe und
Schiller zu kaufen. -- Mit Frau von Charriere (geb. 1750, -1/ 1806), der


gab Huber den Schlüssel zu tausend Redensarten. Gesichtspunkten, Wortstel¬
lungen, er lehrte ihm gleichsam die Parole der damaligen Zeit." „Mancher
phantastische Traum beschäftigte die sonderbaren, edel schwärmenden Menschen.
Forster hoffte den Frieden in kurzem errungen zu sehn, und dann bei ganz
veränderten Verhältnissen seinen Freunden in Paris einen vortheilhaften
Aufenthalt zu verschaffen." Vorläufig mußte er auf seine eigne Sicherheit
denken. Sein Ausflug über die Grenze konnte ihm den Tod bringen. Um
sich sicher zu stellen, ließ er sich von Huber ein Memoire Lally Tolendals
geben (das dieser von Dr. Bollmann, dem Befreier Lafayettes. erhalten), um
es im schlimmsten Fall als Document gegen den eben angeklagten General
Luckner, der ohnehin dem Tode nicht entgehen konnte, zu benutzen und seine
Reise über die Grenze dadurch zu rechtfertigen. „Ich habe diese Menschen be¬
trachtet, die alle drei mit dem Pflichtgefühl, für anerkanntes Recht selbst das
Leben zu opfern, hier durch die Spannung der Umstände vermocht wurden,
sich selbst ein Recht zu schaffen. Das ist die schreckliche Folge jeder Lage,
wo, aus dem Gleise des bürgerlichen Lebens herausgerissen, eigne Kraft allein
führen muß, da die gewöhnlichen Rechtsgrundsätze nicht mehr anwendbar
sind. Der Mensch beweist alsdann seine höhere Moralität, der den Augen¬
blick zu unterscheiden weiß, wo er dem Schicksal gleichsam die Zügel aus den
Händen nehmen muß, oder wo seine Leidenschaft sich an die Stelle dieser
furchtbaren Nothwendigkeit setzen will, der, sobald er sich durch das Dunkel,
wo kein anwendbares Gesetz ihm leuchtete, hindurchwand, sich der Eigenmacht
freiwillig entäußert." — Glücklicherweise wurde das Memoire nicht benutzt,
aber es wurde aus Forsters Nachlaß herausgegeben, und setzte Huber in nicht
geringe Verlegenheit.

Forster starb den 12. Januar 1794; Huber konnte Therese nun berathen
und sie in die Gesellschaft wieder einführen, die sie bisher sorgfältig vermie¬
den hatte. Jetzt galt es noch ernster, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Wie
wir aus einem Brief Schillers erfahren, trug sich Huber (wie später Kleist)
mit dem Gedanken, die Kantische Philosophie — von der er noch gar nichts
wußte! — in Frankreich einzuführen. Auch mit Hamburg stand er eine Zeit¬
lang in Unterhandlung. — Die Behörden von Neufchatel wurden durch die
Nachbarn genöthigt, alle Emigranten auszuweisen; auch Huber wurde bereits
1794 von dieser Maßregel betroffen, obgleich sich angesehene Familien für
ihn verwandten. Er zog nach Büle, einem kleinen Dorf am Abhang des
Jura, zwei Stunden von der Stadt, wo er unter den Bauern einen sehr ge'
müthlichen Umgang fand. Ein paar französische Bibliotheken standen ihm
offen, und er ließ es sich, für seine beschränkte Lage, sehr viel kosten, sich
einige deutsche Journale zu halten und alle neuen Schriften von Goethe und
Schiller zu kaufen. — Mit Frau von Charriere (geb. 1750, -1/ 1806), der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/266>, abgerufen am 22.12.2024.