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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Massimo d'Azeglio, Cesare Balbo und Vincenzo Gioberti. Während
öfterer sich an die rein politische Seite hielt und in seinen Ultimi ca,si Al
liomgZNÄ den zerrütteten Zustand des Kirchenstaates aufdeckte, versuchten die
beiden andern eine Reconstruction Italiens als möglich darzustellen, wonach
der Papst an die Spitze eines Staatenbundes treten sollte, namentlich ward
diese Idee in Giobertis Primats entwickelt. Es liegt nun freilich auf der
Hand, daß, so lange Oestreich in Oberitalien herrscht, es auch in jeder Kon¬
föderation italienischer Staaten tonangebend sein wird; das vermeintliche
Haupt derselben würde sein ergebener Diener sein, da es schon seiner Truppen
bedarf, um Ruhe im Lande zu erhalten. Jede Konföderation aber, welche
Oestreich ausschlösse, wird es natürlich um jeden Preis verhindern und sollte
sie durch die Umstände gelingen, so wäre der Papst zu machtlos, um sich an
ihre Spitze zu stellen, selbst wenn er es wollte. Das Chimärische der Idee
ist also klar, aber ihr Einfluß war nichts desto weniger doch sehr groß. In
diesem Zeitpunkt, wo die Aufregung auf das höchste gestiegen war, starb
Gregor der Sechzehnte und der Cardinal Mastai Feretti ward als Pius der
Neunte sein Nachfolger. Eine allgemeine Amnestie. Verabschiedung der Schwei¬
zergarde und Versprechungen der liberalsten Reformen eröffneten seine Regie¬
rung. - Alles jauchzte ihm zu, Mazzini, der ewige Verschwörer, schrieb dem
Papst, daß er in seiner Initiative den Anfang einer neuen Aera sehe und
in seine Hände abbaute. Das war freilich ein zweifelhafter Glückwunsch,
aber in Frankreich waren Regierung und Opposition in gleichem Maße jener
neuen Aera günstig, Thiers wollte die Bewegung ermuthigen, Guizot sie mä¬
ßigen, beide um sie zu stärken. Wir wünschen, sagte der Letztere, einen ita¬
lienischen Papst, der den Geist seines Jahrhunderts verstehe. Nur der Fürst
Metternich sprach anders; allem Widersinn unserer Zeit, meinte er, werde die
Krone aufgesetzt durch die Erscheinung eines liberalen Papstes. Er hat Recht
behalten und wird es immer behalten, denn die Natur der Dinge macht eine
solche Erscheinung zum Unding.

Abgesehen aber von allen innerlichen unübersteiglichen Schwierigkeiten,
fehlte es dem weichen Herzen von Pius dem Neunten ganz an der Energie,
um den Mißbräuchen nachdrücklich entgegenzutreten und die Reformen zu
sichern. Auch stiegen die Ansprüche; früher wäre man beglückt gewesen durch
eine Verbesserung der Verwaltung, jetzt forderte man politische Institutionen,
welche Gregor sehr richtig als unvereinbar mit den Grundsätzen der päpstlichen
Negierung bezeichnet; sein Nachfolger versprach sie nach langem Schwanken
un Sept. 1847, wählbare Provinzialräthe und eine Nationalvertretung in
Nom sollten die Rechte des Volkes in Obacht nehmen, eine Allianz ward mit
Toscana und Sardinien geschlossen, die Reibungen mit den Oestreichern wur¬
den heftiger. In demselben Maße wuchsen die Forderungen, die Central-


Massimo d'Azeglio, Cesare Balbo und Vincenzo Gioberti. Während
öfterer sich an die rein politische Seite hielt und in seinen Ultimi ca,si Al
liomgZNÄ den zerrütteten Zustand des Kirchenstaates aufdeckte, versuchten die
beiden andern eine Reconstruction Italiens als möglich darzustellen, wonach
der Papst an die Spitze eines Staatenbundes treten sollte, namentlich ward
diese Idee in Giobertis Primats entwickelt. Es liegt nun freilich auf der
Hand, daß, so lange Oestreich in Oberitalien herrscht, es auch in jeder Kon¬
föderation italienischer Staaten tonangebend sein wird; das vermeintliche
Haupt derselben würde sein ergebener Diener sein, da es schon seiner Truppen
bedarf, um Ruhe im Lande zu erhalten. Jede Konföderation aber, welche
Oestreich ausschlösse, wird es natürlich um jeden Preis verhindern und sollte
sie durch die Umstände gelingen, so wäre der Papst zu machtlos, um sich an
ihre Spitze zu stellen, selbst wenn er es wollte. Das Chimärische der Idee
ist also klar, aber ihr Einfluß war nichts desto weniger doch sehr groß. In
diesem Zeitpunkt, wo die Aufregung auf das höchste gestiegen war, starb
Gregor der Sechzehnte und der Cardinal Mastai Feretti ward als Pius der
Neunte sein Nachfolger. Eine allgemeine Amnestie. Verabschiedung der Schwei¬
zergarde und Versprechungen der liberalsten Reformen eröffneten seine Regie¬
rung. - Alles jauchzte ihm zu, Mazzini, der ewige Verschwörer, schrieb dem
Papst, daß er in seiner Initiative den Anfang einer neuen Aera sehe und
in seine Hände abbaute. Das war freilich ein zweifelhafter Glückwunsch,
aber in Frankreich waren Regierung und Opposition in gleichem Maße jener
neuen Aera günstig, Thiers wollte die Bewegung ermuthigen, Guizot sie mä¬
ßigen, beide um sie zu stärken. Wir wünschen, sagte der Letztere, einen ita¬
lienischen Papst, der den Geist seines Jahrhunderts verstehe. Nur der Fürst
Metternich sprach anders; allem Widersinn unserer Zeit, meinte er, werde die
Krone aufgesetzt durch die Erscheinung eines liberalen Papstes. Er hat Recht
behalten und wird es immer behalten, denn die Natur der Dinge macht eine
solche Erscheinung zum Unding.

Abgesehen aber von allen innerlichen unübersteiglichen Schwierigkeiten,
fehlte es dem weichen Herzen von Pius dem Neunten ganz an der Energie,
um den Mißbräuchen nachdrücklich entgegenzutreten und die Reformen zu
sichern. Auch stiegen die Ansprüche; früher wäre man beglückt gewesen durch
eine Verbesserung der Verwaltung, jetzt forderte man politische Institutionen,
welche Gregor sehr richtig als unvereinbar mit den Grundsätzen der päpstlichen
Negierung bezeichnet; sein Nachfolger versprach sie nach langem Schwanken
un Sept. 1847, wählbare Provinzialräthe und eine Nationalvertretung in
Nom sollten die Rechte des Volkes in Obacht nehmen, eine Allianz ward mit
Toscana und Sardinien geschlossen, die Reibungen mit den Oestreichern wur¬
den heftiger. In demselben Maße wuchsen die Forderungen, die Central-


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[0191] Massimo d'Azeglio, Cesare Balbo und Vincenzo Gioberti. Während öfterer sich an die rein politische Seite hielt und in seinen Ultimi ca,si Al liomgZNÄ den zerrütteten Zustand des Kirchenstaates aufdeckte, versuchten die beiden andern eine Reconstruction Italiens als möglich darzustellen, wonach der Papst an die Spitze eines Staatenbundes treten sollte, namentlich ward diese Idee in Giobertis Primats entwickelt. Es liegt nun freilich auf der Hand, daß, so lange Oestreich in Oberitalien herrscht, es auch in jeder Kon¬ föderation italienischer Staaten tonangebend sein wird; das vermeintliche Haupt derselben würde sein ergebener Diener sein, da es schon seiner Truppen bedarf, um Ruhe im Lande zu erhalten. Jede Konföderation aber, welche Oestreich ausschlösse, wird es natürlich um jeden Preis verhindern und sollte sie durch die Umstände gelingen, so wäre der Papst zu machtlos, um sich an ihre Spitze zu stellen, selbst wenn er es wollte. Das Chimärische der Idee ist also klar, aber ihr Einfluß war nichts desto weniger doch sehr groß. In diesem Zeitpunkt, wo die Aufregung auf das höchste gestiegen war, starb Gregor der Sechzehnte und der Cardinal Mastai Feretti ward als Pius der Neunte sein Nachfolger. Eine allgemeine Amnestie. Verabschiedung der Schwei¬ zergarde und Versprechungen der liberalsten Reformen eröffneten seine Regie¬ rung. - Alles jauchzte ihm zu, Mazzini, der ewige Verschwörer, schrieb dem Papst, daß er in seiner Initiative den Anfang einer neuen Aera sehe und in seine Hände abbaute. Das war freilich ein zweifelhafter Glückwunsch, aber in Frankreich waren Regierung und Opposition in gleichem Maße jener neuen Aera günstig, Thiers wollte die Bewegung ermuthigen, Guizot sie mä¬ ßigen, beide um sie zu stärken. Wir wünschen, sagte der Letztere, einen ita¬ lienischen Papst, der den Geist seines Jahrhunderts verstehe. Nur der Fürst Metternich sprach anders; allem Widersinn unserer Zeit, meinte er, werde die Krone aufgesetzt durch die Erscheinung eines liberalen Papstes. Er hat Recht behalten und wird es immer behalten, denn die Natur der Dinge macht eine solche Erscheinung zum Unding. Abgesehen aber von allen innerlichen unübersteiglichen Schwierigkeiten, fehlte es dem weichen Herzen von Pius dem Neunten ganz an der Energie, um den Mißbräuchen nachdrücklich entgegenzutreten und die Reformen zu sichern. Auch stiegen die Ansprüche; früher wäre man beglückt gewesen durch eine Verbesserung der Verwaltung, jetzt forderte man politische Institutionen, welche Gregor sehr richtig als unvereinbar mit den Grundsätzen der päpstlichen Negierung bezeichnet; sein Nachfolger versprach sie nach langem Schwanken un Sept. 1847, wählbare Provinzialräthe und eine Nationalvertretung in Nom sollten die Rechte des Volkes in Obacht nehmen, eine Allianz ward mit Toscana und Sardinien geschlossen, die Reibungen mit den Oestreichern wur¬ den heftiger. In demselben Maße wuchsen die Forderungen, die Central-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/191>, abgerufen am 22.12.2024.