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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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oder sonstigen polizeilichen Rücksichten eine Einmischung sin den Betrieb ein¬
zelner Gewerbe eingeräumt werde;

4) daß im Uebrigen auch im Gewerbe- und Handelsbetrieb nur die all¬
gemeinen bürgerlichen Gesetze, z. B. bezüglich der Dispositionsfähigkeit zur
Geltung kommen.

Separatantrag des Dr. Böhmert.

1) Die Versammlung wolle sich speciell gegen den Versuch einer Zusammen¬
legung der Gewerbe erklären und ihre Ueberzeugung dahin aussprechen, daß
die Reform der Gewerbegesetze eine gründliche und rasche sein müsse, weil ein
langsames Absterbenlassen des hinsiechenden Veralteten ein Siechthum auch in
die neuen Verhältnisse legt, und weil nur die volle Freiheit der wirthschaft¬
lichen Bewegung einen Ersatz für die unhaltbaren Privilegien bietet und ein
Vorwärtsschreiten im Gewerbe, so wie die zeitgemäße Veränderung der bis¬
herigen Betriebsweise ermöglicht. 2) Die Versammlung wolle beschließen, die
in der Gewcrbefrage gefaßten Beschlüsse mit gründlicher Motivirung und mit
besonderer Berücksichtigung der thatsächlich'er historischen und statistischen
Mittheilungen aus den verschiedenen Ländern in möglichst weiten Kreisen zu
verbreiten und zugleich dahin zu wirken, daß diese Grundsätze womöglich in
der Form eines allgemeinen deutschen Gewerbegesetzcs uach Art des Wechsel-
gesctzes und des angestrebten Handelsgesetzes, wo aber nicht, in der Form
von Sozialgesetzgebungen der einzelnen deutschen Länder zur Geltung ge¬
bracht werden. ^

Die Section hatte sich in ihrer entschiedenen Mehrheit für Abschaffung
der Meisterprüfungen ausgesprochen. Zur Aufrechterhaltung der letzteren stell¬
ten die Herren Senator Doll aus Gotha und Buchbinder Crusius aus
Leipzig einen Separatantrag, welcher vom Senator Doll gerechtfertigt wurde.
Als im Verlauf dieser Discussion die Aeußerung siel, daß man ebenso gut
wie die Meisterprüfung auch die Prüfung der Juristen und Mediciner abschaf¬
fen könne, bemerkte Prince-Smith, daß sin England, wo es gewiß tüchtige
Juristen gäbe, ein juristisches Examen nicht bestehe. Die Discussion wurde
hierauf durch einen die Sectionsantrnge ausschließenden Vorantrag der Herren
Wolfs und Braun abgeschnitten, welcher nach kurzer Verhandlung zu dem
oben stehenden Beschluß zu Gunsten unbedingter Gewerbefreiheit führte.

Die Verhandlungen über die Angelegenheit der Associationen, wofür
der Kongreß den deutschen Ausdruck G en o ssenschasten adoptirte, führte zu
einem wahren Triumph des Herrn Schulze-Delitzsch, welcher um so er¬
freulicher war, als die Bestrebungen des verdienstvollen Mannes eine Reihe
von Jahren hindurch ganz vereinzelt dagestanden hatten. In der Section,
Wo Professor Huber die englischen und französischen Associationen vorzugs¬
weise als Vorbild hingestellt wissen wollte, sand Schulze die Anerkennung,


oder sonstigen polizeilichen Rücksichten eine Einmischung sin den Betrieb ein¬
zelner Gewerbe eingeräumt werde;

4) daß im Uebrigen auch im Gewerbe- und Handelsbetrieb nur die all¬
gemeinen bürgerlichen Gesetze, z. B. bezüglich der Dispositionsfähigkeit zur
Geltung kommen.

Separatantrag des Dr. Böhmert.

1) Die Versammlung wolle sich speciell gegen den Versuch einer Zusammen¬
legung der Gewerbe erklären und ihre Ueberzeugung dahin aussprechen, daß
die Reform der Gewerbegesetze eine gründliche und rasche sein müsse, weil ein
langsames Absterbenlassen des hinsiechenden Veralteten ein Siechthum auch in
die neuen Verhältnisse legt, und weil nur die volle Freiheit der wirthschaft¬
lichen Bewegung einen Ersatz für die unhaltbaren Privilegien bietet und ein
Vorwärtsschreiten im Gewerbe, so wie die zeitgemäße Veränderung der bis¬
herigen Betriebsweise ermöglicht. 2) Die Versammlung wolle beschließen, die
in der Gewcrbefrage gefaßten Beschlüsse mit gründlicher Motivirung und mit
besonderer Berücksichtigung der thatsächlich'er historischen und statistischen
Mittheilungen aus den verschiedenen Ländern in möglichst weiten Kreisen zu
verbreiten und zugleich dahin zu wirken, daß diese Grundsätze womöglich in
der Form eines allgemeinen deutschen Gewerbegesetzcs uach Art des Wechsel-
gesctzes und des angestrebten Handelsgesetzes, wo aber nicht, in der Form
von Sozialgesetzgebungen der einzelnen deutschen Länder zur Geltung ge¬
bracht werden. ^

Die Section hatte sich in ihrer entschiedenen Mehrheit für Abschaffung
der Meisterprüfungen ausgesprochen. Zur Aufrechterhaltung der letzteren stell¬
ten die Herren Senator Doll aus Gotha und Buchbinder Crusius aus
Leipzig einen Separatantrag, welcher vom Senator Doll gerechtfertigt wurde.
Als im Verlauf dieser Discussion die Aeußerung siel, daß man ebenso gut
wie die Meisterprüfung auch die Prüfung der Juristen und Mediciner abschaf¬
fen könne, bemerkte Prince-Smith, daß sin England, wo es gewiß tüchtige
Juristen gäbe, ein juristisches Examen nicht bestehe. Die Discussion wurde
hierauf durch einen die Sectionsantrnge ausschließenden Vorantrag der Herren
Wolfs und Braun abgeschnitten, welcher nach kurzer Verhandlung zu dem
oben stehenden Beschluß zu Gunsten unbedingter Gewerbefreiheit führte.

Die Verhandlungen über die Angelegenheit der Associationen, wofür
der Kongreß den deutschen Ausdruck G en o ssenschasten adoptirte, führte zu
einem wahren Triumph des Herrn Schulze-Delitzsch, welcher um so er¬
freulicher war, als die Bestrebungen des verdienstvollen Mannes eine Reihe
von Jahren hindurch ganz vereinzelt dagestanden hatten. In der Section,
Wo Professor Huber die englischen und französischen Associationen vorzugs¬
weise als Vorbild hingestellt wissen wollte, sand Schulze die Anerkennung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/95>, abgerufen am 06.02.2025.