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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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während zu. Dr. Boehmert fügte hinzu, daß der roßwciner Gewerbevercin
sich ausdrücklich für Gewerbefreiheit erklärt habe. Dr. Malß berichtete über
die eignen Mißbräuche, zu welchen die Zunftverfassung in Frankfurt a. M. An¬
laß gibt. A. Lammers machte nach einer Schilderung der Verhältnisse in
Hannover die Bemerkung, daß auch dort die Richtung'für Gewerbefreiheit
mehr u.ut mehr sich Bahn breche. Advocat Bolde aus Rostock lieferte ein
Bild der Zustände seiner Baterstadt, welches zeigte, daß neben der Handels¬
freiheit dort noch ein tüchtiges Stück Zunftzwang existirt. Webermeister
Rewitzer aus Chemnitz ergänzte in einem klaren und eingehenden Vortrag
die Mittheilung über Sachsen und wies namentlich auch auf- den Mißstand
widersprechender Entscheidungen der Localbehörden gewerbcfreier und zünftiger
Bezirke hin. Zu Gunsten der Gewerbefreiheit führte er namentlich die Gegen¬
den der freien gewerblichen Entwicklung an, welche sich am entschiedensten für
allgemeine Gewerbefreiheit aussprechen.

Dr. Ri cake aus Nordhausen führte an einzelnen Beispielen aus, wie die
Gewohnheit die Zunftschranken durchlöchert habe, wie z. B. der sogenannte
Bier- und saure Gurkcnzwang in Torgau dadurch gebrochen worden sei, daß
man den Bedarf des Militärs von auswärts einzuführen verstattete. Professor
Biedermann gab, nachdem er angeführt, daß der Fortschritt der gewerblichen
Bewegung in Chemnitz vorzugsweise das Verdienst des Herrn Rewitzer sei,
eine Darstellung der Verhältnisse in Weimar, woraus hervorging, daß dort
dasselbe Mißverhältniß zwischen freien und zünftigen Gewerben wie in Sachsen
bestehe, und knüpfte daran die Mittheilung, daß die Negierung entschieden für
Gewerbefreiheit sei und nur auf die Mitwirkung andrer Regierungen warte,
um auf dem Wege der gesetzlichen Reformen vorzuschreiten.

Nachdem hierauf die Specialdiscusfion geschlossen war, ergriff Dr. Boehmert
als Berichterstatter der Section das Wort, um folgende Anträge derselben zu
rechtfertigen:

Die Section für Reform der Gewerbegcsetzc erkennt in der Befreiung der
Arbeit von den bestehenden Beschränkungen ein Mittel zur Hebung des
Gewcrbestandes und beantragt: die Versammlung wolle beschließen, mit allen
ihr zu Gebote stehenden Mitteln für Beseitigung der bestehenden Hemmnisse
der Arbeit, namentlich dahin zu wirken:'

1) daß die Gewcrbs- und Handelsthätigkeit von denjenigen ausschließen¬
den und beschränkenden Befugnissen, welche bisher bestimmten Korporationen
oder Einzelnen zugestanden haben, befreit werde;

2) daß die Gcwerbs- und Handelsthätigkeit nicht länger durch Lehrzwang.
Wanderzwang, Befähigungsnachweis und Ertheilung von Concessionen be¬
schränkt werde;

3) daß den Regierungen nur aus Sarnath-, oder Feuer-, oder Wasser-


während zu. Dr. Boehmert fügte hinzu, daß der roßwciner Gewerbevercin
sich ausdrücklich für Gewerbefreiheit erklärt habe. Dr. Malß berichtete über
die eignen Mißbräuche, zu welchen die Zunftverfassung in Frankfurt a. M. An¬
laß gibt. A. Lammers machte nach einer Schilderung der Verhältnisse in
Hannover die Bemerkung, daß auch dort die Richtung'für Gewerbefreiheit
mehr u.ut mehr sich Bahn breche. Advocat Bolde aus Rostock lieferte ein
Bild der Zustände seiner Baterstadt, welches zeigte, daß neben der Handels¬
freiheit dort noch ein tüchtiges Stück Zunftzwang existirt. Webermeister
Rewitzer aus Chemnitz ergänzte in einem klaren und eingehenden Vortrag
die Mittheilung über Sachsen und wies namentlich auch auf- den Mißstand
widersprechender Entscheidungen der Localbehörden gewerbcfreier und zünftiger
Bezirke hin. Zu Gunsten der Gewerbefreiheit führte er namentlich die Gegen¬
den der freien gewerblichen Entwicklung an, welche sich am entschiedensten für
allgemeine Gewerbefreiheit aussprechen.

Dr. Ri cake aus Nordhausen führte an einzelnen Beispielen aus, wie die
Gewohnheit die Zunftschranken durchlöchert habe, wie z. B. der sogenannte
Bier- und saure Gurkcnzwang in Torgau dadurch gebrochen worden sei, daß
man den Bedarf des Militärs von auswärts einzuführen verstattete. Professor
Biedermann gab, nachdem er angeführt, daß der Fortschritt der gewerblichen
Bewegung in Chemnitz vorzugsweise das Verdienst des Herrn Rewitzer sei,
eine Darstellung der Verhältnisse in Weimar, woraus hervorging, daß dort
dasselbe Mißverhältniß zwischen freien und zünftigen Gewerben wie in Sachsen
bestehe, und knüpfte daran die Mittheilung, daß die Negierung entschieden für
Gewerbefreiheit sei und nur auf die Mitwirkung andrer Regierungen warte,
um auf dem Wege der gesetzlichen Reformen vorzuschreiten.

Nachdem hierauf die Specialdiscusfion geschlossen war, ergriff Dr. Boehmert
als Berichterstatter der Section das Wort, um folgende Anträge derselben zu
rechtfertigen:

Die Section für Reform der Gewerbegcsetzc erkennt in der Befreiung der
Arbeit von den bestehenden Beschränkungen ein Mittel zur Hebung des
Gewcrbestandes und beantragt: die Versammlung wolle beschließen, mit allen
ihr zu Gebote stehenden Mitteln für Beseitigung der bestehenden Hemmnisse
der Arbeit, namentlich dahin zu wirken:'

1) daß die Gewcrbs- und Handelsthätigkeit von denjenigen ausschließen¬
den und beschränkenden Befugnissen, welche bisher bestimmten Korporationen
oder Einzelnen zugestanden haben, befreit werde;

2) daß die Gcwerbs- und Handelsthätigkeit nicht länger durch Lehrzwang.
Wanderzwang, Befähigungsnachweis und Ertheilung von Concessionen be¬
schränkt werde;

3) daß den Regierungen nur aus Sarnath-, oder Feuer-, oder Wasser-


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[0094] während zu. Dr. Boehmert fügte hinzu, daß der roßwciner Gewerbevercin sich ausdrücklich für Gewerbefreiheit erklärt habe. Dr. Malß berichtete über die eignen Mißbräuche, zu welchen die Zunftverfassung in Frankfurt a. M. An¬ laß gibt. A. Lammers machte nach einer Schilderung der Verhältnisse in Hannover die Bemerkung, daß auch dort die Richtung'für Gewerbefreiheit mehr u.ut mehr sich Bahn breche. Advocat Bolde aus Rostock lieferte ein Bild der Zustände seiner Baterstadt, welches zeigte, daß neben der Handels¬ freiheit dort noch ein tüchtiges Stück Zunftzwang existirt. Webermeister Rewitzer aus Chemnitz ergänzte in einem klaren und eingehenden Vortrag die Mittheilung über Sachsen und wies namentlich auch auf- den Mißstand widersprechender Entscheidungen der Localbehörden gewerbcfreier und zünftiger Bezirke hin. Zu Gunsten der Gewerbefreiheit führte er namentlich die Gegen¬ den der freien gewerblichen Entwicklung an, welche sich am entschiedensten für allgemeine Gewerbefreiheit aussprechen. Dr. Ri cake aus Nordhausen führte an einzelnen Beispielen aus, wie die Gewohnheit die Zunftschranken durchlöchert habe, wie z. B. der sogenannte Bier- und saure Gurkcnzwang in Torgau dadurch gebrochen worden sei, daß man den Bedarf des Militärs von auswärts einzuführen verstattete. Professor Biedermann gab, nachdem er angeführt, daß der Fortschritt der gewerblichen Bewegung in Chemnitz vorzugsweise das Verdienst des Herrn Rewitzer sei, eine Darstellung der Verhältnisse in Weimar, woraus hervorging, daß dort dasselbe Mißverhältniß zwischen freien und zünftigen Gewerben wie in Sachsen bestehe, und knüpfte daran die Mittheilung, daß die Negierung entschieden für Gewerbefreiheit sei und nur auf die Mitwirkung andrer Regierungen warte, um auf dem Wege der gesetzlichen Reformen vorzuschreiten. Nachdem hierauf die Specialdiscusfion geschlossen war, ergriff Dr. Boehmert als Berichterstatter der Section das Wort, um folgende Anträge derselben zu rechtfertigen: Die Section für Reform der Gewerbegcsetzc erkennt in der Befreiung der Arbeit von den bestehenden Beschränkungen ein Mittel zur Hebung des Gewcrbestandes und beantragt: die Versammlung wolle beschließen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für Beseitigung der bestehenden Hemmnisse der Arbeit, namentlich dahin zu wirken:' 1) daß die Gewcrbs- und Handelsthätigkeit von denjenigen ausschließen¬ den und beschränkenden Befugnissen, welche bisher bestimmten Korporationen oder Einzelnen zugestanden haben, befreit werde; 2) daß die Gcwerbs- und Handelsthätigkeit nicht länger durch Lehrzwang. Wanderzwang, Befähigungsnachweis und Ertheilung von Concessionen be¬ schränkt werde; 3) daß den Regierungen nur aus Sarnath-, oder Feuer-, oder Wasser-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/94>, abgerufen am 06.02.2025.