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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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station, als eine Seefeste, und seine Arsenale sind einzig und allein zum
Ersatz erlittener Schäden, nicht aber zum Neubau von Kriegsschiffen bestimmt.
Weiter westlich befindet sich weder ein englischer, noch ein französischer Kriegs¬
hafen am Kanal.

Die Engländer nehmen jetzt an, daß sie von drei Seiten aus gegen Cher-
bourg operiren könnten, und zwar mit Hilfe der, Flotten von Plymouth,
Portsmouth und Shecrneß, daß sie infolge dessen auf concentrischen Opcrativns-
linien vorgehen würden, während die Franzosen bei einem Landungsversnch
von hier aus zwischen diese gerathen, folglich in eine sehr unangenehme Lage
kommen würden. Dies beruht aber auf einer Täuschung; denn auch die Fran¬
zosen haben zwei äußere starke Punkte, von denen sie aussegeln können,
DünlirchHn und Brest, welche die Engländer wieder auf innere Operations¬
linien zurückwerfen. Bis jetzt hat allerdings die französische Flotte die eng¬
lische an Macht und Größe nicht erreicht, dafür ist sie aber auch nicht ge¬
nöthigt, in so vielen Meeren Kriegsschiffe zu halten und sich infolge dessen
so zu zerstückeln, als letztere, und daß sie in der Neuzeit euren riesigen Auf-
schwung genommen hat, kann niemand in Abrede stellen; ebenso wenig kann
man voraussagen, wenn Frankreich mit dieser neuen Schöpfung aufhören
wird; vor der Hand hat es durchaus nicht den Anschein, als sollte dies so
bald geschehen.

Aus den gegebnen Umständen geht für England die Nothwendigkeit hervor:
1. seine Dampsslotte möglichst zu verstärken.
2. seine Küsteubefcstigungen zu vervollständigen,
3. Centralfcstnngen anzulegen,
4. sein stehendes Heer zu reorganisiren und zu verstärken.

Sobald das englische Gouvernement diese Nothwendigkeiten nicht einsieht,
wird c's früher oder später alle Ursache haben, die Vernachlässigung zu bereuen.
Man weiß, daß die Allianz zwischen den Cabincten von London und Paris
in den Herzen der Böller nicht Wurzel geschlagen hat, daß der alte National-
haß nicht erloschen ist, und wenn die Presse irgend der Ausdruck der Gefühle
der Nationen ist, so braucht man nur die Zeitungen beider Länder zu lesen,
um sich von der Wahrheit unserer Ansicht zu überzeugen. Der Besuch in
Cherbourg, die bei dieser Gelegenheit gewechselten Reden stoßen diese nicht
um, und fast möchten wir sagen, daß man jetzt schon auf den Punkt ge¬
kommen ist, wo man sich die Zähne weist; denn gleich nach der Rückkehr der
Königin, erhielt das Arsenal in Woolwich Befehl, so rasch als möglich schwere
Geschütze nach den Festungen und Forts an der Südküste abzusenden.

Wir sagten, England müsse zuerst seine Dampfflotte verstärken, wir haben
dafür folgende Gründe. Um die Küsten, wo sie auch immer angegriffen
werden mögen, möglichst rasch unterützen zu können, und das feindliche Opera-


station, als eine Seefeste, und seine Arsenale sind einzig und allein zum
Ersatz erlittener Schäden, nicht aber zum Neubau von Kriegsschiffen bestimmt.
Weiter westlich befindet sich weder ein englischer, noch ein französischer Kriegs¬
hafen am Kanal.

Die Engländer nehmen jetzt an, daß sie von drei Seiten aus gegen Cher-
bourg operiren könnten, und zwar mit Hilfe der, Flotten von Plymouth,
Portsmouth und Shecrneß, daß sie infolge dessen auf concentrischen Opcrativns-
linien vorgehen würden, während die Franzosen bei einem Landungsversnch
von hier aus zwischen diese gerathen, folglich in eine sehr unangenehme Lage
kommen würden. Dies beruht aber auf einer Täuschung; denn auch die Fran¬
zosen haben zwei äußere starke Punkte, von denen sie aussegeln können,
DünlirchHn und Brest, welche die Engländer wieder auf innere Operations¬
linien zurückwerfen. Bis jetzt hat allerdings die französische Flotte die eng¬
lische an Macht und Größe nicht erreicht, dafür ist sie aber auch nicht ge¬
nöthigt, in so vielen Meeren Kriegsschiffe zu halten und sich infolge dessen
so zu zerstückeln, als letztere, und daß sie in der Neuzeit euren riesigen Auf-
schwung genommen hat, kann niemand in Abrede stellen; ebenso wenig kann
man voraussagen, wenn Frankreich mit dieser neuen Schöpfung aufhören
wird; vor der Hand hat es durchaus nicht den Anschein, als sollte dies so
bald geschehen.

Aus den gegebnen Umständen geht für England die Nothwendigkeit hervor:
1. seine Dampsslotte möglichst zu verstärken.
2. seine Küsteubefcstigungen zu vervollständigen,
3. Centralfcstnngen anzulegen,
4. sein stehendes Heer zu reorganisiren und zu verstärken.

Sobald das englische Gouvernement diese Nothwendigkeiten nicht einsieht,
wird c's früher oder später alle Ursache haben, die Vernachlässigung zu bereuen.
Man weiß, daß die Allianz zwischen den Cabincten von London und Paris
in den Herzen der Böller nicht Wurzel geschlagen hat, daß der alte National-
haß nicht erloschen ist, und wenn die Presse irgend der Ausdruck der Gefühle
der Nationen ist, so braucht man nur die Zeitungen beider Länder zu lesen,
um sich von der Wahrheit unserer Ansicht zu überzeugen. Der Besuch in
Cherbourg, die bei dieser Gelegenheit gewechselten Reden stoßen diese nicht
um, und fast möchten wir sagen, daß man jetzt schon auf den Punkt ge¬
kommen ist, wo man sich die Zähne weist; denn gleich nach der Rückkehr der
Königin, erhielt das Arsenal in Woolwich Befehl, so rasch als möglich schwere
Geschütze nach den Festungen und Forts an der Südküste abzusenden.

Wir sagten, England müsse zuerst seine Dampfflotte verstärken, wir haben
dafür folgende Gründe. Um die Küsten, wo sie auch immer angegriffen
werden mögen, möglichst rasch unterützen zu können, und das feindliche Opera-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/82>, abgerufen am 06.02.2025.