Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.von der keuschen Auffassung der Antike, wie sie Carstens siegreich angebahnt Die Zahl der Cartons, die wir sonst noch in der Ausstellung erblicken, Ein schön geformtes nacktes Bein ist ein würdigerer Gegenstand künst¬ von der keuschen Auffassung der Antike, wie sie Carstens siegreich angebahnt Die Zahl der Cartons, die wir sonst noch in der Ausstellung erblicken, Ein schön geformtes nacktes Bein ist ein würdigerer Gegenstand künst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265875"/> <p xml:id="ID_152" prev="#ID_151"> von der keuschen Auffassung der Antike, wie sie Carstens siegreich angebahnt<lb/> hatte, Hildebrandts Söhne Eduards kann man ohne Verwunderung über die<lb/> geringen Anforderungen, die man an die technische Tüchtigkeit des Künstlers<lb/> stellte, nicht betrachten, bei Hermanns deutschen Geschichtsbildern weiß man<lb/> nicht recht, ob man über die Selbstüberschätzung des Malers sich ärgern, oder<lb/> über die kindische Auffassung namentlich des Mittelalters und der neuern Zeit<lb/> lachen soll, Erwin Specktcrs: Frauen am Grabe mit Christus zeigen, welchen<lb/> Grad der Mangel an Schulung erreicht hatte, Krügers Wachparade vollends<lb/> erscheint uns nur noch als Curiosum und erfüllt uns mit Dank für die Er¬<lb/> findung der Photographie. Solche Ausgaben werden hoffentlich nicht mehr<lb/> an Künstler gestellt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_153"> Die Zahl der Cartons, die wir sonst noch in der Ausstellung erblicken,<lb/> ist keine unerhebliche. Thüringen namentlich stellt ein reichliches Contingent<lb/> von Künstlern, welche die in München selbst wenig gepflegte Richtung so¬<lb/> genannter idealer Geschichtsmalerei fortsetzen. Doch laßt sich von diesen Ar¬<lb/> beiten eines Losson. A. Müller und Wislicenus keine Eigenthümlichkeit behaupten.<lb/> Dagegen bewahren Rethels Entwürfe zu den achmer Fresken und seine Skizzen<lb/> zu Hannibals Zug über die Alpen ihren alten Ruhm und lassen den frühen<lb/> Verlust des Mannes für die Kunst innig bedauern. Er hielt historischen<lb/> Ernst mit tiefer Empfindung nicht für unvereinbar, verwechselte nicht den<lb/> Kothurn mit Stelzen und strebte kräftig nach einfacher Würde der Schil¬<lb/> derung.</p><lb/> <p xml:id="ID_154" next="#ID_155"> Ein schön geformtes nacktes Bein ist ein würdigerer Gegenstand künst¬<lb/> lerischer. Darstellung als gelbe Lederhosen, ein jungfräulicher Leib in seiner<lb/> zarten Entfaltung für jeden, der einen gesunden Sinn sich bewahrt hat, eine<lb/> größere Augenweide, als ein rostiges Schwert, ein schmuziger Büsfelkoller<lb/> oder blank geputzte Stiefel. Das ist das kurzgefaßte Urtheil der Freunde der<lb/> Antike über jenen in Deutschland erst seit einigen Jahren gepflegten Zweig<lb/> der historischen Malerei, welche die charakteristische Wahrheit der Schilderung<lb/> vorzugsweise betont, die äußeren Erscheinungsformen mit sichtlicher Vorliebe<lb/> und oft mit bewunderungswürdiger Genauigkeit wiedergibt und als wesent¬<lb/> lichstes Ausdrucksmittel das Colorit benutzt. Der mächtige Eindruck der Zeich¬<lb/> nungen und Aquarelle von Carstens, die Bewunderung, die Kochs poetischer<lb/> Kraft. Schlaks anmuthiger Grazie'allgemein gezollt wird, haben der kleinen<lb/> Gemeinde der Hellenisten neuen Muth verliehen, und die Hoffnung, es könnte<lb/> sich ihnen, den lange Vernachlässigten und wie sie glauben Verläumder wieder<lb/> die öffentliche Gunst, die verdiente Anerkennung zuwenden, belebt. Der alte<lb/> Streit, ob ein Gemälde eines stofflichen Interesses bedürfe oder nicht, ob das<lb/> Colorit auch eine selbstständige Bedeutung besitze, ob die täuschende Wieder¬<lb/> gabe eines Scheines, mag derselbe auch an unreinen oder gleichgiltigen For-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
von der keuschen Auffassung der Antike, wie sie Carstens siegreich angebahnt
hatte, Hildebrandts Söhne Eduards kann man ohne Verwunderung über die
geringen Anforderungen, die man an die technische Tüchtigkeit des Künstlers
stellte, nicht betrachten, bei Hermanns deutschen Geschichtsbildern weiß man
nicht recht, ob man über die Selbstüberschätzung des Malers sich ärgern, oder
über die kindische Auffassung namentlich des Mittelalters und der neuern Zeit
lachen soll, Erwin Specktcrs: Frauen am Grabe mit Christus zeigen, welchen
Grad der Mangel an Schulung erreicht hatte, Krügers Wachparade vollends
erscheint uns nur noch als Curiosum und erfüllt uns mit Dank für die Er¬
findung der Photographie. Solche Ausgaben werden hoffentlich nicht mehr
an Künstler gestellt werden.
Die Zahl der Cartons, die wir sonst noch in der Ausstellung erblicken,
ist keine unerhebliche. Thüringen namentlich stellt ein reichliches Contingent
von Künstlern, welche die in München selbst wenig gepflegte Richtung so¬
genannter idealer Geschichtsmalerei fortsetzen. Doch laßt sich von diesen Ar¬
beiten eines Losson. A. Müller und Wislicenus keine Eigenthümlichkeit behaupten.
Dagegen bewahren Rethels Entwürfe zu den achmer Fresken und seine Skizzen
zu Hannibals Zug über die Alpen ihren alten Ruhm und lassen den frühen
Verlust des Mannes für die Kunst innig bedauern. Er hielt historischen
Ernst mit tiefer Empfindung nicht für unvereinbar, verwechselte nicht den
Kothurn mit Stelzen und strebte kräftig nach einfacher Würde der Schil¬
derung.
Ein schön geformtes nacktes Bein ist ein würdigerer Gegenstand künst¬
lerischer. Darstellung als gelbe Lederhosen, ein jungfräulicher Leib in seiner
zarten Entfaltung für jeden, der einen gesunden Sinn sich bewahrt hat, eine
größere Augenweide, als ein rostiges Schwert, ein schmuziger Büsfelkoller
oder blank geputzte Stiefel. Das ist das kurzgefaßte Urtheil der Freunde der
Antike über jenen in Deutschland erst seit einigen Jahren gepflegten Zweig
der historischen Malerei, welche die charakteristische Wahrheit der Schilderung
vorzugsweise betont, die äußeren Erscheinungsformen mit sichtlicher Vorliebe
und oft mit bewunderungswürdiger Genauigkeit wiedergibt und als wesent¬
lichstes Ausdrucksmittel das Colorit benutzt. Der mächtige Eindruck der Zeich¬
nungen und Aquarelle von Carstens, die Bewunderung, die Kochs poetischer
Kraft. Schlaks anmuthiger Grazie'allgemein gezollt wird, haben der kleinen
Gemeinde der Hellenisten neuen Muth verliehen, und die Hoffnung, es könnte
sich ihnen, den lange Vernachlässigten und wie sie glauben Verläumder wieder
die öffentliche Gunst, die verdiente Anerkennung zuwenden, belebt. Der alte
Streit, ob ein Gemälde eines stofflichen Interesses bedürfe oder nicht, ob das
Colorit auch eine selbstständige Bedeutung besitze, ob die täuschende Wieder¬
gabe eines Scheines, mag derselbe auch an unreinen oder gleichgiltigen For-
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