Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.nichtssagend die Gestalten der Geschichte und der einzelnen Künste, so ergrei¬ Die Künstlergruppe. die sich in den dreißiger Jahren um Cornelius in Mün¬ Grenzboten IV. 1858, 8
nichtssagend die Gestalten der Geschichte und der einzelnen Künste, so ergrei¬ Die Künstlergruppe. die sich in den dreißiger Jahren um Cornelius in Mün¬ Grenzboten IV. 1858, 8
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nichtssagend die Gestalten der Geschichte und der einzelnen Künste, so ergrei¬
fend und charakteristisch ist das Bild der Sage, die mit den unterirdischen
Mächten verkehrt und von finsterm Dümonengeiste beherrscht wird. Auch auf
dem Carton der Völkerscheidung erscheinen die Repräsentanten der niederen
Ra?en ungleich schärfer und tiefer gefaßt, als die Gruppen, in welchen die
reine, entwicklungsreiche Menschheit geschildert werden soll. — Zusammen¬
gehalten mit den ältern Meistern der Ausstellung zeigen die zuletzt genannten
Künstler einen reicheren und größeren Inhalt. Sie haben neue Gedanken¬
kreise der Malerei zugeführt, die Aufmerksamkeit aus Motive von unbestreit¬
barer Mächtigkeit gelenkt, Kraft und Kühnheit in die Auffassung der letzteren
gebracht. Das reine Formengefühl freilich findet bei ihnen keine vollkommene
Befriedigung, die einfache Schönheit, der Wohllaut, der aus den Werken
von Carstens, Wächter und Schick spricht, keine heimathliche Stätte. Mit
dem Großartigen. Tiefsinnigen oder Geistreichen ihrer Intentionen beschäf¬
tigt, hatten sie keine Muße.'nach Art des alten Idealismus die an und für
sich giltigen Formengesetze zu durchdringen oder sie fanden sie gar in denselben
Schranken für die freie Verkörperung ihrer Phantasiegebilde, welche durch¬
brochen werden mußten. Es wird gewöhnlich erst in Kaulbachs Werken das
Vorwalten des ironischen Elementes wahrgenommen und als Eigenthümlich¬
keit des Meisters betont. Daß es in dem Verhalten des Künstlers zu dem
darzustellenden Motiv schon früher bestand, zeigt Koch, der seinem „Tiroler
Landsturm" noch einen besonderen pikanten Reiz einzuverleiben meinte, indem
er zu Hofers Füßen einen Schlund sich öffnen lirß. aus dem eine Schlange
emporsteigt, und welcher die Ueberschrift: I'cMiea hat. Ist aber nicht auch
in der von.Cornelius beliebten Formengebung. in den alle Existenzbedingungen
vernichtenden Maßverhältnissen eine gewisse Ironie gegen die Formengesetze
enthalten? Jedenfalls hindert dieser Zug den Künstler, eine legislatorische
Wirksamkeit zu entfalten, wie sie in einem bestimmten Kreise Carstens un¬
zweifelhaft übt und noch geraume Zeit bewahren wird.
Die Künstlergruppe. die sich in den dreißiger Jahren um Cornelius in Mün¬
chen, an Schadow in Düsseldorf anschloß , ebenso die älteren berliner Maler
fanden in der Ausstellung nur eine ungenügende Vertretung. Ob eine glän¬
zendere Repräsentation derselben die alte, dem jüngeren Geschlechte kaum
mehr begreifliche Liebe des Publicums zurückgebracht hätte, ob in unserer Brust
uoch immer Sympathien für die schwächlichen, in Leiden halbaufgelösten Ge¬
stüten der älteren düsscldorfer Schule ruhen, ob wir noch immer den am
geblieben Gedankenernst, der in Cornelius Schule heimisch war. so gewaltig
hoch stellen, daß wir darüber die Formenrohheit, den oberflächlichen Dilettan¬
tismus im eigentlichen Malerischen vergessen, darf man wol bezweifeln. Stein-
brücks Elfen und Klöbers Nymphen zeigen uns jetzt nur den argen Abfall
Grenzboten IV. 1858, 8
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