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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Dennoch hat er bisher nur in kleinen, versprengten Gemeinden aufgehen kön¬
nen. Es mögen etliche 6--7000 Evangelische nach und nach ihr katholisches Kreuz
und ihr Knien wieder verlernt haben. Sie sind über das ganze Land in kleinen
Häuflein verstreut. und es ist nach Möglichkeit dafür gesorgt, daß sie uicht
durch ihr Beispiel zu verführerisch wirken. Hier und da freilich hat man nicht
verhindern können, daß alte protestantische Bethäuser von ihnen angekauft
und ihrem Zwecke wieder zurückgegeben wurden. Dieser Bethäuser gibt es
in Steiermark eine hübsche Anzahl; einige sind förmliche Kirchen gewesen, und
man hat ihre ursprüngliche Bestimmung unter der Verklebung und Ueber¬
mauerung nie ganz verbergen können. So z. B. die zum Wohnhaus um¬
gewandelte Kirche zwischen Brück und Bärncck, an welcher noch die gothischen
Fenster und Strebepfeiler deutlich kenntlich sind. Andere benutzt man heutigen
Tages noch als Heumagazine, Futterscheuern und wie eben die Räumlichkeit
sich verwenden läßt. Fast allen ist ein evangelischer Spruch gemeinsam, dessen
Eigenthümlichkeit meistens darin besteht, daß keines Heiligen Erwähnung
gethan wird. Es lassen sich diese Sprüche theilweise bis auf die Zeit
der Hussiten zurückführen; sie finden sich auch an manchen Wohnhäusern und
zwar nicht in Steiermark allein, sondern selbst in Gegenden, wo alles Ke¬
tzerische mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden ist. Nicht selten gesellt
sich ihnen ein seuerlöschender Florian neuern Ursprungs oder eine "Mutter Maria,
bitte für uns!" zu. Einer dieser Sprüche und zwar ein sehr alter, sei wegen
seiner puritanischen Herbheit hierher gesetzt, da er den ernsten Geist seiner Zeit
trefflich charakterisirt:

In Brück, dem frühern Brennpunkt der Bewegung, ist erst vor Kurzem
eine protestantische Kirche wieder entstanden. Die Prediger kommen vor der
Hand noch aus den Nachbargemeinden herüber, doch scheint Aussicht, daß die
vruSer Gemeinde hinreichende Anziehungskraft ausüben wird, um eine selbst¬
ständige Stellung zu gewinnen. In Gratz hat sich schon früher der Protestan¬
tismus aufeigene Füße gestellt. Ohnlängst ist ihm, indem man einen gebildeten
Gönner katholischer Confession vorschob, der Ankauf eines alten Bethauses
gelungen, welches eine strenggläubige Frau besaß und um keinen Preis an
die Protestanten zurückgelangen lassen wollte. An der salzburger Grenze,
in dem überwiegend protestantischen Städtchen Schladming, hat es die Ge-


Dennoch hat er bisher nur in kleinen, versprengten Gemeinden aufgehen kön¬
nen. Es mögen etliche 6—7000 Evangelische nach und nach ihr katholisches Kreuz
und ihr Knien wieder verlernt haben. Sie sind über das ganze Land in kleinen
Häuflein verstreut. und es ist nach Möglichkeit dafür gesorgt, daß sie uicht
durch ihr Beispiel zu verführerisch wirken. Hier und da freilich hat man nicht
verhindern können, daß alte protestantische Bethäuser von ihnen angekauft
und ihrem Zwecke wieder zurückgegeben wurden. Dieser Bethäuser gibt es
in Steiermark eine hübsche Anzahl; einige sind förmliche Kirchen gewesen, und
man hat ihre ursprüngliche Bestimmung unter der Verklebung und Ueber¬
mauerung nie ganz verbergen können. So z. B. die zum Wohnhaus um¬
gewandelte Kirche zwischen Brück und Bärncck, an welcher noch die gothischen
Fenster und Strebepfeiler deutlich kenntlich sind. Andere benutzt man heutigen
Tages noch als Heumagazine, Futterscheuern und wie eben die Räumlichkeit
sich verwenden läßt. Fast allen ist ein evangelischer Spruch gemeinsam, dessen
Eigenthümlichkeit meistens darin besteht, daß keines Heiligen Erwähnung
gethan wird. Es lassen sich diese Sprüche theilweise bis auf die Zeit
der Hussiten zurückführen; sie finden sich auch an manchen Wohnhäusern und
zwar nicht in Steiermark allein, sondern selbst in Gegenden, wo alles Ke¬
tzerische mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden ist. Nicht selten gesellt
sich ihnen ein seuerlöschender Florian neuern Ursprungs oder eine „Mutter Maria,
bitte für uns!" zu. Einer dieser Sprüche und zwar ein sehr alter, sei wegen
seiner puritanischen Herbheit hierher gesetzt, da er den ernsten Geist seiner Zeit
trefflich charakterisirt:

In Brück, dem frühern Brennpunkt der Bewegung, ist erst vor Kurzem
eine protestantische Kirche wieder entstanden. Die Prediger kommen vor der
Hand noch aus den Nachbargemeinden herüber, doch scheint Aussicht, daß die
vruSer Gemeinde hinreichende Anziehungskraft ausüben wird, um eine selbst¬
ständige Stellung zu gewinnen. In Gratz hat sich schon früher der Protestan¬
tismus aufeigene Füße gestellt. Ohnlängst ist ihm, indem man einen gebildeten
Gönner katholischer Confession vorschob, der Ankauf eines alten Bethauses
gelungen, welches eine strenggläubige Frau besaß und um keinen Preis an
die Protestanten zurückgelangen lassen wollte. An der salzburger Grenze,
in dem überwiegend protestantischen Städtchen Schladming, hat es die Ge-


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[0511] Dennoch hat er bisher nur in kleinen, versprengten Gemeinden aufgehen kön¬ nen. Es mögen etliche 6—7000 Evangelische nach und nach ihr katholisches Kreuz und ihr Knien wieder verlernt haben. Sie sind über das ganze Land in kleinen Häuflein verstreut. und es ist nach Möglichkeit dafür gesorgt, daß sie uicht durch ihr Beispiel zu verführerisch wirken. Hier und da freilich hat man nicht verhindern können, daß alte protestantische Bethäuser von ihnen angekauft und ihrem Zwecke wieder zurückgegeben wurden. Dieser Bethäuser gibt es in Steiermark eine hübsche Anzahl; einige sind förmliche Kirchen gewesen, und man hat ihre ursprüngliche Bestimmung unter der Verklebung und Ueber¬ mauerung nie ganz verbergen können. So z. B. die zum Wohnhaus um¬ gewandelte Kirche zwischen Brück und Bärncck, an welcher noch die gothischen Fenster und Strebepfeiler deutlich kenntlich sind. Andere benutzt man heutigen Tages noch als Heumagazine, Futterscheuern und wie eben die Räumlichkeit sich verwenden läßt. Fast allen ist ein evangelischer Spruch gemeinsam, dessen Eigenthümlichkeit meistens darin besteht, daß keines Heiligen Erwähnung gethan wird. Es lassen sich diese Sprüche theilweise bis auf die Zeit der Hussiten zurückführen; sie finden sich auch an manchen Wohnhäusern und zwar nicht in Steiermark allein, sondern selbst in Gegenden, wo alles Ke¬ tzerische mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden ist. Nicht selten gesellt sich ihnen ein seuerlöschender Florian neuern Ursprungs oder eine „Mutter Maria, bitte für uns!" zu. Einer dieser Sprüche und zwar ein sehr alter, sei wegen seiner puritanischen Herbheit hierher gesetzt, da er den ernsten Geist seiner Zeit trefflich charakterisirt: In Brück, dem frühern Brennpunkt der Bewegung, ist erst vor Kurzem eine protestantische Kirche wieder entstanden. Die Prediger kommen vor der Hand noch aus den Nachbargemeinden herüber, doch scheint Aussicht, daß die vruSer Gemeinde hinreichende Anziehungskraft ausüben wird, um eine selbst¬ ständige Stellung zu gewinnen. In Gratz hat sich schon früher der Protestan¬ tismus aufeigene Füße gestellt. Ohnlängst ist ihm, indem man einen gebildeten Gönner katholischer Confession vorschob, der Ankauf eines alten Bethauses gelungen, welches eine strenggläubige Frau besaß und um keinen Preis an die Protestanten zurückgelangen lassen wollte. An der salzburger Grenze, in dem überwiegend protestantischen Städtchen Schladming, hat es die Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/511>, abgerufen am 06.02.2025.