Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

führlich hört, und so lassen wir ihn im Folgenden zunächst ohne Widerlegung
des Punktes sprechen, welchen wir anfechten müssen. Beseler hält es,
um das Resultat seiner Betrachtungen an die Spitze zu stellen, für
den einzig richtigen Weg, wenn die Stände "an der Hand der stets
aufs Neue gemachten Ersahrungen die ihnen dargebotene Gelegenheit
ergreifen, um es gegen ihren Landeshcrm in ehrerbietiger, aber ge¬
messener Weise auszusprechen, daß auf der Basis der Bekanntmachung vom
28. Januar 1852 für Holstein keine Verfassung und Verwaltung gebaut wer¬
den können, die dem Lande auch nur eine erträgliche Zukunft sicherten, daß
vielmehr auf den Zustand vor 1 848, aus die reine Personalunion
zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zurückgegangen
werden müsse.

Der Weg, aus dem er zu diesem Schlüsse gelangt, ist folgender: Die
Bekanntmachung vom 28. Januar 1352 verwandelte den bisherigen Complex
der durch Personalunion verbundenen Staaten Dänemark, Schleswig-Holstein
und Lauenburg in einen Staat; denn niemand kann leugnen, daß ein Terri-
torium^mit gemeinschaftlicher Regierung und repräsentativer Verfassung, mit
gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung ein Staat ist. Vollkommen
gleichgiltig ist es. ob man eine solche politische Schöpfung Staat oder Ge-
sammtstaat nennt. Ein Gesammtstaat ist eben ein Staat mit eigenthümlichen
provinziellen Einrichtungen. Jene Bekanntmachung trennt sodann Holstein
und Schleswig in Verfassung völlig voneinander und läßt ihnen in Gesetz-,
gebung und Verwaltung nur unbedeutende Neste ihrer frühern Gemeinschaft;
nur sofern beide Herzogthümer zum dänischen Staate gehören, haben sie mit
dem Königreich Dänemark und Lauenburg in den allgemeinen Angelegenheiten,
die in dieser Gesammtmonarch'? vorzugsweise zu den Staatsangelegenheiten
gezählt werden, gemeinschaftliche Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung.
In der Bekanntmachung werden endlich die gemeinschaftlichen und die beson¬
dern Angelegenheiten genau voneinander geschieden und demgemäß die Res¬
sortverhältnisse der Staats- und Provinzialminister und die Befugnisse der
Stände der beiden Herzogthümer abgegrenzt, so wie schließlich transitorische
Verfügungen getroffen. Fragt man nun, ob man sich, abgesehn von der
Domänenfrage und der bisher unterlassener Befragung der Stände über die
Gesammtverfassung, auf den Buchstaben oder auch nur den Geist jener Be¬
kanntmachung berufen könne, um eine Besserung der jetzigen Zustände zu for¬
dern, so ist zu antworten, daß die Bekanntmachung zu einer solchen Forderung
keinen Anhalt bietet. Selbst da" Verfassungsgesetz vom 2. Oct. 1852, die
entsprechenden Paragraphen der holsteinischen Sonderverfassung und das Ge¬
setz, nach welchem zum Reichsrath gewählt wird, widersprechen der Bekannt¬
machung von 1852 nicht, und sie sind, nachdem der Paragraph 5 der hol-


führlich hört, und so lassen wir ihn im Folgenden zunächst ohne Widerlegung
des Punktes sprechen, welchen wir anfechten müssen. Beseler hält es,
um das Resultat seiner Betrachtungen an die Spitze zu stellen, für
den einzig richtigen Weg, wenn die Stände „an der Hand der stets
aufs Neue gemachten Ersahrungen die ihnen dargebotene Gelegenheit
ergreifen, um es gegen ihren Landeshcrm in ehrerbietiger, aber ge¬
messener Weise auszusprechen, daß auf der Basis der Bekanntmachung vom
28. Januar 1852 für Holstein keine Verfassung und Verwaltung gebaut wer¬
den können, die dem Lande auch nur eine erträgliche Zukunft sicherten, daß
vielmehr auf den Zustand vor 1 848, aus die reine Personalunion
zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zurückgegangen
werden müsse.

Der Weg, aus dem er zu diesem Schlüsse gelangt, ist folgender: Die
Bekanntmachung vom 28. Januar 1352 verwandelte den bisherigen Complex
der durch Personalunion verbundenen Staaten Dänemark, Schleswig-Holstein
und Lauenburg in einen Staat; denn niemand kann leugnen, daß ein Terri-
torium^mit gemeinschaftlicher Regierung und repräsentativer Verfassung, mit
gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung ein Staat ist. Vollkommen
gleichgiltig ist es. ob man eine solche politische Schöpfung Staat oder Ge-
sammtstaat nennt. Ein Gesammtstaat ist eben ein Staat mit eigenthümlichen
provinziellen Einrichtungen. Jene Bekanntmachung trennt sodann Holstein
und Schleswig in Verfassung völlig voneinander und läßt ihnen in Gesetz-,
gebung und Verwaltung nur unbedeutende Neste ihrer frühern Gemeinschaft;
nur sofern beide Herzogthümer zum dänischen Staate gehören, haben sie mit
dem Königreich Dänemark und Lauenburg in den allgemeinen Angelegenheiten,
die in dieser Gesammtmonarch'? vorzugsweise zu den Staatsangelegenheiten
gezählt werden, gemeinschaftliche Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung.
In der Bekanntmachung werden endlich die gemeinschaftlichen und die beson¬
dern Angelegenheiten genau voneinander geschieden und demgemäß die Res¬
sortverhältnisse der Staats- und Provinzialminister und die Befugnisse der
Stände der beiden Herzogthümer abgegrenzt, so wie schließlich transitorische
Verfügungen getroffen. Fragt man nun, ob man sich, abgesehn von der
Domänenfrage und der bisher unterlassener Befragung der Stände über die
Gesammtverfassung, auf den Buchstaben oder auch nur den Geist jener Be¬
kanntmachung berufen könne, um eine Besserung der jetzigen Zustände zu for¬
dern, so ist zu antworten, daß die Bekanntmachung zu einer solchen Forderung
keinen Anhalt bietet. Selbst da« Verfassungsgesetz vom 2. Oct. 1852, die
entsprechenden Paragraphen der holsteinischen Sonderverfassung und das Ge¬
setz, nach welchem zum Reichsrath gewählt wird, widersprechen der Bekannt¬
machung von 1852 nicht, und sie sind, nachdem der Paragraph 5 der hol-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266299"/>
          <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395"> führlich hört, und so lassen wir ihn im Folgenden zunächst ohne Widerlegung<lb/>
des Punktes sprechen, welchen wir anfechten müssen. Beseler hält es,<lb/>
um das Resultat seiner Betrachtungen an die Spitze zu stellen, für<lb/>
den einzig richtigen Weg, wenn die Stände &#x201E;an der Hand der stets<lb/>
aufs Neue gemachten Ersahrungen die ihnen dargebotene Gelegenheit<lb/>
ergreifen, um es gegen ihren Landeshcrm in ehrerbietiger, aber ge¬<lb/>
messener Weise auszusprechen, daß auf der Basis der Bekanntmachung vom<lb/>
28. Januar 1852 für Holstein keine Verfassung und Verwaltung gebaut wer¬<lb/>
den können, die dem Lande auch nur eine erträgliche Zukunft sicherten, daß<lb/>
vielmehr auf den Zustand vor 1 848, aus die reine Personalunion<lb/>
zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zurückgegangen<lb/>
werden müsse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1397" next="#ID_1398"> Der Weg, aus dem er zu diesem Schlüsse gelangt, ist folgender: Die<lb/>
Bekanntmachung vom 28. Januar 1352 verwandelte den bisherigen Complex<lb/>
der durch Personalunion verbundenen Staaten Dänemark, Schleswig-Holstein<lb/>
und Lauenburg in einen Staat; denn niemand kann leugnen, daß ein Terri-<lb/>
torium^mit gemeinschaftlicher Regierung und repräsentativer Verfassung, mit<lb/>
gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung ein Staat ist. Vollkommen<lb/>
gleichgiltig ist es. ob man eine solche politische Schöpfung Staat oder Ge-<lb/>
sammtstaat nennt. Ein Gesammtstaat ist eben ein Staat mit eigenthümlichen<lb/>
provinziellen Einrichtungen. Jene Bekanntmachung trennt sodann Holstein<lb/>
und Schleswig in Verfassung völlig voneinander und läßt ihnen in Gesetz-,<lb/>
gebung und Verwaltung nur unbedeutende Neste ihrer frühern Gemeinschaft;<lb/>
nur sofern beide Herzogthümer zum dänischen Staate gehören, haben sie mit<lb/>
dem Königreich Dänemark und Lauenburg in den allgemeinen Angelegenheiten,<lb/>
die in dieser Gesammtmonarch'? vorzugsweise zu den Staatsangelegenheiten<lb/>
gezählt werden, gemeinschaftliche Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung.<lb/>
In der Bekanntmachung werden endlich die gemeinschaftlichen und die beson¬<lb/>
dern Angelegenheiten genau voneinander geschieden und demgemäß die Res¬<lb/>
sortverhältnisse der Staats- und Provinzialminister und die Befugnisse der<lb/>
Stände der beiden Herzogthümer abgegrenzt, so wie schließlich transitorische<lb/>
Verfügungen getroffen. Fragt man nun, ob man sich, abgesehn von der<lb/>
Domänenfrage und der bisher unterlassener Befragung der Stände über die<lb/>
Gesammtverfassung, auf den Buchstaben oder auch nur den Geist jener Be¬<lb/>
kanntmachung berufen könne, um eine Besserung der jetzigen Zustände zu for¬<lb/>
dern, so ist zu antworten, daß die Bekanntmachung zu einer solchen Forderung<lb/>
keinen Anhalt bietet. Selbst da« Verfassungsgesetz vom 2. Oct. 1852, die<lb/>
entsprechenden Paragraphen der holsteinischen Sonderverfassung und das Ge¬<lb/>
setz, nach welchem zum Reichsrath gewählt wird, widersprechen der Bekannt¬<lb/>
machung von 1852 nicht, und sie sind, nachdem der Paragraph 5 der hol-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0490] führlich hört, und so lassen wir ihn im Folgenden zunächst ohne Widerlegung des Punktes sprechen, welchen wir anfechten müssen. Beseler hält es, um das Resultat seiner Betrachtungen an die Spitze zu stellen, für den einzig richtigen Weg, wenn die Stände „an der Hand der stets aufs Neue gemachten Ersahrungen die ihnen dargebotene Gelegenheit ergreifen, um es gegen ihren Landeshcrm in ehrerbietiger, aber ge¬ messener Weise auszusprechen, daß auf der Basis der Bekanntmachung vom 28. Januar 1852 für Holstein keine Verfassung und Verwaltung gebaut wer¬ den können, die dem Lande auch nur eine erträgliche Zukunft sicherten, daß vielmehr auf den Zustand vor 1 848, aus die reine Personalunion zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zurückgegangen werden müsse. Der Weg, aus dem er zu diesem Schlüsse gelangt, ist folgender: Die Bekanntmachung vom 28. Januar 1352 verwandelte den bisherigen Complex der durch Personalunion verbundenen Staaten Dänemark, Schleswig-Holstein und Lauenburg in einen Staat; denn niemand kann leugnen, daß ein Terri- torium^mit gemeinschaftlicher Regierung und repräsentativer Verfassung, mit gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung ein Staat ist. Vollkommen gleichgiltig ist es. ob man eine solche politische Schöpfung Staat oder Ge- sammtstaat nennt. Ein Gesammtstaat ist eben ein Staat mit eigenthümlichen provinziellen Einrichtungen. Jene Bekanntmachung trennt sodann Holstein und Schleswig in Verfassung völlig voneinander und läßt ihnen in Gesetz-, gebung und Verwaltung nur unbedeutende Neste ihrer frühern Gemeinschaft; nur sofern beide Herzogthümer zum dänischen Staate gehören, haben sie mit dem Königreich Dänemark und Lauenburg in den allgemeinen Angelegenheiten, die in dieser Gesammtmonarch'? vorzugsweise zu den Staatsangelegenheiten gezählt werden, gemeinschaftliche Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung. In der Bekanntmachung werden endlich die gemeinschaftlichen und die beson¬ dern Angelegenheiten genau voneinander geschieden und demgemäß die Res¬ sortverhältnisse der Staats- und Provinzialminister und die Befugnisse der Stände der beiden Herzogthümer abgegrenzt, so wie schließlich transitorische Verfügungen getroffen. Fragt man nun, ob man sich, abgesehn von der Domänenfrage und der bisher unterlassener Befragung der Stände über die Gesammtverfassung, auf den Buchstaben oder auch nur den Geist jener Be¬ kanntmachung berufen könne, um eine Besserung der jetzigen Zustände zu for¬ dern, so ist zu antworten, daß die Bekanntmachung zu einer solchen Forderung keinen Anhalt bietet. Selbst da« Verfassungsgesetz vom 2. Oct. 1852, die entsprechenden Paragraphen der holsteinischen Sonderverfassung und das Ge¬ setz, nach welchem zum Reichsrath gewählt wird, widersprechen der Bekannt¬ machung von 1852 nicht, und sie sind, nachdem der Paragraph 5 der hol-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/490
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/490>, abgerufen am 03.07.2024.