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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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aus. Er besteht aus einem von dem Souverciin der Schutzmacht auf fünf
Jahre ernannten Präsidenten und fünf Mitgliedern, von denen Korfu, Cepha-
lonia, Zarte und Santa Maura je eins, die übrigen Inseln abwechselnd eins
stellen. Diese Senatoren werden vom Lordobercommissär ernannt, und zwar
müssen drei von den fünfen stets aus dem Abgeordnetenhauses genommen wer¬
den. Die Dauer des Senats wie des Abgeordnetenhauses ist fünf Jahre.
Der Lordobercommissär hat das Recht, diese Körperschaften zu vertagen, auf¬
lösen aber kann sie nur der Souverän der Schutzmacht. Die Abgeordneten¬
kammer besteht aus 42 Deputaten, von denen Korfu, Cephalonia und Zarte
je 10, Santa Maura 6, Ithaka, Cerigo und Paxo je 2 senden. Die Abge¬
ordneten werden vom Volke erwählt und zwar direct. Sie kommen ein Jahr
um das andere in Korfu zusammen. Die Session beginnt am 1. März.
Die Verwaltung der Finanzen des Staates ist mit Ausnahme von 38,00"
Pfd. Se., die von den Einnahmen abgezogen und auf militärische Zwecke,
so wie auf Besoldung der obersten Beamten verwendet werden, ganz in den
Händen der Volksvertretung.

Die richterliche Gewalt ist durch ein Oberappellationsgericht, welches in
Korfu seinen Sitz hat, und durch Civil-, Criminal- und Polizeigerichte auf
den einzelnen Inseln vertreten. Als Gesetzbuch dient diesen Behörden jetzt
eine Sammlung von Bestimmungen, welche auf den Code Napoleon gegründet
sind, während man früher nach einer wirren und widerspruchsvollen Masse
venetianischer Edicte entschied.

Die griechische Kirche wurde durch die Verfassung von 1817 in ihre den
Verhältnissen entsprechende Stelle eingesetzt. Sie ist die herrrschende auf den
Inseln. Einige der Sprengel sind sehr alt; denn Namen von jonischen Bi¬
schöfen (z. B. der des heiligen Spiridion. des Schutzpatrons von Korfu)
kommen schon in den Urkunden der frühsten Kirchenversammlungen vor. Ge¬
genwärtig hat jede der sieben Inseln ihren eignen Bischof, der von der Geist¬
lichkeit gewählt und von dem Senat und dem Obercvmmissär bestätigt wird.
Als oberstes Haupt der jonischen Kirche gilt der Patriarch von Konstantinopel.
Die Bischöfe der Sprengel Korcyra. Cephalonia, Zakynthos und Leukas
werden Metropoliten genannt und haben den Rang von Erzbischöfen. Sie
bekleiden wechselweise das Amt eines Eparchos, welcher das Medium des
Verkehrs der Kirche mit dem Patriarchen ist. Die römisch-katholische Kirche,
welche auf den Inseln etwa 5000 Bekenner zählt, hat in Korfu einen Bischof.

Von dem durch die Venetianer geschaffenen Adel sind noch einige fünfzig
Familien übrig, welche den Grafentitel führen. Die wichtigsten öffentlichen
Anstalten: ein Krankenhaus, eine Irrenanstalt, ein Findelhaus und ein Zucht¬
haus befinden sich in der Stadt Korfu. Für die Erziehung ist im Vergleich
mit andern südlichen Ländern viel gethan. Man verwendet jährlich mehr als


aus. Er besteht aus einem von dem Souverciin der Schutzmacht auf fünf
Jahre ernannten Präsidenten und fünf Mitgliedern, von denen Korfu, Cepha-
lonia, Zarte und Santa Maura je eins, die übrigen Inseln abwechselnd eins
stellen. Diese Senatoren werden vom Lordobercommissär ernannt, und zwar
müssen drei von den fünfen stets aus dem Abgeordnetenhauses genommen wer¬
den. Die Dauer des Senats wie des Abgeordnetenhauses ist fünf Jahre.
Der Lordobercommissär hat das Recht, diese Körperschaften zu vertagen, auf¬
lösen aber kann sie nur der Souverän der Schutzmacht. Die Abgeordneten¬
kammer besteht aus 42 Deputaten, von denen Korfu, Cephalonia und Zarte
je 10, Santa Maura 6, Ithaka, Cerigo und Paxo je 2 senden. Die Abge¬
ordneten werden vom Volke erwählt und zwar direct. Sie kommen ein Jahr
um das andere in Korfu zusammen. Die Session beginnt am 1. März.
Die Verwaltung der Finanzen des Staates ist mit Ausnahme von 38,00»
Pfd. Se., die von den Einnahmen abgezogen und auf militärische Zwecke,
so wie auf Besoldung der obersten Beamten verwendet werden, ganz in den
Händen der Volksvertretung.

Die richterliche Gewalt ist durch ein Oberappellationsgericht, welches in
Korfu seinen Sitz hat, und durch Civil-, Criminal- und Polizeigerichte auf
den einzelnen Inseln vertreten. Als Gesetzbuch dient diesen Behörden jetzt
eine Sammlung von Bestimmungen, welche auf den Code Napoleon gegründet
sind, während man früher nach einer wirren und widerspruchsvollen Masse
venetianischer Edicte entschied.

Die griechische Kirche wurde durch die Verfassung von 1817 in ihre den
Verhältnissen entsprechende Stelle eingesetzt. Sie ist die herrrschende auf den
Inseln. Einige der Sprengel sind sehr alt; denn Namen von jonischen Bi¬
schöfen (z. B. der des heiligen Spiridion. des Schutzpatrons von Korfu)
kommen schon in den Urkunden der frühsten Kirchenversammlungen vor. Ge¬
genwärtig hat jede der sieben Inseln ihren eignen Bischof, der von der Geist¬
lichkeit gewählt und von dem Senat und dem Obercvmmissär bestätigt wird.
Als oberstes Haupt der jonischen Kirche gilt der Patriarch von Konstantinopel.
Die Bischöfe der Sprengel Korcyra. Cephalonia, Zakynthos und Leukas
werden Metropoliten genannt und haben den Rang von Erzbischöfen. Sie
bekleiden wechselweise das Amt eines Eparchos, welcher das Medium des
Verkehrs der Kirche mit dem Patriarchen ist. Die römisch-katholische Kirche,
welche auf den Inseln etwa 5000 Bekenner zählt, hat in Korfu einen Bischof.

Von dem durch die Venetianer geschaffenen Adel sind noch einige fünfzig
Familien übrig, welche den Grafentitel führen. Die wichtigsten öffentlichen
Anstalten: ein Krankenhaus, eine Irrenanstalt, ein Findelhaus und ein Zucht¬
haus befinden sich in der Stadt Korfu. Für die Erziehung ist im Vergleich
mit andern südlichen Ländern viel gethan. Man verwendet jährlich mehr als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/478>, abgerufen am 01.07.2024.