Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Urtheil leidenschaftslos und doch warm, man lernt den Dichter lieben und
ehren, ohne seine Schwächen Zu verkennen.

Schillers Briefe zeichnen sich durch eine Aufrichtigkeit aus, der wir nicht
viel in dieser Literatur an die Seite zu setzen hab"n. sie malen uns deutlicher
als irgend eins seiner poetischen Werke diese starke Willenskraft, für die es
keine Unmöglichkeit gibt, dies unablässige Ringen, das auch da Bewunderung
abnöthigt, wo es in entschiedene Fehlgriffe verfällt. Es ist in diesen Briefen
eine ganz andere Wahrheit als in Rousseaus Bekenntnissen, der doch ein
Ideal ausmalt, wenn auch ein verkehrtes. Da diese Briefe. abgesehW von
den großen Massen der Korrespondenz mit Humboldt, Körner und Goethe in
verschiedene Sammlungen verzettelt sind, so lag der Wunsch nahe, sie in einer
einzigen chronologisch geordneten vereinigt zu sehen. Die vorliegende Samm¬
lung gibt nur die Briefe Schillers: eine Beschränkung, die wahrscheinlich durch
juristische Bedenken geboten war. Der Sammler Hütte übrigens die neue
Ausgabe der Goethescher Correspondenz sorgfältiger benutzen sollen.

Das neue Heft von Koberst ein behandelt die wichtige Periode von
1794 bis etwa 1802 mit der umfassenden Gründlichkeit und Objectivität, die
diesen Gelehrten so sehr auszeichnet. Möchte er uns recht bald mit einer
Fortsetzung erfreuen. Die beiden andern kleinen Schriften sind geistvolle Com-
mentare zu einzelnen Phasen in Schillers Entwickelung.


I- S.


Der Protestantismus in Ungarn.

Das gebildete Publicum Deutschlands, welches die geistigen Regungen
im Ausland mit Aufmerksamkeit zu verfolgen gewöhnt ist, hört sicher auch
mit Interesse die Nachrichten, welche hier und da die öffentlichen Blätter über
die Zustände der Protestanten in Oestreich, und speciell in Ungarn bringen,
in welcher Provinz des östreichischen Staates die größere Freiheit, deren sich
die evangelische Kirche daselbst zu erfreuen hatte, und die Beschränkungen, de-
nen dieselbe in der letzten Zeit unterworfen wurde, die allgemeine Theilnahme
im erhöhten Maß in Anspruch nehmen. Seit Jahren wiederholt sich von
Zeit zu Zeit in den officiellen und inspirirter Blättern die Notiz, daß den
nach Wien gesandten Deputationen der ungarischen Protestanten eine baldige
Aufhebung des Provisoriums, in welchem sich die Zustände der Kirche seit
dem Jahr 1850 befinden, und eine definitive Regelung ihrer kirchlichen An-


Urtheil leidenschaftslos und doch warm, man lernt den Dichter lieben und
ehren, ohne seine Schwächen Zu verkennen.

Schillers Briefe zeichnen sich durch eine Aufrichtigkeit aus, der wir nicht
viel in dieser Literatur an die Seite zu setzen hab«n. sie malen uns deutlicher
als irgend eins seiner poetischen Werke diese starke Willenskraft, für die es
keine Unmöglichkeit gibt, dies unablässige Ringen, das auch da Bewunderung
abnöthigt, wo es in entschiedene Fehlgriffe verfällt. Es ist in diesen Briefen
eine ganz andere Wahrheit als in Rousseaus Bekenntnissen, der doch ein
Ideal ausmalt, wenn auch ein verkehrtes. Da diese Briefe. abgesehW von
den großen Massen der Korrespondenz mit Humboldt, Körner und Goethe in
verschiedene Sammlungen verzettelt sind, so lag der Wunsch nahe, sie in einer
einzigen chronologisch geordneten vereinigt zu sehen. Die vorliegende Samm¬
lung gibt nur die Briefe Schillers: eine Beschränkung, die wahrscheinlich durch
juristische Bedenken geboten war. Der Sammler Hütte übrigens die neue
Ausgabe der Goethescher Correspondenz sorgfältiger benutzen sollen.

Das neue Heft von Koberst ein behandelt die wichtige Periode von
1794 bis etwa 1802 mit der umfassenden Gründlichkeit und Objectivität, die
diesen Gelehrten so sehr auszeichnet. Möchte er uns recht bald mit einer
Fortsetzung erfreuen. Die beiden andern kleinen Schriften sind geistvolle Com-
mentare zu einzelnen Phasen in Schillers Entwickelung.


I- S.


Der Protestantismus in Ungarn.

Das gebildete Publicum Deutschlands, welches die geistigen Regungen
im Ausland mit Aufmerksamkeit zu verfolgen gewöhnt ist, hört sicher auch
mit Interesse die Nachrichten, welche hier und da die öffentlichen Blätter über
die Zustände der Protestanten in Oestreich, und speciell in Ungarn bringen,
in welcher Provinz des östreichischen Staates die größere Freiheit, deren sich
die evangelische Kirche daselbst zu erfreuen hatte, und die Beschränkungen, de-
nen dieselbe in der letzten Zeit unterworfen wurde, die allgemeine Theilnahme
im erhöhten Maß in Anspruch nehmen. Seit Jahren wiederholt sich von
Zeit zu Zeit in den officiellen und inspirirter Blättern die Notiz, daß den
nach Wien gesandten Deputationen der ungarischen Protestanten eine baldige
Aufhebung des Provisoriums, in welchem sich die Zustände der Kirche seit
dem Jahr 1850 befinden, und eine definitive Regelung ihrer kirchlichen An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266227"/>
          <p xml:id="ID_1178" prev="#ID_1177"> Urtheil leidenschaftslos und doch warm, man lernt den Dichter lieben und<lb/>
ehren, ohne seine Schwächen Zu verkennen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1179"> Schillers Briefe zeichnen sich durch eine Aufrichtigkeit aus, der wir nicht<lb/>
viel in dieser Literatur an die Seite zu setzen hab«n. sie malen uns deutlicher<lb/>
als irgend eins seiner poetischen Werke diese starke Willenskraft, für die es<lb/>
keine Unmöglichkeit gibt, dies unablässige Ringen, das auch da Bewunderung<lb/>
abnöthigt, wo es in entschiedene Fehlgriffe verfällt. Es ist in diesen Briefen<lb/>
eine ganz andere Wahrheit als in Rousseaus Bekenntnissen, der doch ein<lb/>
Ideal ausmalt, wenn auch ein verkehrtes. Da diese Briefe. abgesehW von<lb/>
den großen Massen der Korrespondenz mit Humboldt, Körner und Goethe in<lb/>
verschiedene Sammlungen verzettelt sind, so lag der Wunsch nahe, sie in einer<lb/>
einzigen chronologisch geordneten vereinigt zu sehen. Die vorliegende Samm¬<lb/>
lung gibt nur die Briefe Schillers: eine Beschränkung, die wahrscheinlich durch<lb/>
juristische Bedenken geboten war. Der Sammler Hütte übrigens die neue<lb/>
Ausgabe der Goethescher Correspondenz sorgfältiger benutzen sollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1180"> Das neue Heft von Koberst ein behandelt die wichtige Periode von<lb/>
1794 bis etwa 1802 mit der umfassenden Gründlichkeit und Objectivität, die<lb/>
diesen Gelehrten so sehr auszeichnet. Möchte er uns recht bald mit einer<lb/>
Fortsetzung erfreuen. Die beiden andern kleinen Schriften sind geistvolle Com-<lb/>
mentare zu einzelnen Phasen in Schillers Entwickelung.</p><lb/>
          <note type="byline"> I- S.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Protestantismus in Ungarn.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1181" next="#ID_1182"> Das gebildete Publicum Deutschlands, welches die geistigen Regungen<lb/>
im Ausland mit Aufmerksamkeit zu verfolgen gewöhnt ist, hört sicher auch<lb/>
mit Interesse die Nachrichten, welche hier und da die öffentlichen Blätter über<lb/>
die Zustände der Protestanten in Oestreich, und speciell in Ungarn bringen,<lb/>
in welcher Provinz des östreichischen Staates die größere Freiheit, deren sich<lb/>
die evangelische Kirche daselbst zu erfreuen hatte, und die Beschränkungen, de-<lb/>
nen dieselbe in der letzten Zeit unterworfen wurde, die allgemeine Theilnahme<lb/>
im erhöhten Maß in Anspruch nehmen. Seit Jahren wiederholt sich von<lb/>
Zeit zu Zeit in den officiellen und inspirirter Blättern die Notiz, daß den<lb/>
nach Wien gesandten Deputationen der ungarischen Protestanten eine baldige<lb/>
Aufhebung des Provisoriums, in welchem sich die Zustände der Kirche seit<lb/>
dem Jahr 1850 befinden, und eine definitive Regelung ihrer kirchlichen An-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0418] Urtheil leidenschaftslos und doch warm, man lernt den Dichter lieben und ehren, ohne seine Schwächen Zu verkennen. Schillers Briefe zeichnen sich durch eine Aufrichtigkeit aus, der wir nicht viel in dieser Literatur an die Seite zu setzen hab«n. sie malen uns deutlicher als irgend eins seiner poetischen Werke diese starke Willenskraft, für die es keine Unmöglichkeit gibt, dies unablässige Ringen, das auch da Bewunderung abnöthigt, wo es in entschiedene Fehlgriffe verfällt. Es ist in diesen Briefen eine ganz andere Wahrheit als in Rousseaus Bekenntnissen, der doch ein Ideal ausmalt, wenn auch ein verkehrtes. Da diese Briefe. abgesehW von den großen Massen der Korrespondenz mit Humboldt, Körner und Goethe in verschiedene Sammlungen verzettelt sind, so lag der Wunsch nahe, sie in einer einzigen chronologisch geordneten vereinigt zu sehen. Die vorliegende Samm¬ lung gibt nur die Briefe Schillers: eine Beschränkung, die wahrscheinlich durch juristische Bedenken geboten war. Der Sammler Hütte übrigens die neue Ausgabe der Goethescher Correspondenz sorgfältiger benutzen sollen. Das neue Heft von Koberst ein behandelt die wichtige Periode von 1794 bis etwa 1802 mit der umfassenden Gründlichkeit und Objectivität, die diesen Gelehrten so sehr auszeichnet. Möchte er uns recht bald mit einer Fortsetzung erfreuen. Die beiden andern kleinen Schriften sind geistvolle Com- mentare zu einzelnen Phasen in Schillers Entwickelung. I- S. Der Protestantismus in Ungarn. Das gebildete Publicum Deutschlands, welches die geistigen Regungen im Ausland mit Aufmerksamkeit zu verfolgen gewöhnt ist, hört sicher auch mit Interesse die Nachrichten, welche hier und da die öffentlichen Blätter über die Zustände der Protestanten in Oestreich, und speciell in Ungarn bringen, in welcher Provinz des östreichischen Staates die größere Freiheit, deren sich die evangelische Kirche daselbst zu erfreuen hatte, und die Beschränkungen, de- nen dieselbe in der letzten Zeit unterworfen wurde, die allgemeine Theilnahme im erhöhten Maß in Anspruch nehmen. Seit Jahren wiederholt sich von Zeit zu Zeit in den officiellen und inspirirter Blättern die Notiz, daß den nach Wien gesandten Deputationen der ungarischen Protestanten eine baldige Aufhebung des Provisoriums, in welchem sich die Zustände der Kirche seit dem Jahr 1850 befinden, und eine definitive Regelung ihrer kirchlichen An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/418
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/418>, abgerufen am 25.07.2024.