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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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low der endliche völlige Sieg verblieb. Friedrich Wilhelm war ein Charakter
von der merkwürdigsten Mischung, der darum die verschiedensten Beurtheilungen
erfahren hat. Ein Autokrat in/vollsten Sinn, aber immer für das Wohl
des Landes thätig, heftig bis zum völligen Bergessen seiner selbst, und doch
den entscheidenden Augenblick schwankend und unentschlossen; gewaltthätig bis
zum eigenmächtigen Umändern der gerichtlichen Urtbeilssprüche, doch nur durch
ein starkes Rechtsgefühl zu solchen Befehlen angetrieben; mißtrauisch und
argwöhnisch und dabei von hingebenden Glauben und offner Gutmüthigkeit
gegen die, die er für seine Freunde hielt; roh, und doch der Bildung die
Wege anbahnend, -- so erscheint er als ein schwer verständliches Bild aus der
Uebergangsperiode vom Mittelalter in die neue Zeit. Mit der ganzen An¬
lage seines Willens, und dem ehrenfester, nicht weiter grübelnden christlichen
Glauben gehört er in die frühere, mit seinen Thaten, seiner vortrefflichen
Verwaltung und seiner Vorliebe für die Soldaten in die neue Zeit. Trotz
seines scharfen Blicks in die Einzelheiten war er in der sogenannten großen
Politik doch völlig unbewandert und unsicher. Friedrich Wilhelm glich hierin
einem soliden Bürger, der sür seinen Hausstand trefflich zu sorgen weiß, und
sich für die praktischen, kleinen Interessen gar sehr auf seinen Vortheil versteht,
außerhalb seiner vier Wände aber gänzlich rathlos erscheint. Aufbrausend im
Zorn, ließ er sich in dem ersten Augenblick oft von seiner Laune hinreißen;
wer ihn aber, wie Grumbkow. kannte, und ihn wieder ruhig werden ließ,
setzte dann gewöhnlich seine Absicht durch, wenn er sie mit gefälligen Gründen
vorbrachte. Grade bei einer solchen Natur ist den Intriguen freier Spielraum
gelassen. Um die Herrschaft zu erringen und zu behalten, verbanden sich
zwei Männer, von ganz verschiednen Charakter, aber in ihrem Streben
nach Herrschaft sich gleich, Fürst Leopold von Anhalt-Dessau und Grumbkow.
Leopold war nur Soldat, Grumbkow nur Höfling und Staatsmann, und
ein jeder wollte nur in seiner Sphäre das Scepter führen. So standen sie
sich nicht im Wege, und ihrer vereinten Macht war niemand gewachsen, selbst
nicht die Königin, die sich höchstens durch kleine persönliche Beleidigungen
rächen konnte.

Es ist nicht unsere Absicht in die Details einzugehn, und zu zeigen, auf
welche Art der Kampf geführt wurde, er war schmählich genug. Der alte
Dessauer besonders hatte hochstrebende Gedanken. Er wollte die älteste Prin¬
zessin seinem Neffen, dem Markgrafen von Schwebt, vermählen, und diesem
dadurch den preußischen Thron sichern, im Fall der schwächliche Kronprinz
Friedrich vor der Zeit sterben sollte. Die Geburt späterer königlicher Prinzen
ließ Leopold von diesem Plan absetzn, aber die Königin bewahrte ihm seit
jener Zeit einen tiefen Groll. Das einfältige Gerücht, daß Anhalt und
Grumbkow sich verschworen hätten, den König und den Kronprinzen bei einer


low der endliche völlige Sieg verblieb. Friedrich Wilhelm war ein Charakter
von der merkwürdigsten Mischung, der darum die verschiedensten Beurtheilungen
erfahren hat. Ein Autokrat in/vollsten Sinn, aber immer für das Wohl
des Landes thätig, heftig bis zum völligen Bergessen seiner selbst, und doch
den entscheidenden Augenblick schwankend und unentschlossen; gewaltthätig bis
zum eigenmächtigen Umändern der gerichtlichen Urtbeilssprüche, doch nur durch
ein starkes Rechtsgefühl zu solchen Befehlen angetrieben; mißtrauisch und
argwöhnisch und dabei von hingebenden Glauben und offner Gutmüthigkeit
gegen die, die er für seine Freunde hielt; roh, und doch der Bildung die
Wege anbahnend, — so erscheint er als ein schwer verständliches Bild aus der
Uebergangsperiode vom Mittelalter in die neue Zeit. Mit der ganzen An¬
lage seines Willens, und dem ehrenfester, nicht weiter grübelnden christlichen
Glauben gehört er in die frühere, mit seinen Thaten, seiner vortrefflichen
Verwaltung und seiner Vorliebe für die Soldaten in die neue Zeit. Trotz
seines scharfen Blicks in die Einzelheiten war er in der sogenannten großen
Politik doch völlig unbewandert und unsicher. Friedrich Wilhelm glich hierin
einem soliden Bürger, der sür seinen Hausstand trefflich zu sorgen weiß, und
sich für die praktischen, kleinen Interessen gar sehr auf seinen Vortheil versteht,
außerhalb seiner vier Wände aber gänzlich rathlos erscheint. Aufbrausend im
Zorn, ließ er sich in dem ersten Augenblick oft von seiner Laune hinreißen;
wer ihn aber, wie Grumbkow. kannte, und ihn wieder ruhig werden ließ,
setzte dann gewöhnlich seine Absicht durch, wenn er sie mit gefälligen Gründen
vorbrachte. Grade bei einer solchen Natur ist den Intriguen freier Spielraum
gelassen. Um die Herrschaft zu erringen und zu behalten, verbanden sich
zwei Männer, von ganz verschiednen Charakter, aber in ihrem Streben
nach Herrschaft sich gleich, Fürst Leopold von Anhalt-Dessau und Grumbkow.
Leopold war nur Soldat, Grumbkow nur Höfling und Staatsmann, und
ein jeder wollte nur in seiner Sphäre das Scepter führen. So standen sie
sich nicht im Wege, und ihrer vereinten Macht war niemand gewachsen, selbst
nicht die Königin, die sich höchstens durch kleine persönliche Beleidigungen
rächen konnte.

Es ist nicht unsere Absicht in die Details einzugehn, und zu zeigen, auf
welche Art der Kampf geführt wurde, er war schmählich genug. Der alte
Dessauer besonders hatte hochstrebende Gedanken. Er wollte die älteste Prin¬
zessin seinem Neffen, dem Markgrafen von Schwebt, vermählen, und diesem
dadurch den preußischen Thron sichern, im Fall der schwächliche Kronprinz
Friedrich vor der Zeit sterben sollte. Die Geburt späterer königlicher Prinzen
ließ Leopold von diesem Plan absetzn, aber die Königin bewahrte ihm seit
jener Zeit einen tiefen Groll. Das einfältige Gerücht, daß Anhalt und
Grumbkow sich verschworen hätten, den König und den Kronprinzen bei einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/381>, abgerufen am 26.07.2024.