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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Theatervorstellung ermorden zu lassen, beweist, welche Mittel man damals
zum Sturz der Gegner anwandte. Der König kannte zum Theil diese Ge¬
rüchte, legte aber kein Gewicht darauf, und die beiden Alliirten behielten
ihren vollen Einfluß. Erst als 1717 der Same des Argwohns durch den Be¬
trüger Element in ihm groß gezogen wurde, schien ihre Herrschaft geendigt.
Die Geschichte ist zu bekannt, als daß wir sie hier anders denn andeutend
behandeln dürfen. Von 1717--1720 hielt Element den König umgarnt und
peinigte und quälte ihn durch gefälschte Briefe. Der Monarch verlor allen
Glauben und alle Ruhe, als er von den finstern Plänen las, wie man ihn
in Wusterhausen überfallen und gefangen nehmen wolle, und wie tief Leo¬
pold von Dessau und Grumbkow in dieses Complot verwickelt seien, das in
Wien und in Dresden seinen Ursprung habe. Mitten in diesen Gemüths¬
bewegungen wurde er 1718 auf einer Inspectionsreise in Brandenburg gefähr¬
lich krank, und bestimmte unter dem Eindruck jener Entdeckungen in einem
Testament die Konigin zur alleinigen Regentin mit völligem Ausschluß des
Fürsten von Dessau, der nicht einmal, so wenig wie Grumbkow. an das
Krankenlager vorgelassen wurde. Die Königin gönnte sich den niedern Tri¬
umph, ihre beiden Gegner selbst mit Hohn aus dem Vorzimmer wegzuweisen.
Hinter den Grund der Ungnade zu kommen, war für diese jetzt eine Lebens¬
frage. Der König wurde wieder gesund, und es gelang Leopold, der in dieser
Sache am meisten betheiligt war, und auch den Hauptkampf führte, den Kö¬
nig endlich zur offenen Mittheilung über die Ursache seiner Gemüthsstimmung
zu bringen. Elements Betrügereien zu enthüllen, war schwer, und die Unter¬
suchung, an der der König den lebhaftesten Antheil nahm, zog sich lang hin.
Endlich aber legte Element ein offenes Geständniß ab, und Leopold wie Grumb¬
kow standen nicht blos gerechtfertigt, sondern fester als zuvor da. Die rück¬
sichtslosen Sieger benutzten ihren Erfolg, eine Menge ihrer Gegner mit in
den Proceß zu verwickeln, sie zu stürzen und in Spandau bereuen zu lasse",
mit ihnen um die Herrschaft gekämpft zu haben. Selbst Frau von Blaspiel,
die Vertraute der Königin, wurde auf die Festung geschickt, und eine Zeit
lang auf das härteste behandelt. Die Freude Leopolds zeigte sich bei dem
Unglück dieser Frau in der gemeinsten Art. Ueberhaupt sieht man hier, wie
viel Leopold von Dessau zum großen Mann fehlte. Er war ein guter Ge¬
neral und ein vorzüglicher Soldat, aber die wahre Größe verlangt mehr.
Sie verträgt wol Rauhheit und Wildheit, nimmermehr aber Gemeinheit.
Solch mächtige Günstlinge zu gewinnen, sparten die fremden Höfe keine Mit¬
tel. Grumbkow erhielt um jene Zeit den russischen Andreas- und den pol¬
nischen weißen Adlerorden, beide Ehrenzeichen wahrscheinlich auch mit klingen¬
deren Beweisen der Huld begleitet. Indessen lag die Stärke der beiden
Männer nicht nur in der Kunst ihrer Intriguen, sondern auch in ihrer Fa-


Theatervorstellung ermorden zu lassen, beweist, welche Mittel man damals
zum Sturz der Gegner anwandte. Der König kannte zum Theil diese Ge¬
rüchte, legte aber kein Gewicht darauf, und die beiden Alliirten behielten
ihren vollen Einfluß. Erst als 1717 der Same des Argwohns durch den Be¬
trüger Element in ihm groß gezogen wurde, schien ihre Herrschaft geendigt.
Die Geschichte ist zu bekannt, als daß wir sie hier anders denn andeutend
behandeln dürfen. Von 1717—1720 hielt Element den König umgarnt und
peinigte und quälte ihn durch gefälschte Briefe. Der Monarch verlor allen
Glauben und alle Ruhe, als er von den finstern Plänen las, wie man ihn
in Wusterhausen überfallen und gefangen nehmen wolle, und wie tief Leo¬
pold von Dessau und Grumbkow in dieses Complot verwickelt seien, das in
Wien und in Dresden seinen Ursprung habe. Mitten in diesen Gemüths¬
bewegungen wurde er 1718 auf einer Inspectionsreise in Brandenburg gefähr¬
lich krank, und bestimmte unter dem Eindruck jener Entdeckungen in einem
Testament die Konigin zur alleinigen Regentin mit völligem Ausschluß des
Fürsten von Dessau, der nicht einmal, so wenig wie Grumbkow. an das
Krankenlager vorgelassen wurde. Die Königin gönnte sich den niedern Tri¬
umph, ihre beiden Gegner selbst mit Hohn aus dem Vorzimmer wegzuweisen.
Hinter den Grund der Ungnade zu kommen, war für diese jetzt eine Lebens¬
frage. Der König wurde wieder gesund, und es gelang Leopold, der in dieser
Sache am meisten betheiligt war, und auch den Hauptkampf führte, den Kö¬
nig endlich zur offenen Mittheilung über die Ursache seiner Gemüthsstimmung
zu bringen. Elements Betrügereien zu enthüllen, war schwer, und die Unter¬
suchung, an der der König den lebhaftesten Antheil nahm, zog sich lang hin.
Endlich aber legte Element ein offenes Geständniß ab, und Leopold wie Grumb¬
kow standen nicht blos gerechtfertigt, sondern fester als zuvor da. Die rück¬
sichtslosen Sieger benutzten ihren Erfolg, eine Menge ihrer Gegner mit in
den Proceß zu verwickeln, sie zu stürzen und in Spandau bereuen zu lasse»,
mit ihnen um die Herrschaft gekämpft zu haben. Selbst Frau von Blaspiel,
die Vertraute der Königin, wurde auf die Festung geschickt, und eine Zeit
lang auf das härteste behandelt. Die Freude Leopolds zeigte sich bei dem
Unglück dieser Frau in der gemeinsten Art. Ueberhaupt sieht man hier, wie
viel Leopold von Dessau zum großen Mann fehlte. Er war ein guter Ge¬
neral und ein vorzüglicher Soldat, aber die wahre Größe verlangt mehr.
Sie verträgt wol Rauhheit und Wildheit, nimmermehr aber Gemeinheit.
Solch mächtige Günstlinge zu gewinnen, sparten die fremden Höfe keine Mit¬
tel. Grumbkow erhielt um jene Zeit den russischen Andreas- und den pol¬
nischen weißen Adlerorden, beide Ehrenzeichen wahrscheinlich auch mit klingen¬
deren Beweisen der Huld begleitet. Indessen lag die Stärke der beiden
Männer nicht nur in der Kunst ihrer Intriguen, sondern auch in ihrer Fa-


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[0382] Theatervorstellung ermorden zu lassen, beweist, welche Mittel man damals zum Sturz der Gegner anwandte. Der König kannte zum Theil diese Ge¬ rüchte, legte aber kein Gewicht darauf, und die beiden Alliirten behielten ihren vollen Einfluß. Erst als 1717 der Same des Argwohns durch den Be¬ trüger Element in ihm groß gezogen wurde, schien ihre Herrschaft geendigt. Die Geschichte ist zu bekannt, als daß wir sie hier anders denn andeutend behandeln dürfen. Von 1717—1720 hielt Element den König umgarnt und peinigte und quälte ihn durch gefälschte Briefe. Der Monarch verlor allen Glauben und alle Ruhe, als er von den finstern Plänen las, wie man ihn in Wusterhausen überfallen und gefangen nehmen wolle, und wie tief Leo¬ pold von Dessau und Grumbkow in dieses Complot verwickelt seien, das in Wien und in Dresden seinen Ursprung habe. Mitten in diesen Gemüths¬ bewegungen wurde er 1718 auf einer Inspectionsreise in Brandenburg gefähr¬ lich krank, und bestimmte unter dem Eindruck jener Entdeckungen in einem Testament die Konigin zur alleinigen Regentin mit völligem Ausschluß des Fürsten von Dessau, der nicht einmal, so wenig wie Grumbkow. an das Krankenlager vorgelassen wurde. Die Königin gönnte sich den niedern Tri¬ umph, ihre beiden Gegner selbst mit Hohn aus dem Vorzimmer wegzuweisen. Hinter den Grund der Ungnade zu kommen, war für diese jetzt eine Lebens¬ frage. Der König wurde wieder gesund, und es gelang Leopold, der in dieser Sache am meisten betheiligt war, und auch den Hauptkampf führte, den Kö¬ nig endlich zur offenen Mittheilung über die Ursache seiner Gemüthsstimmung zu bringen. Elements Betrügereien zu enthüllen, war schwer, und die Unter¬ suchung, an der der König den lebhaftesten Antheil nahm, zog sich lang hin. Endlich aber legte Element ein offenes Geständniß ab, und Leopold wie Grumb¬ kow standen nicht blos gerechtfertigt, sondern fester als zuvor da. Die rück¬ sichtslosen Sieger benutzten ihren Erfolg, eine Menge ihrer Gegner mit in den Proceß zu verwickeln, sie zu stürzen und in Spandau bereuen zu lasse», mit ihnen um die Herrschaft gekämpft zu haben. Selbst Frau von Blaspiel, die Vertraute der Königin, wurde auf die Festung geschickt, und eine Zeit lang auf das härteste behandelt. Die Freude Leopolds zeigte sich bei dem Unglück dieser Frau in der gemeinsten Art. Ueberhaupt sieht man hier, wie viel Leopold von Dessau zum großen Mann fehlte. Er war ein guter Ge¬ neral und ein vorzüglicher Soldat, aber die wahre Größe verlangt mehr. Sie verträgt wol Rauhheit und Wildheit, nimmermehr aber Gemeinheit. Solch mächtige Günstlinge zu gewinnen, sparten die fremden Höfe keine Mit¬ tel. Grumbkow erhielt um jene Zeit den russischen Andreas- und den pol¬ nischen weißen Adlerorden, beide Ehrenzeichen wahrscheinlich auch mit klingen¬ deren Beweisen der Huld begleitet. Indessen lag die Stärke der beiden Männer nicht nur in der Kunst ihrer Intriguen, sondern auch in ihrer Fa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/382>, abgerufen am 26.07.2024.