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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Holstein-Gottorp Stettin und Vorpommern bis zum Friedensschluß unter
Sequester nehmen und jede Streitigkeit verhindern wollte. Die Kosten über¬
nahmen beide Fürsten, Friedrich Wilhelm legte sie aber ganz vor. Zar
Peter und König August von Polen genehmigten diese Auskunft, ja sie hat¬
ten dieselbe durch Grumbkows Einfluß, wie man erzählte, selbst veranstaltet.
Als aber die Holsteiner spater ihren Theil an der Schuld nicht bezahlen konn¬
ten, ließ Friedrich Wilhelm ihre Truppen in Stettin durch einen Handstreich
entwaffnen, und feste sich in alleinigen Besitz der Stadt. Darüber beschwerte
sich der holsteinsche Gesandte, Baron von Görz, sehr heftig. Er ging so
weit, in seiner Erbitterung dem Grafen Dohna zu erzählen, wie er von
Grumbkow schmählich verrathen worden sei, dem er doch 4000 Thaler gege¬
ben habe, um ihn zu Gunsten Schwedens und Holsteins zu stimmen. Graf
Dohna benutzte die Gelegenheit und theilte dem König diese Entdeckung
mit. Aber Grumbkow stand zu fest. Er betheuerte dem König seine Treue
und Unbestechlichkeit, und sandte sowol an Dohna als an Görz eine Aus¬
forderung. Mit ersterem wurde der Streit auf dein Kampfplatz beigelegt,
hauptsächlich durch Grumbkows Secundärem. Görz aber erklärte höhnisch, es
sei zu hart, Freund und Geld zugleich zu verlieren. Er würde sich also erst
schießen, wenn ihm Herr von Grumbkow sein Geld zurückgegeben hätte. So
zerschlug sich natürlich die Sache, zumal Görz bald darauf nach Schweden
abging. Als dann Karl XII. noch 1?I4 zurückkehrte, und sich der Krieg
entspann, well Friedrich Wilhelm Stettin nur gegen Erstattung seiner Kosten
zurückgeben wollte, mußte auch Grumbkow noch einmal sein Regiment in
das Feld führen. Er nahm mit dein König lebhaften Antheil an der Bela¬
gerung von Stralsund. Bei der kühnen Erstürmung der schwedischen Werte
auf der Insel Rügen war die Brigade Grumbkow mit betheiligt und stand im
ersten Treffen.

Auch Graf Seckendorff fand sich wieder ein. Er hatte vom Kaiser die
Erlaubniß erhalten, einstweilen unter fremden Fahnen zu dienen und führte
ein sächsisches Hilfscorpö dem König vor Stralsund zu. Hatte er schon
früher in lebhaftem Verkehr mit Grumbkow gestanden, so befestigte das enge
Lagerleben dieses Verhältniß der Freundschaft und Vertraulichkeit natürlich noch
mehr. Nach der Eroberung der Festung ging der König nach Berlin zurück
und Grumbkow begleitete ihn. Damit schloß dessen, so wie Friedrich Wil¬
helms, kriegerische Laufbahn. Zwar folgte der General dem letztern immer
auf die Paraden und Revüen und zu den Lagern, aber an eigentlichen Kriegs-
opcrationen haben sie beide keinen Antheil mehr genommen.

Die nun folgenden Jahre des Friedens geben ein sehr unerquickliches
Bild der Ränke und Pfiffe am berliner Hof. in denen sich die feindlichen
Parteien einander überboten, in denen aber dem alten Dessauer und Grund-


Holstein-Gottorp Stettin und Vorpommern bis zum Friedensschluß unter
Sequester nehmen und jede Streitigkeit verhindern wollte. Die Kosten über¬
nahmen beide Fürsten, Friedrich Wilhelm legte sie aber ganz vor. Zar
Peter und König August von Polen genehmigten diese Auskunft, ja sie hat¬
ten dieselbe durch Grumbkows Einfluß, wie man erzählte, selbst veranstaltet.
Als aber die Holsteiner spater ihren Theil an der Schuld nicht bezahlen konn¬
ten, ließ Friedrich Wilhelm ihre Truppen in Stettin durch einen Handstreich
entwaffnen, und feste sich in alleinigen Besitz der Stadt. Darüber beschwerte
sich der holsteinsche Gesandte, Baron von Görz, sehr heftig. Er ging so
weit, in seiner Erbitterung dem Grafen Dohna zu erzählen, wie er von
Grumbkow schmählich verrathen worden sei, dem er doch 4000 Thaler gege¬
ben habe, um ihn zu Gunsten Schwedens und Holsteins zu stimmen. Graf
Dohna benutzte die Gelegenheit und theilte dem König diese Entdeckung
mit. Aber Grumbkow stand zu fest. Er betheuerte dem König seine Treue
und Unbestechlichkeit, und sandte sowol an Dohna als an Görz eine Aus¬
forderung. Mit ersterem wurde der Streit auf dein Kampfplatz beigelegt,
hauptsächlich durch Grumbkows Secundärem. Görz aber erklärte höhnisch, es
sei zu hart, Freund und Geld zugleich zu verlieren. Er würde sich also erst
schießen, wenn ihm Herr von Grumbkow sein Geld zurückgegeben hätte. So
zerschlug sich natürlich die Sache, zumal Görz bald darauf nach Schweden
abging. Als dann Karl XII. noch 1?I4 zurückkehrte, und sich der Krieg
entspann, well Friedrich Wilhelm Stettin nur gegen Erstattung seiner Kosten
zurückgeben wollte, mußte auch Grumbkow noch einmal sein Regiment in
das Feld führen. Er nahm mit dein König lebhaften Antheil an der Bela¬
gerung von Stralsund. Bei der kühnen Erstürmung der schwedischen Werte
auf der Insel Rügen war die Brigade Grumbkow mit betheiligt und stand im
ersten Treffen.

Auch Graf Seckendorff fand sich wieder ein. Er hatte vom Kaiser die
Erlaubniß erhalten, einstweilen unter fremden Fahnen zu dienen und führte
ein sächsisches Hilfscorpö dem König vor Stralsund zu. Hatte er schon
früher in lebhaftem Verkehr mit Grumbkow gestanden, so befestigte das enge
Lagerleben dieses Verhältniß der Freundschaft und Vertraulichkeit natürlich noch
mehr. Nach der Eroberung der Festung ging der König nach Berlin zurück
und Grumbkow begleitete ihn. Damit schloß dessen, so wie Friedrich Wil¬
helms, kriegerische Laufbahn. Zwar folgte der General dem letztern immer
auf die Paraden und Revüen und zu den Lagern, aber an eigentlichen Kriegs-
opcrationen haben sie beide keinen Antheil mehr genommen.

Die nun folgenden Jahre des Friedens geben ein sehr unerquickliches
Bild der Ränke und Pfiffe am berliner Hof. in denen sich die feindlichen
Parteien einander überboten, in denen aber dem alten Dessauer und Grund-


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[0380] Holstein-Gottorp Stettin und Vorpommern bis zum Friedensschluß unter Sequester nehmen und jede Streitigkeit verhindern wollte. Die Kosten über¬ nahmen beide Fürsten, Friedrich Wilhelm legte sie aber ganz vor. Zar Peter und König August von Polen genehmigten diese Auskunft, ja sie hat¬ ten dieselbe durch Grumbkows Einfluß, wie man erzählte, selbst veranstaltet. Als aber die Holsteiner spater ihren Theil an der Schuld nicht bezahlen konn¬ ten, ließ Friedrich Wilhelm ihre Truppen in Stettin durch einen Handstreich entwaffnen, und feste sich in alleinigen Besitz der Stadt. Darüber beschwerte sich der holsteinsche Gesandte, Baron von Görz, sehr heftig. Er ging so weit, in seiner Erbitterung dem Grafen Dohna zu erzählen, wie er von Grumbkow schmählich verrathen worden sei, dem er doch 4000 Thaler gege¬ ben habe, um ihn zu Gunsten Schwedens und Holsteins zu stimmen. Graf Dohna benutzte die Gelegenheit und theilte dem König diese Entdeckung mit. Aber Grumbkow stand zu fest. Er betheuerte dem König seine Treue und Unbestechlichkeit, und sandte sowol an Dohna als an Görz eine Aus¬ forderung. Mit ersterem wurde der Streit auf dein Kampfplatz beigelegt, hauptsächlich durch Grumbkows Secundärem. Görz aber erklärte höhnisch, es sei zu hart, Freund und Geld zugleich zu verlieren. Er würde sich also erst schießen, wenn ihm Herr von Grumbkow sein Geld zurückgegeben hätte. So zerschlug sich natürlich die Sache, zumal Görz bald darauf nach Schweden abging. Als dann Karl XII. noch 1?I4 zurückkehrte, und sich der Krieg entspann, well Friedrich Wilhelm Stettin nur gegen Erstattung seiner Kosten zurückgeben wollte, mußte auch Grumbkow noch einmal sein Regiment in das Feld führen. Er nahm mit dein König lebhaften Antheil an der Bela¬ gerung von Stralsund. Bei der kühnen Erstürmung der schwedischen Werte auf der Insel Rügen war die Brigade Grumbkow mit betheiligt und stand im ersten Treffen. Auch Graf Seckendorff fand sich wieder ein. Er hatte vom Kaiser die Erlaubniß erhalten, einstweilen unter fremden Fahnen zu dienen und führte ein sächsisches Hilfscorpö dem König vor Stralsund zu. Hatte er schon früher in lebhaftem Verkehr mit Grumbkow gestanden, so befestigte das enge Lagerleben dieses Verhältniß der Freundschaft und Vertraulichkeit natürlich noch mehr. Nach der Eroberung der Festung ging der König nach Berlin zurück und Grumbkow begleitete ihn. Damit schloß dessen, so wie Friedrich Wil¬ helms, kriegerische Laufbahn. Zwar folgte der General dem letztern immer auf die Paraden und Revüen und zu den Lagern, aber an eigentlichen Kriegs- opcrationen haben sie beide keinen Antheil mehr genommen. Die nun folgenden Jahre des Friedens geben ein sehr unerquickliches Bild der Ränke und Pfiffe am berliner Hof. in denen sich die feindlichen Parteien einander überboten, in denen aber dem alten Dessauer und Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/380>, abgerufen am 26.07.2024.