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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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nach den bekannten Septemberunruhen (2. B. S. 94). und meint, daß
"kaum das roheste Heidenthum einzelne schwache Beispiele von ähnlichen
Scheußlichkeiten ausweist, wie sie unsre gebildete Zeit in reichlicher Zahl aus¬
gewiesen hat." Den christlichen König Clodwig, die christliche Bartholomäus¬
nacht und andres hat er wahrscheinlich vergessen. Er fährt dann folgender¬
maßen fort.,

"Mit hündischen Gebelfer wurden die Mordthaten in Frankfurt als Acte
der Gerechtigkeit, und mit gleich hündischen Gebelfer der an Robert Blum
vollzogne Act des Gesetzes und der Gerechtigknt als Mordthat ausgeschrieen;
mit den wuthschnaubenden Stimmen höllischer Geister riefen schmutzige Rebellen
die rechtmäßigen Herrscher als Rebellen, sich als die rechtmäßigen Landesherren
aus, und aus der heiser brüllenden Kehle eines Teufels (freilich eines dummen,
aber doch eines sehr boshaften) kam das Wort des Abgrunds: wir wollen kein
Gesetz, sondern wir wollen volle, blanke Anarchie. Denn Ludwig Simon hat
dies nicht aus sich gesprochen; ein ganz Anderer sprach es aus ihm: er war
nur die Zunge, der Mund, das Werkzeug dieses Andern."

Es ist also der leibhaftige Teufel, der in der Paulskirche gesessen hat.
Man halte das nicht etwa für einen vereinzelten Zornausbruch, ähnliche Kraft-
sprüche finden sich auf jeder dritten Seite. Wir heben nur noch den einen
hervor, der sich durch seine bündige Logik auszeichnet (1. Bd. S. 319, ge¬
schrieben t850).

"Haben wir gelernt, daß die Demokratie, mit allem, was darum und
daran hängt, nichts anders ist, als Dummheit, Schande, Lüderlichkeit, Raub
Diebstahl und Mord? -- Hier gilt kein "Ja. aber--" kein "doch", kein "in¬
deß", kein "freilich" und dergleichen elende Ausflüchte der Schwachköpse. Wer
mit solchen Ausflüchten jetzt noch kommen kann, der ist nicht allein ein ver¬
ächtlicher Schwachkopf und ein Narr, sondern auch selbst ein Diebsgeselle
und Schandengenosse. Wer aus den Jahren 1848 und 1849 wirklich etwas
gelernt hat. der antwortet aus diese Frage mit einem einfachen und tüchtigen
Ja. Wer an das Ja irgend etwas anzuhängen Lust hat. der antwortet eben
damit Nein. Halb-Ja ist ein Nein in der Sprache der Träumer, der entmann¬
ten Schwächlinge und der verächtlichsten Feiglinge. Und wer jetzt noch auf
diese Frage mit Nein oder mit dem halben Ja der Jämmerlinge antworten
kann, der wird in seinem ganzen Leben nichts weiter lernen, denn solche Jahre
der Erkenntniß, der Augenöffnung und Verständigung auch für den Unver¬
ständigsten, Kurzsichtigsten, Blindesten, kommen in einem Menschenalter nicht
zum zweiten Mal."

Das ist handgreiflich gesprochen, und für das Publicum. welches der
Consistorialrath Bilmar im Auge hat. vollkommen geeignet. Aber er verliert
sich zuweilen auch in die Mysterien der Metaphysik, und gibt über die geheim-


nach den bekannten Septemberunruhen (2. B. S. 94). und meint, daß
„kaum das roheste Heidenthum einzelne schwache Beispiele von ähnlichen
Scheußlichkeiten ausweist, wie sie unsre gebildete Zeit in reichlicher Zahl aus¬
gewiesen hat." Den christlichen König Clodwig, die christliche Bartholomäus¬
nacht und andres hat er wahrscheinlich vergessen. Er fährt dann folgender¬
maßen fort.,

„Mit hündischen Gebelfer wurden die Mordthaten in Frankfurt als Acte
der Gerechtigkeit, und mit gleich hündischen Gebelfer der an Robert Blum
vollzogne Act des Gesetzes und der Gerechtigknt als Mordthat ausgeschrieen;
mit den wuthschnaubenden Stimmen höllischer Geister riefen schmutzige Rebellen
die rechtmäßigen Herrscher als Rebellen, sich als die rechtmäßigen Landesherren
aus, und aus der heiser brüllenden Kehle eines Teufels (freilich eines dummen,
aber doch eines sehr boshaften) kam das Wort des Abgrunds: wir wollen kein
Gesetz, sondern wir wollen volle, blanke Anarchie. Denn Ludwig Simon hat
dies nicht aus sich gesprochen; ein ganz Anderer sprach es aus ihm: er war
nur die Zunge, der Mund, das Werkzeug dieses Andern."

Es ist also der leibhaftige Teufel, der in der Paulskirche gesessen hat.
Man halte das nicht etwa für einen vereinzelten Zornausbruch, ähnliche Kraft-
sprüche finden sich auf jeder dritten Seite. Wir heben nur noch den einen
hervor, der sich durch seine bündige Logik auszeichnet (1. Bd. S. 319, ge¬
schrieben t850).

„Haben wir gelernt, daß die Demokratie, mit allem, was darum und
daran hängt, nichts anders ist, als Dummheit, Schande, Lüderlichkeit, Raub
Diebstahl und Mord? — Hier gilt kein „Ja. aber—" kein „doch", kein „in¬
deß", kein "freilich" und dergleichen elende Ausflüchte der Schwachköpse. Wer
mit solchen Ausflüchten jetzt noch kommen kann, der ist nicht allein ein ver¬
ächtlicher Schwachkopf und ein Narr, sondern auch selbst ein Diebsgeselle
und Schandengenosse. Wer aus den Jahren 1848 und 1849 wirklich etwas
gelernt hat. der antwortet aus diese Frage mit einem einfachen und tüchtigen
Ja. Wer an das Ja irgend etwas anzuhängen Lust hat. der antwortet eben
damit Nein. Halb-Ja ist ein Nein in der Sprache der Träumer, der entmann¬
ten Schwächlinge und der verächtlichsten Feiglinge. Und wer jetzt noch auf
diese Frage mit Nein oder mit dem halben Ja der Jämmerlinge antworten
kann, der wird in seinem ganzen Leben nichts weiter lernen, denn solche Jahre
der Erkenntniß, der Augenöffnung und Verständigung auch für den Unver¬
ständigsten, Kurzsichtigsten, Blindesten, kommen in einem Menschenalter nicht
zum zweiten Mal."

Das ist handgreiflich gesprochen, und für das Publicum. welches der
Consistorialrath Bilmar im Auge hat. vollkommen geeignet. Aber er verliert
sich zuweilen auch in die Mysterien der Metaphysik, und gibt über die geheim-


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[0370] nach den bekannten Septemberunruhen (2. B. S. 94). und meint, daß „kaum das roheste Heidenthum einzelne schwache Beispiele von ähnlichen Scheußlichkeiten ausweist, wie sie unsre gebildete Zeit in reichlicher Zahl aus¬ gewiesen hat." Den christlichen König Clodwig, die christliche Bartholomäus¬ nacht und andres hat er wahrscheinlich vergessen. Er fährt dann folgender¬ maßen fort., „Mit hündischen Gebelfer wurden die Mordthaten in Frankfurt als Acte der Gerechtigkeit, und mit gleich hündischen Gebelfer der an Robert Blum vollzogne Act des Gesetzes und der Gerechtigknt als Mordthat ausgeschrieen; mit den wuthschnaubenden Stimmen höllischer Geister riefen schmutzige Rebellen die rechtmäßigen Herrscher als Rebellen, sich als die rechtmäßigen Landesherren aus, und aus der heiser brüllenden Kehle eines Teufels (freilich eines dummen, aber doch eines sehr boshaften) kam das Wort des Abgrunds: wir wollen kein Gesetz, sondern wir wollen volle, blanke Anarchie. Denn Ludwig Simon hat dies nicht aus sich gesprochen; ein ganz Anderer sprach es aus ihm: er war nur die Zunge, der Mund, das Werkzeug dieses Andern." Es ist also der leibhaftige Teufel, der in der Paulskirche gesessen hat. Man halte das nicht etwa für einen vereinzelten Zornausbruch, ähnliche Kraft- sprüche finden sich auf jeder dritten Seite. Wir heben nur noch den einen hervor, der sich durch seine bündige Logik auszeichnet (1. Bd. S. 319, ge¬ schrieben t850). „Haben wir gelernt, daß die Demokratie, mit allem, was darum und daran hängt, nichts anders ist, als Dummheit, Schande, Lüderlichkeit, Raub Diebstahl und Mord? — Hier gilt kein „Ja. aber—" kein „doch", kein „in¬ deß", kein "freilich" und dergleichen elende Ausflüchte der Schwachköpse. Wer mit solchen Ausflüchten jetzt noch kommen kann, der ist nicht allein ein ver¬ ächtlicher Schwachkopf und ein Narr, sondern auch selbst ein Diebsgeselle und Schandengenosse. Wer aus den Jahren 1848 und 1849 wirklich etwas gelernt hat. der antwortet aus diese Frage mit einem einfachen und tüchtigen Ja. Wer an das Ja irgend etwas anzuhängen Lust hat. der antwortet eben damit Nein. Halb-Ja ist ein Nein in der Sprache der Träumer, der entmann¬ ten Schwächlinge und der verächtlichsten Feiglinge. Und wer jetzt noch auf diese Frage mit Nein oder mit dem halben Ja der Jämmerlinge antworten kann, der wird in seinem ganzen Leben nichts weiter lernen, denn solche Jahre der Erkenntniß, der Augenöffnung und Verständigung auch für den Unver¬ ständigsten, Kurzsichtigsten, Blindesten, kommen in einem Menschenalter nicht zum zweiten Mal." Das ist handgreiflich gesprochen, und für das Publicum. welches der Consistorialrath Bilmar im Auge hat. vollkommen geeignet. Aber er verliert sich zuweilen auch in die Mysterien der Metaphysik, und gibt über die geheim-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/370>, abgerufen am 02.07.2024.