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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Soldatenjacke gesteckt wurde, und 1733--1740 in verschiedenen Gegenden, auch in
Italien, als Werbcoffizicr fungirte, bis er endlich entlief und durch eine reiche Hei¬
rath an die Spitze eines Handelshauses in Amsterdam gestellt wurde. Die Bemer¬
kungen über die seltsame Mischung in Swedenborgs Charakter, halb Tollheit, halb
feinster Menschenverstand, sind sehr interessant und ergänzen Kants Träume eines
Geistersehers (1766) aufs glücklichste. --

Die Nichten Mazarins. Studien der Sitten und Charaktere im 17. Jahr¬
hundert, von Am. Ramee, nach der dritten Auflage übersetzt von Fr. Szarvady.
Dresden, Kuntze. -- Es ist hauptsächlich Cousin, der eklektische Philosoph, der in
Frankreich das Interesse für die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts geweckt
hat; unter den zahlreichen Arbeiten, die durch fein Vorbild hervorgerufen sind, ge¬
hört die vorliegende zu den am besten ausgeführten und zu den interessantesten.
Wenn auch der Verfasser weder in der Auswahl der Thatsachen noch in der Form
der Darstellung seinen Hauptzweck verleugnet, das Publicum zu unterhalten, so geht
er doch von sehr tüchtigen Vorarbeiten aus und gibt für das Verständniß Maza¬
rins nicht unwichtige Beitrüge. Auch lernen wir aus diesen Erzählungen sehr gründ¬
lich den Begriff der Fronde kennen, der sich keineswegs auf das 17. Jahrhundert
beschränkt! jener Opposition, der es im Grund aus nichts Anderes ankommt, als
in das einförmige Leben durch unerhörten Scandal einige Abwechselung zu bringen.
-- Einige Proben von der Spiclwuth jener Tage. -- Gourville erleichtert die
Börse von Fouquet in einer halben Stunde um 55,000 Fr.; Herr v. Crequi ver¬
liert an einem Abend 300,000 Fr,; der Marschall von Estrves 100,000; Monsieur
300,000: um zu bezahlen, verkaufte er sein goldenes Geschirr und seine Edelsteine.
Ein Abbe de Gordes ist nur dadurch bekannt geworden, daß er 150,000 Fr. an
den König verlor. Die Herzogin de la Ferts ließ ihre Lieferanten, Schlächter,
Bäcker u. f. w. zusammenkommen, hieß sie sich uni einen Tisch setzen und spielte
mit ihnen eine Art Landsknecht. Sie sagte Fr. v. Staat ins Ohr: ich betrüge sie,
aber nur darum, weil sie mich bestehlen. Die vornehmsten Leute nahmen keinen
Anstand, im Spiel zu betrügen. In allen Schriften jener Zeit ist von des Kardi¬
nals Leidenschaft fürs Spiel bis zu seinem Tode die Rede; so erzählt man, er habe
während seiner Krankheit die Pistolen gewogen, die er gewonnen, um die leichtesten
davon wieder beim Spiel zu verwenden. Ein Spottlied sagt zu ihm:


(jus si tu vsux guf dös ps,rsntss
Dvousent Iss "Ki-vues du, ro^,
?u Iss xsux bien rsnärs eontsntes;
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lieg roz^Z <1s eari'SÄu se <Zs xiqus,
Hui sont dös amis ilorusstiHuss,
Ooousrout Ä ees dvllss sosurs
Dos valsts <Is trstls et dö oosur. --



Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Soldatenjacke gesteckt wurde, und 1733—1740 in verschiedenen Gegenden, auch in
Italien, als Werbcoffizicr fungirte, bis er endlich entlief und durch eine reiche Hei¬
rath an die Spitze eines Handelshauses in Amsterdam gestellt wurde. Die Bemer¬
kungen über die seltsame Mischung in Swedenborgs Charakter, halb Tollheit, halb
feinster Menschenverstand, sind sehr interessant und ergänzen Kants Träume eines
Geistersehers (1766) aufs glücklichste. —

Die Nichten Mazarins. Studien der Sitten und Charaktere im 17. Jahr¬
hundert, von Am. Ramee, nach der dritten Auflage übersetzt von Fr. Szarvady.
Dresden, Kuntze. — Es ist hauptsächlich Cousin, der eklektische Philosoph, der in
Frankreich das Interesse für die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts geweckt
hat; unter den zahlreichen Arbeiten, die durch fein Vorbild hervorgerufen sind, ge¬
hört die vorliegende zu den am besten ausgeführten und zu den interessantesten.
Wenn auch der Verfasser weder in der Auswahl der Thatsachen noch in der Form
der Darstellung seinen Hauptzweck verleugnet, das Publicum zu unterhalten, so geht
er doch von sehr tüchtigen Vorarbeiten aus und gibt für das Verständniß Maza¬
rins nicht unwichtige Beitrüge. Auch lernen wir aus diesen Erzählungen sehr gründ¬
lich den Begriff der Fronde kennen, der sich keineswegs auf das 17. Jahrhundert
beschränkt! jener Opposition, der es im Grund aus nichts Anderes ankommt, als
in das einförmige Leben durch unerhörten Scandal einige Abwechselung zu bringen.
— Einige Proben von der Spiclwuth jener Tage. — Gourville erleichtert die
Börse von Fouquet in einer halben Stunde um 55,000 Fr.; Herr v. Crequi ver¬
liert an einem Abend 300,000 Fr,; der Marschall von Estrves 100,000; Monsieur
300,000: um zu bezahlen, verkaufte er sein goldenes Geschirr und seine Edelsteine.
Ein Abbe de Gordes ist nur dadurch bekannt geworden, daß er 150,000 Fr. an
den König verlor. Die Herzogin de la Ferts ließ ihre Lieferanten, Schlächter,
Bäcker u. f. w. zusammenkommen, hieß sie sich uni einen Tisch setzen und spielte
mit ihnen eine Art Landsknecht. Sie sagte Fr. v. Staat ins Ohr: ich betrüge sie,
aber nur darum, weil sie mich bestehlen. Die vornehmsten Leute nahmen keinen
Anstand, im Spiel zu betrügen. In allen Schriften jener Zeit ist von des Kardi¬
nals Leidenschaft fürs Spiel bis zu seinem Tode die Rede; so erzählt man, er habe
während seiner Krankheit die Pistolen gewogen, die er gewonnen, um die leichtesten
davon wieder beim Spiel zu verwenden. Ein Spottlied sagt zu ihm:


(jus si tu vsux guf dös ps,rsntss
Dvousent Iss »Ki-vues du, ro^,
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Hui sont dös amis ilorusstiHuss,
Ooousrout Ä ees dvllss sosurs
Dos valsts <Is trstls et dö oosur. —



Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0368] Soldatenjacke gesteckt wurde, und 1733—1740 in verschiedenen Gegenden, auch in Italien, als Werbcoffizicr fungirte, bis er endlich entlief und durch eine reiche Hei¬ rath an die Spitze eines Handelshauses in Amsterdam gestellt wurde. Die Bemer¬ kungen über die seltsame Mischung in Swedenborgs Charakter, halb Tollheit, halb feinster Menschenverstand, sind sehr interessant und ergänzen Kants Träume eines Geistersehers (1766) aufs glücklichste. — Die Nichten Mazarins. Studien der Sitten und Charaktere im 17. Jahr¬ hundert, von Am. Ramee, nach der dritten Auflage übersetzt von Fr. Szarvady. Dresden, Kuntze. — Es ist hauptsächlich Cousin, der eklektische Philosoph, der in Frankreich das Interesse für die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts geweckt hat; unter den zahlreichen Arbeiten, die durch fein Vorbild hervorgerufen sind, ge¬ hört die vorliegende zu den am besten ausgeführten und zu den interessantesten. Wenn auch der Verfasser weder in der Auswahl der Thatsachen noch in der Form der Darstellung seinen Hauptzweck verleugnet, das Publicum zu unterhalten, so geht er doch von sehr tüchtigen Vorarbeiten aus und gibt für das Verständniß Maza¬ rins nicht unwichtige Beitrüge. Auch lernen wir aus diesen Erzählungen sehr gründ¬ lich den Begriff der Fronde kennen, der sich keineswegs auf das 17. Jahrhundert beschränkt! jener Opposition, der es im Grund aus nichts Anderes ankommt, als in das einförmige Leben durch unerhörten Scandal einige Abwechselung zu bringen. — Einige Proben von der Spiclwuth jener Tage. — Gourville erleichtert die Börse von Fouquet in einer halben Stunde um 55,000 Fr.; Herr v. Crequi ver¬ liert an einem Abend 300,000 Fr,; der Marschall von Estrves 100,000; Monsieur 300,000: um zu bezahlen, verkaufte er sein goldenes Geschirr und seine Edelsteine. Ein Abbe de Gordes ist nur dadurch bekannt geworden, daß er 150,000 Fr. an den König verlor. Die Herzogin de la Ferts ließ ihre Lieferanten, Schlächter, Bäcker u. f. w. zusammenkommen, hieß sie sich uni einen Tisch setzen und spielte mit ihnen eine Art Landsknecht. Sie sagte Fr. v. Staat ins Ohr: ich betrüge sie, aber nur darum, weil sie mich bestehlen. Die vornehmsten Leute nahmen keinen Anstand, im Spiel zu betrügen. In allen Schriften jener Zeit ist von des Kardi¬ nals Leidenschaft fürs Spiel bis zu seinem Tode die Rede; so erzählt man, er habe während seiner Krankheit die Pistolen gewogen, die er gewonnen, um die leichtesten davon wieder beim Spiel zu verwenden. Ein Spottlied sagt zu ihm: (jus si tu vsux guf dös ps,rsntss Dvousent Iss »Ki-vues du, ro^, ?u Iss xsux bien rsnärs eontsntes; <nar wssiuv dem8 ton 6sgsrrox lieg roz^Z <1s eari'SÄu se <Zs xiqus, Hui sont dös amis ilorusstiHuss, Ooousrout Ä ees dvllss sosurs Dos valsts <Is trstls et dö oosur. — Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/368>, abgerufen am 30.06.2024.