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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Vielleicht wäre es die richtigste Taktik des neuen Ministeriums gewesen, die
officiösen Blätter ganz abzuschaffen und sich mit den officiellen zu begnü¬
gen d. h. mit dem Staatsanzeiger und mit der Preußischen Korrespondenz; auf
keinen Fall wird die Gründung der preußischen Zeitung die unabhängige liberale
Partei der Verpflichtung überheben, in Berlin ein eignes Organ zu- gründen,
denn sie ist bis jetzt in der unbequemen Lage, an die bestehenden Blätter Wünsche
und Zumuthungen zu richten, die diese einfach zurückweisen könnten, da sie kein
Interesse daran haben, eine Partei zu vertreten, die nicht die ihrige ist.




Neue Gedichte.

Wir haben im vorigen Jahrgang (1857. 2. Q. S. 3) über die Gedichte von
Prutz (4. Aufl., Leipzig. I. I. Weber) berichtet, wir sagten u. a.: "In einzelnen
Strophen der letzten Lieder vernehmen wir einen Schrei des Herzens, dessen Realität
sich nicht bezweifeln läßt, und der daher einen poetischen Eindruck macht. Aber
freilich ist dieser Eindruck kein erfreulicher. Während in den politischen Liedern von
1840 die Hoffnung und der Glaube überströmt, herrscht in den Gedichten von 1854
eine Hoffnungslosigkeit, deren niederschlagender Eindruck nur selten durch ein künstliches
Aufraffen unterbrochen wird. Dort spottet der gläubige jugendliche Dichter der Weis¬
heit des Alters, die sich dem Enthusiasmus entzieht und alle Illusionen durch Vernunft¬
gründe auflöst; hier ist er selten in diesem Stadium des Alters, nur daß an Stelle
der Lebensweisheit eine unheimliche Verstimmung sich seiner bemächtigt hat."--In
der Sammlung, die uns jetzt vorliegt: "Aus der Heimath. Neue Gedichte von
Robert Prutz" (Leipzig, Brockhaus), finden wir zwar noch einige Lieder, in denen
die alte Stimmung fortklingt; namentlich wird man durch den Cyklus "Magdalene"
aus eine sehr peinliche Art an den Ernst des Lebens erinnert; dagegen herrscht in
den übrigen, vor allem in dem Cyklus "Zweite Liebe", ein Feuer, das weit über
alles hinausgeht, was Prutz in seiner Jugend gedichtet hat. Es ist nicht blos das
Beste, was Prutz geschrieben, es ist überhaupt das Beste, was in den letzten Jahren
in der Lyrik geleistet ist. In einem dieser Gedichte sagt Prutz:


Ach ihr zuckersüßen Jungen,
Frommgcscheitelt zarte Seelen,
Deren Herz in Aergste" bebt.
Hält ihr Arm ein Weib umschlungen!
Ja, ich darf es nicht verhehlen:
Wahrheit ist, was ich gesungen,
Diese Lieder sind gelebt.

Prutz hätte nicht nöthig gehabt, das zu sagen; in jeder Strophe empfindet
man, daß sie aus dem Herzen kommt.


Vielleicht wäre es die richtigste Taktik des neuen Ministeriums gewesen, die
officiösen Blätter ganz abzuschaffen und sich mit den officiellen zu begnü¬
gen d. h. mit dem Staatsanzeiger und mit der Preußischen Korrespondenz; auf
keinen Fall wird die Gründung der preußischen Zeitung die unabhängige liberale
Partei der Verpflichtung überheben, in Berlin ein eignes Organ zu- gründen,
denn sie ist bis jetzt in der unbequemen Lage, an die bestehenden Blätter Wünsche
und Zumuthungen zu richten, die diese einfach zurückweisen könnten, da sie kein
Interesse daran haben, eine Partei zu vertreten, die nicht die ihrige ist.




Neue Gedichte.

Wir haben im vorigen Jahrgang (1857. 2. Q. S. 3) über die Gedichte von
Prutz (4. Aufl., Leipzig. I. I. Weber) berichtet, wir sagten u. a.: „In einzelnen
Strophen der letzten Lieder vernehmen wir einen Schrei des Herzens, dessen Realität
sich nicht bezweifeln läßt, und der daher einen poetischen Eindruck macht. Aber
freilich ist dieser Eindruck kein erfreulicher. Während in den politischen Liedern von
1840 die Hoffnung und der Glaube überströmt, herrscht in den Gedichten von 1854
eine Hoffnungslosigkeit, deren niederschlagender Eindruck nur selten durch ein künstliches
Aufraffen unterbrochen wird. Dort spottet der gläubige jugendliche Dichter der Weis¬
heit des Alters, die sich dem Enthusiasmus entzieht und alle Illusionen durch Vernunft¬
gründe auflöst; hier ist er selten in diesem Stadium des Alters, nur daß an Stelle
der Lebensweisheit eine unheimliche Verstimmung sich seiner bemächtigt hat."—In
der Sammlung, die uns jetzt vorliegt: „Aus der Heimath. Neue Gedichte von
Robert Prutz" (Leipzig, Brockhaus), finden wir zwar noch einige Lieder, in denen
die alte Stimmung fortklingt; namentlich wird man durch den Cyklus „Magdalene"
aus eine sehr peinliche Art an den Ernst des Lebens erinnert; dagegen herrscht in
den übrigen, vor allem in dem Cyklus „Zweite Liebe", ein Feuer, das weit über
alles hinausgeht, was Prutz in seiner Jugend gedichtet hat. Es ist nicht blos das
Beste, was Prutz geschrieben, es ist überhaupt das Beste, was in den letzten Jahren
in der Lyrik geleistet ist. In einem dieser Gedichte sagt Prutz:


Ach ihr zuckersüßen Jungen,
Frommgcscheitelt zarte Seelen,
Deren Herz in Aergste» bebt.
Hält ihr Arm ein Weib umschlungen!
Ja, ich darf es nicht verhehlen:
Wahrheit ist, was ich gesungen,
Diese Lieder sind gelebt.

Prutz hätte nicht nöthig gehabt, das zu sagen; in jeder Strophe empfindet
man, daß sie aus dem Herzen kommt.


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[0364] Vielleicht wäre es die richtigste Taktik des neuen Ministeriums gewesen, die officiösen Blätter ganz abzuschaffen und sich mit den officiellen zu begnü¬ gen d. h. mit dem Staatsanzeiger und mit der Preußischen Korrespondenz; auf keinen Fall wird die Gründung der preußischen Zeitung die unabhängige liberale Partei der Verpflichtung überheben, in Berlin ein eignes Organ zu- gründen, denn sie ist bis jetzt in der unbequemen Lage, an die bestehenden Blätter Wünsche und Zumuthungen zu richten, die diese einfach zurückweisen könnten, da sie kein Interesse daran haben, eine Partei zu vertreten, die nicht die ihrige ist. Neue Gedichte. Wir haben im vorigen Jahrgang (1857. 2. Q. S. 3) über die Gedichte von Prutz (4. Aufl., Leipzig. I. I. Weber) berichtet, wir sagten u. a.: „In einzelnen Strophen der letzten Lieder vernehmen wir einen Schrei des Herzens, dessen Realität sich nicht bezweifeln läßt, und der daher einen poetischen Eindruck macht. Aber freilich ist dieser Eindruck kein erfreulicher. Während in den politischen Liedern von 1840 die Hoffnung und der Glaube überströmt, herrscht in den Gedichten von 1854 eine Hoffnungslosigkeit, deren niederschlagender Eindruck nur selten durch ein künstliches Aufraffen unterbrochen wird. Dort spottet der gläubige jugendliche Dichter der Weis¬ heit des Alters, die sich dem Enthusiasmus entzieht und alle Illusionen durch Vernunft¬ gründe auflöst; hier ist er selten in diesem Stadium des Alters, nur daß an Stelle der Lebensweisheit eine unheimliche Verstimmung sich seiner bemächtigt hat."—In der Sammlung, die uns jetzt vorliegt: „Aus der Heimath. Neue Gedichte von Robert Prutz" (Leipzig, Brockhaus), finden wir zwar noch einige Lieder, in denen die alte Stimmung fortklingt; namentlich wird man durch den Cyklus „Magdalene" aus eine sehr peinliche Art an den Ernst des Lebens erinnert; dagegen herrscht in den übrigen, vor allem in dem Cyklus „Zweite Liebe", ein Feuer, das weit über alles hinausgeht, was Prutz in seiner Jugend gedichtet hat. Es ist nicht blos das Beste, was Prutz geschrieben, es ist überhaupt das Beste, was in den letzten Jahren in der Lyrik geleistet ist. In einem dieser Gedichte sagt Prutz: Ach ihr zuckersüßen Jungen, Frommgcscheitelt zarte Seelen, Deren Herz in Aergste» bebt. Hält ihr Arm ein Weib umschlungen! Ja, ich darf es nicht verhehlen: Wahrheit ist, was ich gesungen, Diese Lieder sind gelebt. Prutz hätte nicht nöthig gehabt, das zu sagen; in jeder Strophe empfindet man, daß sie aus dem Herzen kommt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/364>, abgerufen am 02.07.2024.