Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.ist, so können wir nie zusammentreffen; ich werde sie nicht belehren und sie Auch das Tagebuch einer Reise durch einen Theil Deutschlands und Ita¬ ist, so können wir nie zusammentreffen; ich werde sie nicht belehren und sie Auch das Tagebuch einer Reise durch einen Theil Deutschlands und Ita¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266159"/> <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924"> ist, so können wir nie zusammentreffen; ich werde sie nicht belehren und sie<lb/> mich nicht; wir bleiben ewig weit auseinander." — „Ich reise weder als Ge¬<lb/> lehrter noch als Kunstkenner, ich reise blos als Mensch, überlasse mich mei¬<lb/> nem Gefühl. — Wem das so recht ist, der schlendre sorglos neben mir her,<lb/> und lasse sich den Strauß von Wiesenblumen gefallen, den ich ihm wandelnd<lb/> zu pflücken gedenke. Wem das nicht genügt, der bleibe zurück und gehe meinetwe¬<lb/> gen spazieren im nächsten Treibhause" (I. K). Gelegentlich stichelt er auch auf die<lb/> Weimarer Kunstfreunde: in der Akademie von Se. Luca in Rom.kommt es Einem<lb/> so vor als ob man zu Weimar in den Saal der Preisausstellung von Goethe träte,<lb/> so sehr schlecht sind sie alle" (III. 32). «Sein Selbstbewußtsein wurde gewiß<lb/> nicht wenig dadurch gesteigert, daß er auf den italienischen Bühnen mehrmals<lb/> seine Stücke ausführen sah. In Neapel spielte man seinen Opfertod, hatte<lb/> aber die Scene weggelassen, wo der hungernde Vater die Semmel in seines<lb/> Kindes Hand gewahr wird, und vom Hunger überwältigt einigemale im<lb/> Begriff steht, sie ihm zu entreißen, allein sein Bedürfniß bekämpft, als er<lb/> hört, daß sein guter Knabe selber halb verschmachtet ist. — „Ich rechne die<lb/> Scene doch immer unter die besten, die ich jemals geschrieben, oder vielmehr<lb/> empfunden habe, und wer weiß, was man davon sagen würde, wenn sie in<lb/> einem Stück von Shakspeare vorkäme, dessen Lear übrigens weit gräßlicher<lb/> ist" (III. 80). Hier einige Proben von seinen Kunsturtheilen. Beim Anblick<lb/> der Niobe war er sehr enttäuscht. „Es ist doch eine vermaledeite Sache um<lb/> das Nachbeten. Warum muß denn immer alles dem Winckelmann nachgebetet<lb/> werden?" u. s. w. (I. 162) An dem Moses von Michel Angelo fand er nichts<lb/> Großes als die Größe. „Man denke sich die Figur einmal verkleinert, so wird<lb/> sie sehr unbedeutend sein. So schmal geschultert und so breitbäuchig bildeten<lb/> die Griechen keinen starken kräftigen Mann. Der abscheulich bis auf den<lb/> Gürtel herabreichende Marmorbart ist vollends unausstehlich" (III. 581).<lb/> Sasso Ferrato war sein Lieblingsmaler (III. 67). — Das Buch schließt mit<lb/> einer Vergleichung Rußlands und Italiens, die natürlich sehr zum Vortheil<lb/> des erstem ausfällt Nach Goethes Reise erscheint die Kotzebues wie die<lb/> Grimassen des Satyrs nach der erhabenen Erscheinung des Heroen in der grie¬<lb/> chischen Tragödie.</p><lb/> <p xml:id="ID_926" next="#ID_927"> Auch das Tagebuch einer Reise durch einen Theil Deutschlands und Ita¬<lb/> liens in den Jahren 1804—1806 von Elise von der Recke, 4 Bände (heraus¬<lb/> gegeben 1815—1817 von Böttiger) enthält im vierten Bande ausführliche<lb/> Abschnitte über Regierungsverfassung. Volkscharakter und Religionszustand der<lb/> Römer. Von der Sentimentalität, die man vielleicht bei der Freundin Tiedges<lb/> (der auch auf dieser Reise ihr Begleiter war) erwartet, ist das Buch frei. Die<lb/> Verfasserin ist von derselben hohen Begeisterung für Italiens Natur, Kunst<lb/> und Alterthum erfüllt, die man in den Reisebeschreibungen des achtzehnten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
ist, so können wir nie zusammentreffen; ich werde sie nicht belehren und sie
mich nicht; wir bleiben ewig weit auseinander." — „Ich reise weder als Ge¬
lehrter noch als Kunstkenner, ich reise blos als Mensch, überlasse mich mei¬
nem Gefühl. — Wem das so recht ist, der schlendre sorglos neben mir her,
und lasse sich den Strauß von Wiesenblumen gefallen, den ich ihm wandelnd
zu pflücken gedenke. Wem das nicht genügt, der bleibe zurück und gehe meinetwe¬
gen spazieren im nächsten Treibhause" (I. K). Gelegentlich stichelt er auch auf die
Weimarer Kunstfreunde: in der Akademie von Se. Luca in Rom.kommt es Einem
so vor als ob man zu Weimar in den Saal der Preisausstellung von Goethe träte,
so sehr schlecht sind sie alle" (III. 32). «Sein Selbstbewußtsein wurde gewiß
nicht wenig dadurch gesteigert, daß er auf den italienischen Bühnen mehrmals
seine Stücke ausführen sah. In Neapel spielte man seinen Opfertod, hatte
aber die Scene weggelassen, wo der hungernde Vater die Semmel in seines
Kindes Hand gewahr wird, und vom Hunger überwältigt einigemale im
Begriff steht, sie ihm zu entreißen, allein sein Bedürfniß bekämpft, als er
hört, daß sein guter Knabe selber halb verschmachtet ist. — „Ich rechne die
Scene doch immer unter die besten, die ich jemals geschrieben, oder vielmehr
empfunden habe, und wer weiß, was man davon sagen würde, wenn sie in
einem Stück von Shakspeare vorkäme, dessen Lear übrigens weit gräßlicher
ist" (III. 80). Hier einige Proben von seinen Kunsturtheilen. Beim Anblick
der Niobe war er sehr enttäuscht. „Es ist doch eine vermaledeite Sache um
das Nachbeten. Warum muß denn immer alles dem Winckelmann nachgebetet
werden?" u. s. w. (I. 162) An dem Moses von Michel Angelo fand er nichts
Großes als die Größe. „Man denke sich die Figur einmal verkleinert, so wird
sie sehr unbedeutend sein. So schmal geschultert und so breitbäuchig bildeten
die Griechen keinen starken kräftigen Mann. Der abscheulich bis auf den
Gürtel herabreichende Marmorbart ist vollends unausstehlich" (III. 581).
Sasso Ferrato war sein Lieblingsmaler (III. 67). — Das Buch schließt mit
einer Vergleichung Rußlands und Italiens, die natürlich sehr zum Vortheil
des erstem ausfällt Nach Goethes Reise erscheint die Kotzebues wie die
Grimassen des Satyrs nach der erhabenen Erscheinung des Heroen in der grie¬
chischen Tragödie.
Auch das Tagebuch einer Reise durch einen Theil Deutschlands und Ita¬
liens in den Jahren 1804—1806 von Elise von der Recke, 4 Bände (heraus¬
gegeben 1815—1817 von Böttiger) enthält im vierten Bande ausführliche
Abschnitte über Regierungsverfassung. Volkscharakter und Religionszustand der
Römer. Von der Sentimentalität, die man vielleicht bei der Freundin Tiedges
(der auch auf dieser Reise ihr Begleiter war) erwartet, ist das Buch frei. Die
Verfasserin ist von derselben hohen Begeisterung für Italiens Natur, Kunst
und Alterthum erfüllt, die man in den Reisebeschreibungen des achtzehnten
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