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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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sanken. Es gelang ihm, durch seine Verbindungen beim Papst durchzusetzen,
daß die Dominicanerklöster in Toscana, die bisher unter dem Pater Provincial
der Lombardei standen, selbstständig organisirt wurden. Gleich daraus wurde
er einstimmig zum Generalvicar derselben erwählt, und konnte nun seine
Reformen in größerem Maßstabe durchsehen. Der Papst, von allen Seiten
auf den talentvollen Mann aufmerksam gemacht, suchte ihn unter der Hand
durch das Versprechen des Cardinalhuts zu gewinnen. Savonarola antwortete
in einer öffentlichen Predigt: "ich will keinen anderen Hut als den des Mär¬
tyrers, roth gefärbt mit meinem eigenen Blut."

Unablässig hatte Savonarola das kommende Strafgericht über Italien
verkündigt, und es kam wirklich. Karl VIII. von Frankreich begann 1494 seinen
abenteuerlichen Zug. und Pietro Medici, der ihn erst durch trotziges Verhalten
gereizt, schloß eigenmächtig einen schimpflichen Vertrag mit ihm ab. Die er¬
zürnten Florentiner vertrieben in einem echt italienischen plötzlichen Entschluß
ihn und seinen Anhang, und Savonarola wurde von dem Volk berufen, an
der neuen Ordnung der Dinge thätigen Antheil zu nehmen.

Höchst wahrscheinlich war er durch dieses Ereignis; außer Fassung gesetzt
und wußte anfangs nicht, wie er es dem Cyklus seiner Prophezeiungen ein¬
reihen sollte. Seine ersten Predigten waren schwächer als gewöhnlich; in
seiner Gesandtschaft an den König benahm er sich sehr ungeschickt. Aber bald
hatte er sich gefaßt und seine Inspirationen mit der Wirklichkeit in Uebereinstim¬
mung gebracht. Seine Vorschläge, als der König endlich abzog und die Stadt in
großer Noth zurückließ, waren Fasten und Gebet, Sammlungen sür die Armen
allenfalls mit Aufopferung der Kirchengeräthe, Verringerung der Steuern, die
auf den untern Classen lasteten, Herstellung einer guten Rechtspflege für
alle. Savonarola war nicht im Princip Republikaner, er glaubte mit
den Theologen des Mittelalters, daß die vollkommenste Negierung die
Monarchie wäre, weil sie mehr als jede andere der Regierung Gottes
gleiche; vorausgesetzt jedoch, daß der Eine, welcher berufen würde, über
seines Gleichen zu herrschen, der Beste unter den übrigen wäre. Aber
als praktischer Mann erkannte er bald, wie schwer es sei, den Besten zu fin¬
den, und warf sich nun mit dem ganzen Eifer seiner Natur in die Demo¬
kratie. Die Staatsreform mußte sich nach seiner Ueberzeugung auf eine vor¬
hergehende Sittenreform gründen. Die Wiederherstellung der Religion sei
das Erste, dann die Verbesserung der Finanz- und Gerichtsverwaltung, eine
allgemeine Amnestie und schließlich eine Verfassung, nach welcher die höchsten
Aemter durch Wahl, die weniger wichtigen durchs Loos verliehen werden.
"Wenn ihr dies alles ohne Widerstreben thut, so verspreche ich euch im Na¬
men Gottes ^die Vergebung eurer Sünden und einen großen Preis im Pa¬
radiese."


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sanken. Es gelang ihm, durch seine Verbindungen beim Papst durchzusetzen,
daß die Dominicanerklöster in Toscana, die bisher unter dem Pater Provincial
der Lombardei standen, selbstständig organisirt wurden. Gleich daraus wurde
er einstimmig zum Generalvicar derselben erwählt, und konnte nun seine
Reformen in größerem Maßstabe durchsehen. Der Papst, von allen Seiten
auf den talentvollen Mann aufmerksam gemacht, suchte ihn unter der Hand
durch das Versprechen des Cardinalhuts zu gewinnen. Savonarola antwortete
in einer öffentlichen Predigt: „ich will keinen anderen Hut als den des Mär¬
tyrers, roth gefärbt mit meinem eigenen Blut."

Unablässig hatte Savonarola das kommende Strafgericht über Italien
verkündigt, und es kam wirklich. Karl VIII. von Frankreich begann 1494 seinen
abenteuerlichen Zug. und Pietro Medici, der ihn erst durch trotziges Verhalten
gereizt, schloß eigenmächtig einen schimpflichen Vertrag mit ihm ab. Die er¬
zürnten Florentiner vertrieben in einem echt italienischen plötzlichen Entschluß
ihn und seinen Anhang, und Savonarola wurde von dem Volk berufen, an
der neuen Ordnung der Dinge thätigen Antheil zu nehmen.

Höchst wahrscheinlich war er durch dieses Ereignis; außer Fassung gesetzt
und wußte anfangs nicht, wie er es dem Cyklus seiner Prophezeiungen ein¬
reihen sollte. Seine ersten Predigten waren schwächer als gewöhnlich; in
seiner Gesandtschaft an den König benahm er sich sehr ungeschickt. Aber bald
hatte er sich gefaßt und seine Inspirationen mit der Wirklichkeit in Uebereinstim¬
mung gebracht. Seine Vorschläge, als der König endlich abzog und die Stadt in
großer Noth zurückließ, waren Fasten und Gebet, Sammlungen sür die Armen
allenfalls mit Aufopferung der Kirchengeräthe, Verringerung der Steuern, die
auf den untern Classen lasteten, Herstellung einer guten Rechtspflege für
alle. Savonarola war nicht im Princip Republikaner, er glaubte mit
den Theologen des Mittelalters, daß die vollkommenste Negierung die
Monarchie wäre, weil sie mehr als jede andere der Regierung Gottes
gleiche; vorausgesetzt jedoch, daß der Eine, welcher berufen würde, über
seines Gleichen zu herrschen, der Beste unter den übrigen wäre. Aber
als praktischer Mann erkannte er bald, wie schwer es sei, den Besten zu fin¬
den, und warf sich nun mit dem ganzen Eifer seiner Natur in die Demo¬
kratie. Die Staatsreform mußte sich nach seiner Ueberzeugung auf eine vor¬
hergehende Sittenreform gründen. Die Wiederherstellung der Religion sei
das Erste, dann die Verbesserung der Finanz- und Gerichtsverwaltung, eine
allgemeine Amnestie und schließlich eine Verfassung, nach welcher die höchsten
Aemter durch Wahl, die weniger wichtigen durchs Loos verliehen werden.
„Wenn ihr dies alles ohne Widerstreben thut, so verspreche ich euch im Na¬
men Gottes ^die Vergebung eurer Sünden und einen großen Preis im Pa¬
radiese."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/339>, abgerufen am 02.07.2024.