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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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wie einst an Amos und Ezechiel: "denn es ist die Pflicht desjenigen, welcher
das Wort Gottes vernimmt, dasselbe den Menschen zu überbringen", und Sa-
vonarola gab sich ohne Rückhalt seinen Inspirationen hin. Schon seit 1486
verkündigte er seine Offenbarung in verschiedenen Städten; in Florenz zuerst
am 1. August 1490. Nun hatte er etwas zu sagen und nun fand er dafür
das mächtige Wort. Die Kirche von San Marco zeigte sich bald zu klein
für die Tausende von Zuhörern; bei der Unsträflichkeit seines Lebenswandels
verbreitete sich der Ruf der Heiligkeit, und sein Leben wird seitdem von einer
Legende umschleiert, deren Spuren man nur mit Mühe von den beglaubigten
Thatsachen zu sondern vermag.

Aber wenn in Savonarvlcis Gemüth der Keim der Mystik lag, so trieb
ihn sein energischer Charakter, was er als Wahrheit schaute, zu Wahrheit zu
machen. Es genügte ihm nicht, die Wiedergeburt zu verkündigen, er mußte
unmittelbar dafür arbeiten. Das Kloster wählte ihn 1491 zum Prior, der
Beschützer desselben, Lorenzo de Medici, suchte ihn zu gewinnen, aber
Savonarola sagte dem Boten: "gehe und melde Lorenzo, daß er für seine
Sünden Buße thue; denn Gott will ihn züchtigen, ihn und die Seinigen."
Lorenzo hatte Gefühl für das Große und Starke, er achtete den kühnen Mönch
und ließ sich von ihm die Sterbesacramente ertheilen, April 1492. Gleich
darauf starb der Papst; Alexander VI. Borgia. der Bater Cäsars und Lukre-
zias wurde das Oberhaupt der Kirche, Lorenzos Sohn Pietro, ein wüster
haltloser Mensch, regierte in Florenz. Bald bedrohte man den Prior wegen
seiner Predigten, und er hatte jetzt in der That ein anderes Geschäft: er setzte
seine Reformen zunächst in seinem Kloster unmittelbar ins Werk. Mit
eiserner Hand, trotz des Widerspruchs der Mönche. Das Wohlleben und
die Trägheit hörten auf. jeder wurde zur Arbeit angewiesen, die Ordens¬
regel auf das strengste durchgeführt. Aber er ging noch darüber hinaus.
Er gebot Einsamkeit und Schweigen, er befahl, daß die Betten nur aus einem
Strohsack, mit einem einzigen Tuch bedeckt, bestehen sollten; er schaffte die
Bücher mit Bildern und die reichen Buchzeichen ab, und endlich, damit seine
Mönche ihr Herz nicht an irdische Güter hängen möchten, ließ er sie oft ihre
Kleider. Bücher und Zellen wechseln. Er gründete drei Lehrstühle für Predi¬
ger und eine Schule für die orientalischen Sprachen, damit die Mönche mit
desto größerem Nutzen die heilige Schrift in den Originalsprachen studiren und
die Wahrheit in entfernten Ländern ausbreiten könnten. In seiner Sitten¬
strenge ein leuchtendes Vorbild, verlangte er viel von seinen Untergebenen und
setzte sein Verlangen durch. "Die Ordensleute müssen Gehorsam üben," sagte
er, "man muß wie der Esel sein, welcher sich rechts und links führen, hinter
sich herschreicn, sich schimpfen und Stockschläge geben läßt, ohne zu murren."

Das Kloster war reformirt; nun drängte es ihn nach einer größeren Wirt-


wie einst an Amos und Ezechiel: „denn es ist die Pflicht desjenigen, welcher
das Wort Gottes vernimmt, dasselbe den Menschen zu überbringen", und Sa-
vonarola gab sich ohne Rückhalt seinen Inspirationen hin. Schon seit 1486
verkündigte er seine Offenbarung in verschiedenen Städten; in Florenz zuerst
am 1. August 1490. Nun hatte er etwas zu sagen und nun fand er dafür
das mächtige Wort. Die Kirche von San Marco zeigte sich bald zu klein
für die Tausende von Zuhörern; bei der Unsträflichkeit seines Lebenswandels
verbreitete sich der Ruf der Heiligkeit, und sein Leben wird seitdem von einer
Legende umschleiert, deren Spuren man nur mit Mühe von den beglaubigten
Thatsachen zu sondern vermag.

Aber wenn in Savonarvlcis Gemüth der Keim der Mystik lag, so trieb
ihn sein energischer Charakter, was er als Wahrheit schaute, zu Wahrheit zu
machen. Es genügte ihm nicht, die Wiedergeburt zu verkündigen, er mußte
unmittelbar dafür arbeiten. Das Kloster wählte ihn 1491 zum Prior, der
Beschützer desselben, Lorenzo de Medici, suchte ihn zu gewinnen, aber
Savonarola sagte dem Boten: „gehe und melde Lorenzo, daß er für seine
Sünden Buße thue; denn Gott will ihn züchtigen, ihn und die Seinigen."
Lorenzo hatte Gefühl für das Große und Starke, er achtete den kühnen Mönch
und ließ sich von ihm die Sterbesacramente ertheilen, April 1492. Gleich
darauf starb der Papst; Alexander VI. Borgia. der Bater Cäsars und Lukre-
zias wurde das Oberhaupt der Kirche, Lorenzos Sohn Pietro, ein wüster
haltloser Mensch, regierte in Florenz. Bald bedrohte man den Prior wegen
seiner Predigten, und er hatte jetzt in der That ein anderes Geschäft: er setzte
seine Reformen zunächst in seinem Kloster unmittelbar ins Werk. Mit
eiserner Hand, trotz des Widerspruchs der Mönche. Das Wohlleben und
die Trägheit hörten auf. jeder wurde zur Arbeit angewiesen, die Ordens¬
regel auf das strengste durchgeführt. Aber er ging noch darüber hinaus.
Er gebot Einsamkeit und Schweigen, er befahl, daß die Betten nur aus einem
Strohsack, mit einem einzigen Tuch bedeckt, bestehen sollten; er schaffte die
Bücher mit Bildern und die reichen Buchzeichen ab, und endlich, damit seine
Mönche ihr Herz nicht an irdische Güter hängen möchten, ließ er sie oft ihre
Kleider. Bücher und Zellen wechseln. Er gründete drei Lehrstühle für Predi¬
ger und eine Schule für die orientalischen Sprachen, damit die Mönche mit
desto größerem Nutzen die heilige Schrift in den Originalsprachen studiren und
die Wahrheit in entfernten Ländern ausbreiten könnten. In seiner Sitten¬
strenge ein leuchtendes Vorbild, verlangte er viel von seinen Untergebenen und
setzte sein Verlangen durch. „Die Ordensleute müssen Gehorsam üben," sagte
er, „man muß wie der Esel sein, welcher sich rechts und links führen, hinter
sich herschreicn, sich schimpfen und Stockschläge geben läßt, ohne zu murren."

Das Kloster war reformirt; nun drängte es ihn nach einer größeren Wirt-


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[0338] wie einst an Amos und Ezechiel: „denn es ist die Pflicht desjenigen, welcher das Wort Gottes vernimmt, dasselbe den Menschen zu überbringen", und Sa- vonarola gab sich ohne Rückhalt seinen Inspirationen hin. Schon seit 1486 verkündigte er seine Offenbarung in verschiedenen Städten; in Florenz zuerst am 1. August 1490. Nun hatte er etwas zu sagen und nun fand er dafür das mächtige Wort. Die Kirche von San Marco zeigte sich bald zu klein für die Tausende von Zuhörern; bei der Unsträflichkeit seines Lebenswandels verbreitete sich der Ruf der Heiligkeit, und sein Leben wird seitdem von einer Legende umschleiert, deren Spuren man nur mit Mühe von den beglaubigten Thatsachen zu sondern vermag. Aber wenn in Savonarvlcis Gemüth der Keim der Mystik lag, so trieb ihn sein energischer Charakter, was er als Wahrheit schaute, zu Wahrheit zu machen. Es genügte ihm nicht, die Wiedergeburt zu verkündigen, er mußte unmittelbar dafür arbeiten. Das Kloster wählte ihn 1491 zum Prior, der Beschützer desselben, Lorenzo de Medici, suchte ihn zu gewinnen, aber Savonarola sagte dem Boten: „gehe und melde Lorenzo, daß er für seine Sünden Buße thue; denn Gott will ihn züchtigen, ihn und die Seinigen." Lorenzo hatte Gefühl für das Große und Starke, er achtete den kühnen Mönch und ließ sich von ihm die Sterbesacramente ertheilen, April 1492. Gleich darauf starb der Papst; Alexander VI. Borgia. der Bater Cäsars und Lukre- zias wurde das Oberhaupt der Kirche, Lorenzos Sohn Pietro, ein wüster haltloser Mensch, regierte in Florenz. Bald bedrohte man den Prior wegen seiner Predigten, und er hatte jetzt in der That ein anderes Geschäft: er setzte seine Reformen zunächst in seinem Kloster unmittelbar ins Werk. Mit eiserner Hand, trotz des Widerspruchs der Mönche. Das Wohlleben und die Trägheit hörten auf. jeder wurde zur Arbeit angewiesen, die Ordens¬ regel auf das strengste durchgeführt. Aber er ging noch darüber hinaus. Er gebot Einsamkeit und Schweigen, er befahl, daß die Betten nur aus einem Strohsack, mit einem einzigen Tuch bedeckt, bestehen sollten; er schaffte die Bücher mit Bildern und die reichen Buchzeichen ab, und endlich, damit seine Mönche ihr Herz nicht an irdische Güter hängen möchten, ließ er sie oft ihre Kleider. Bücher und Zellen wechseln. Er gründete drei Lehrstühle für Predi¬ ger und eine Schule für die orientalischen Sprachen, damit die Mönche mit desto größerem Nutzen die heilige Schrift in den Originalsprachen studiren und die Wahrheit in entfernten Ländern ausbreiten könnten. In seiner Sitten¬ strenge ein leuchtendes Vorbild, verlangte er viel von seinen Untergebenen und setzte sein Verlangen durch. „Die Ordensleute müssen Gehorsam üben," sagte er, „man muß wie der Esel sein, welcher sich rechts und links führen, hinter sich herschreicn, sich schimpfen und Stockschläge geben läßt, ohne zu murren." Das Kloster war reformirt; nun drängte es ihn nach einer größeren Wirt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/338>, abgerufen am 02.07.2024.