Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auch den zumal an Cacao reichen Thälern von Cucuta im östlichen Theil
Neugranadas als Ausfuhrplatz und führt eben dahin nordamerikanische und
europäische Kunstproducte ein.

La Guaira und Puerto Cabello sind aber nicht die einzigen Häfen des
kurzen Küstenstriches, wo die Cordilleren in der Ausdehnung der Provinzen
Carabobo und Caracas hart am Meere aufsteigen. Diese reich gesegnete
Küste zählt außerdem gegen zehn Häfen, zwölf Buchten und eine Anzahl treff¬
licher Untergrunde, mit dem schönsten Schiffsbauholz in unmittelbarer Nähe.
Nur die zwei erstgenannten Häfen dienen der Aus- und Einfuhr, die übrigen
sind deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie in der Nähe, der Gebirgsthäler, der
Sitze des tropischen Ackerbaus gelegen, den Productentransport dahin abkür¬
zen und die Weiterbeförderung nach den Haupthüsen erleichtern. Die Milde
der Gewässer, die ohne Stürme zu kennen das ganze Jahr hindurch von dem
immer gleichen sanft wehenden Nord-Ostpassate bestrichen werden; der dichte
Urwald, der, das immergrüne Kleid der schroffen Bergesrücken, stumm und
schweigsam auf das bewegliche Spiel der Meereswogen niederschaut; die in
der Hitze des Sandbodens am Gestade gedeihenden Palmenwälder mit den
nährenden Cocosfrüchten; die dichtbuschigen Cacaopflanzungen in den Thal¬
gründen und Bcrgspalten, über welchen in lieblichen Cascaden schäumende
Gebirgsbäche herabstürzen, drücken dieser imposanten Küstenkette mit all diesen
unversieglichen Segensquellen den Stempel strotzenden Lebens, üppiger Fülle,
jugendlicher Vollkraft auf, und die tiefe Bläue des Himmels, die Heiterkeit der
Atmosphäre, der Strahlenglanz der Berge in der festlich geschmückten Landschaft
vereinigen das alles zu einem Gesammtbild, das in würdiger, erhabener Weise
die Stimmung des staunenden Fremdlings von Norden her vorbereitet zu dem
Eintritt in den großen weiten Continent des Südens, welchen die gigantischen
Formen der Gebirge sowol als der Vegetation ankündigen. Verlassen wir
das enge schwüle La Guaira, wo bei ausbleibender Seebrise alles nach Küh¬
lung lechzt, welche die Nacht selbst versagt, wo in gleichförmigem Wechsel der
Geschäfte und Einförmigkeit des Lebens der Geist stumpf wird, und der er¬
schlaffende Körper alle Sorge für sich in Anspruch nimmt, besteigen wir ein
rüstiges Saumthier und suchen den Pfad nach den Bergen! Wir vermeiden
aber den sogenannten "neuen Weg", die weniger anziehende, seit 1842 an¬
gelegte Fahrstraße. Noch bleiben uns drei Reitwege: zunächst der sogenannte
"alte Weg", den die Spanier gebaut haben. In zahlreichen Windungen
schlängelt er sich bald zwischen Felsen, bald am Saume jäher Abgründe nach
den Höhen hinan und das aufgerissene Pflaster, auf dem die Hufe der Pferde
und Esel viel leiden/gibt Zeugniß, wie die trefflichen Arbeiten der Spanier
unter den Händen der jungen Republik in Verfall gerathen sind. In der
That, schon im Vorhofe des Landes kündigt sich mit betrübender Wahrheit


auch den zumal an Cacao reichen Thälern von Cucuta im östlichen Theil
Neugranadas als Ausfuhrplatz und führt eben dahin nordamerikanische und
europäische Kunstproducte ein.

La Guaira und Puerto Cabello sind aber nicht die einzigen Häfen des
kurzen Küstenstriches, wo die Cordilleren in der Ausdehnung der Provinzen
Carabobo und Caracas hart am Meere aufsteigen. Diese reich gesegnete
Küste zählt außerdem gegen zehn Häfen, zwölf Buchten und eine Anzahl treff¬
licher Untergrunde, mit dem schönsten Schiffsbauholz in unmittelbarer Nähe.
Nur die zwei erstgenannten Häfen dienen der Aus- und Einfuhr, die übrigen
sind deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie in der Nähe, der Gebirgsthäler, der
Sitze des tropischen Ackerbaus gelegen, den Productentransport dahin abkür¬
zen und die Weiterbeförderung nach den Haupthüsen erleichtern. Die Milde
der Gewässer, die ohne Stürme zu kennen das ganze Jahr hindurch von dem
immer gleichen sanft wehenden Nord-Ostpassate bestrichen werden; der dichte
Urwald, der, das immergrüne Kleid der schroffen Bergesrücken, stumm und
schweigsam auf das bewegliche Spiel der Meereswogen niederschaut; die in
der Hitze des Sandbodens am Gestade gedeihenden Palmenwälder mit den
nährenden Cocosfrüchten; die dichtbuschigen Cacaopflanzungen in den Thal¬
gründen und Bcrgspalten, über welchen in lieblichen Cascaden schäumende
Gebirgsbäche herabstürzen, drücken dieser imposanten Küstenkette mit all diesen
unversieglichen Segensquellen den Stempel strotzenden Lebens, üppiger Fülle,
jugendlicher Vollkraft auf, und die tiefe Bläue des Himmels, die Heiterkeit der
Atmosphäre, der Strahlenglanz der Berge in der festlich geschmückten Landschaft
vereinigen das alles zu einem Gesammtbild, das in würdiger, erhabener Weise
die Stimmung des staunenden Fremdlings von Norden her vorbereitet zu dem
Eintritt in den großen weiten Continent des Südens, welchen die gigantischen
Formen der Gebirge sowol als der Vegetation ankündigen. Verlassen wir
das enge schwüle La Guaira, wo bei ausbleibender Seebrise alles nach Küh¬
lung lechzt, welche die Nacht selbst versagt, wo in gleichförmigem Wechsel der
Geschäfte und Einförmigkeit des Lebens der Geist stumpf wird, und der er¬
schlaffende Körper alle Sorge für sich in Anspruch nimmt, besteigen wir ein
rüstiges Saumthier und suchen den Pfad nach den Bergen! Wir vermeiden
aber den sogenannten „neuen Weg", die weniger anziehende, seit 1842 an¬
gelegte Fahrstraße. Noch bleiben uns drei Reitwege: zunächst der sogenannte
„alte Weg", den die Spanier gebaut haben. In zahlreichen Windungen
schlängelt er sich bald zwischen Felsen, bald am Saume jäher Abgründe nach
den Höhen hinan und das aufgerissene Pflaster, auf dem die Hufe der Pferde
und Esel viel leiden/gibt Zeugniß, wie die trefflichen Arbeiten der Spanier
unter den Händen der jungen Republik in Verfall gerathen sind. In der
That, schon im Vorhofe des Landes kündigt sich mit betrübender Wahrheit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266125"/>
            <p xml:id="ID_841" prev="#ID_840"> auch den zumal an Cacao reichen Thälern von Cucuta im östlichen Theil<lb/>
Neugranadas als Ausfuhrplatz und führt eben dahin nordamerikanische und<lb/>
europäische Kunstproducte ein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_842" next="#ID_843"> La Guaira und Puerto Cabello sind aber nicht die einzigen Häfen des<lb/>
kurzen Küstenstriches, wo die Cordilleren in der Ausdehnung der Provinzen<lb/>
Carabobo und Caracas hart am Meere aufsteigen. Diese reich gesegnete<lb/>
Küste zählt außerdem gegen zehn Häfen, zwölf Buchten und eine Anzahl treff¬<lb/>
licher Untergrunde, mit dem schönsten Schiffsbauholz in unmittelbarer Nähe.<lb/>
Nur die zwei erstgenannten Häfen dienen der Aus- und Einfuhr, die übrigen<lb/>
sind deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie in der Nähe, der Gebirgsthäler, der<lb/>
Sitze des tropischen Ackerbaus gelegen, den Productentransport dahin abkür¬<lb/>
zen und die Weiterbeförderung nach den Haupthüsen erleichtern. Die Milde<lb/>
der Gewässer, die ohne Stürme zu kennen das ganze Jahr hindurch von dem<lb/>
immer gleichen sanft wehenden Nord-Ostpassate bestrichen werden; der dichte<lb/>
Urwald, der, das immergrüne Kleid der schroffen Bergesrücken, stumm und<lb/>
schweigsam auf das bewegliche Spiel der Meereswogen niederschaut; die in<lb/>
der Hitze des Sandbodens am Gestade gedeihenden Palmenwälder mit den<lb/>
nährenden Cocosfrüchten; die dichtbuschigen Cacaopflanzungen in den Thal¬<lb/>
gründen und Bcrgspalten, über welchen in lieblichen Cascaden schäumende<lb/>
Gebirgsbäche herabstürzen, drücken dieser imposanten Küstenkette mit all diesen<lb/>
unversieglichen Segensquellen den Stempel strotzenden Lebens, üppiger Fülle,<lb/>
jugendlicher Vollkraft auf, und die tiefe Bläue des Himmels, die Heiterkeit der<lb/>
Atmosphäre, der Strahlenglanz der Berge in der festlich geschmückten Landschaft<lb/>
vereinigen das alles zu einem Gesammtbild, das in würdiger, erhabener Weise<lb/>
die Stimmung des staunenden Fremdlings von Norden her vorbereitet zu dem<lb/>
Eintritt in den großen weiten Continent des Südens, welchen die gigantischen<lb/>
Formen der Gebirge sowol als der Vegetation ankündigen. Verlassen wir<lb/>
das enge schwüle La Guaira, wo bei ausbleibender Seebrise alles nach Küh¬<lb/>
lung lechzt, welche die Nacht selbst versagt, wo in gleichförmigem Wechsel der<lb/>
Geschäfte und Einförmigkeit des Lebens der Geist stumpf wird, und der er¬<lb/>
schlaffende Körper alle Sorge für sich in Anspruch nimmt, besteigen wir ein<lb/>
rüstiges Saumthier und suchen den Pfad nach den Bergen! Wir vermeiden<lb/>
aber den sogenannten &#x201E;neuen Weg", die weniger anziehende, seit 1842 an¬<lb/>
gelegte Fahrstraße. Noch bleiben uns drei Reitwege: zunächst der sogenannte<lb/>
&#x201E;alte Weg", den die Spanier gebaut haben. In zahlreichen Windungen<lb/>
schlängelt er sich bald zwischen Felsen, bald am Saume jäher Abgründe nach<lb/>
den Höhen hinan und das aufgerissene Pflaster, auf dem die Hufe der Pferde<lb/>
und Esel viel leiden/gibt Zeugniß, wie die trefflichen Arbeiten der Spanier<lb/>
unter den Händen der jungen Republik in Verfall gerathen sind. In der<lb/>
That, schon im Vorhofe des Landes kündigt sich mit betrübender Wahrheit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] auch den zumal an Cacao reichen Thälern von Cucuta im östlichen Theil Neugranadas als Ausfuhrplatz und führt eben dahin nordamerikanische und europäische Kunstproducte ein. La Guaira und Puerto Cabello sind aber nicht die einzigen Häfen des kurzen Küstenstriches, wo die Cordilleren in der Ausdehnung der Provinzen Carabobo und Caracas hart am Meere aufsteigen. Diese reich gesegnete Küste zählt außerdem gegen zehn Häfen, zwölf Buchten und eine Anzahl treff¬ licher Untergrunde, mit dem schönsten Schiffsbauholz in unmittelbarer Nähe. Nur die zwei erstgenannten Häfen dienen der Aus- und Einfuhr, die übrigen sind deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie in der Nähe, der Gebirgsthäler, der Sitze des tropischen Ackerbaus gelegen, den Productentransport dahin abkür¬ zen und die Weiterbeförderung nach den Haupthüsen erleichtern. Die Milde der Gewässer, die ohne Stürme zu kennen das ganze Jahr hindurch von dem immer gleichen sanft wehenden Nord-Ostpassate bestrichen werden; der dichte Urwald, der, das immergrüne Kleid der schroffen Bergesrücken, stumm und schweigsam auf das bewegliche Spiel der Meereswogen niederschaut; die in der Hitze des Sandbodens am Gestade gedeihenden Palmenwälder mit den nährenden Cocosfrüchten; die dichtbuschigen Cacaopflanzungen in den Thal¬ gründen und Bcrgspalten, über welchen in lieblichen Cascaden schäumende Gebirgsbäche herabstürzen, drücken dieser imposanten Küstenkette mit all diesen unversieglichen Segensquellen den Stempel strotzenden Lebens, üppiger Fülle, jugendlicher Vollkraft auf, und die tiefe Bläue des Himmels, die Heiterkeit der Atmosphäre, der Strahlenglanz der Berge in der festlich geschmückten Landschaft vereinigen das alles zu einem Gesammtbild, das in würdiger, erhabener Weise die Stimmung des staunenden Fremdlings von Norden her vorbereitet zu dem Eintritt in den großen weiten Continent des Südens, welchen die gigantischen Formen der Gebirge sowol als der Vegetation ankündigen. Verlassen wir das enge schwüle La Guaira, wo bei ausbleibender Seebrise alles nach Küh¬ lung lechzt, welche die Nacht selbst versagt, wo in gleichförmigem Wechsel der Geschäfte und Einförmigkeit des Lebens der Geist stumpf wird, und der er¬ schlaffende Körper alle Sorge für sich in Anspruch nimmt, besteigen wir ein rüstiges Saumthier und suchen den Pfad nach den Bergen! Wir vermeiden aber den sogenannten „neuen Weg", die weniger anziehende, seit 1842 an¬ gelegte Fahrstraße. Noch bleiben uns drei Reitwege: zunächst der sogenannte „alte Weg", den die Spanier gebaut haben. In zahlreichen Windungen schlängelt er sich bald zwischen Felsen, bald am Saume jäher Abgründe nach den Höhen hinan und das aufgerissene Pflaster, auf dem die Hufe der Pferde und Esel viel leiden/gibt Zeugniß, wie die trefflichen Arbeiten der Spanier unter den Händen der jungen Republik in Verfall gerathen sind. In der That, schon im Vorhofe des Landes kündigt sich mit betrübender Wahrheit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/316>, abgerufen am 03.07.2024.