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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Belieben langt man zu-, nach Tisch geht man gern auf den der See zu¬
gekehrten Balcon. und späht durch ein gutes Fernrohr nach ankommenden
Schiffen. Der Opulenz der Speisen entsprechend zahlt mau für Kaffee, Früh¬
stück und Mittag nicht weniger als 3" Thaler monatlich. Die fremden Hand¬
lungsdiener miethen sich meist zu dritt oder viere ein Häuschen mit drei bis vier
Gemächern. Im Salon werden Hängematten ausgespannt, Schaukelstühle stehen
umher, jeder hat seine kleine Bibliothek. Piano oder Guitarre fehlt selten.
Verschiedene artige Landsleute sprechen englisch. Abends oder Sonntags be¬
sucht man sich gegenseitig; das Erste, was dem Eintretenden angeboten wird,
ist ein Glas Brandy und Wasser, crstrer fehlt in keiner Haushaltung. Die
Meisten sind Theilhaber des Clubs. Dieser besteht für alle Nationen, hat ein
geräumiges Local und Büffet, Billard, Lesezimmer mit Bibliothek und aller¬
hand europäischen Zeitungen, die die allvierzehntägige Post bringt.

Die Deutschen und Engländer bilden weitaus die Mehrzahl der Kauf¬
leute. Die bedeutendsten Häuser gehören ihnen. Sie unterhalten die Post-
verbindung mit Europa, welche durch einen eleganten Schnellsegler von Se.
Thomas aus, wo die englisch-westindischen Dampfboote landen, bewerkstelligt
wird. Auch haben mehre Häuser, da die Nationalschiffahrt höchst unbedeutend
ist. eine Dampfschiffahrt zwischen den drei Haupthafen dieser Küste ins Leben
gerufen, zwischen La Guaira, Puerto Cabello und Maracaibo. Puerto-Cnbello
ist ein ausgezeichneter Hafen. Es liegt 12--15 Meilen weiter westlich ganz
flach auf einem Landvorsprung; sein Name "Haarhafen" soll von der Stille
des Gewässers kommen, welche die Schiffe ganz ans Land heranläßt und sie an
einem Haar zu befestigen verstattet. Der Verkehr ist hier nicht viel geringer,
als in La Guaira, nur in andrer Weise. Das größte Importgeschäft hat
La Guaira, hier sind die ersten merkantilischen Häuser, Capitalien und Lager¬
stätten, häufig mit Zweiggeschäften in Puerto Cabello. Im Exportgeschäft
dagegen ist es nur Speditionsplatz, denn die Producte des Innern werden
schon in Caracas sortirt, verpackt und verkauft. Umgekehrt Puerto Cabello.
Es ist Stapelplatz der zu exportirenden Producte. Die reichsten Provinzen
des Landes, die Thäler von Aragua mit ihrem Mittelpunkt Valencia versen¬
den dahin ihre Erzeugnisse, zumal seitdem die Spedition durch Dampfschiffahrt
auf dem See von Valencia bedeutend erleichtert ist. Hier sind die Lager¬
häuser für die Producte, hier wird der Kaffee erst sortirt, ti-e Ballen
Indigo oder Baumwolle geöffnet und nach der zweiten Verpackung erst das
Geschäft abgeschlossen. Jeder von den zwei Häfen hat bestimmte Provinzen,
die er mit Importen versorgt; gewöhnlich legen die Schiffe erst in La Guaira
an und gehen dann nach Puerto Cabello. Endlich Maracaibo liegt ganz isolirt.
Sein Handel, gleichfalls meist nur von fremden Häusern unterhalten, hat
bedeutend zugenommen; es dient außer den Provinzen Trujillo und Merida


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Belieben langt man zu-, nach Tisch geht man gern auf den der See zu¬
gekehrten Balcon. und späht durch ein gutes Fernrohr nach ankommenden
Schiffen. Der Opulenz der Speisen entsprechend zahlt mau für Kaffee, Früh¬
stück und Mittag nicht weniger als 3» Thaler monatlich. Die fremden Hand¬
lungsdiener miethen sich meist zu dritt oder viere ein Häuschen mit drei bis vier
Gemächern. Im Salon werden Hängematten ausgespannt, Schaukelstühle stehen
umher, jeder hat seine kleine Bibliothek. Piano oder Guitarre fehlt selten.
Verschiedene artige Landsleute sprechen englisch. Abends oder Sonntags be¬
sucht man sich gegenseitig; das Erste, was dem Eintretenden angeboten wird,
ist ein Glas Brandy und Wasser, crstrer fehlt in keiner Haushaltung. Die
Meisten sind Theilhaber des Clubs. Dieser besteht für alle Nationen, hat ein
geräumiges Local und Büffet, Billard, Lesezimmer mit Bibliothek und aller¬
hand europäischen Zeitungen, die die allvierzehntägige Post bringt.

Die Deutschen und Engländer bilden weitaus die Mehrzahl der Kauf¬
leute. Die bedeutendsten Häuser gehören ihnen. Sie unterhalten die Post-
verbindung mit Europa, welche durch einen eleganten Schnellsegler von Se.
Thomas aus, wo die englisch-westindischen Dampfboote landen, bewerkstelligt
wird. Auch haben mehre Häuser, da die Nationalschiffahrt höchst unbedeutend
ist. eine Dampfschiffahrt zwischen den drei Haupthafen dieser Küste ins Leben
gerufen, zwischen La Guaira, Puerto Cabello und Maracaibo. Puerto-Cnbello
ist ein ausgezeichneter Hafen. Es liegt 12—15 Meilen weiter westlich ganz
flach auf einem Landvorsprung; sein Name „Haarhafen" soll von der Stille
des Gewässers kommen, welche die Schiffe ganz ans Land heranläßt und sie an
einem Haar zu befestigen verstattet. Der Verkehr ist hier nicht viel geringer,
als in La Guaira, nur in andrer Weise. Das größte Importgeschäft hat
La Guaira, hier sind die ersten merkantilischen Häuser, Capitalien und Lager¬
stätten, häufig mit Zweiggeschäften in Puerto Cabello. Im Exportgeschäft
dagegen ist es nur Speditionsplatz, denn die Producte des Innern werden
schon in Caracas sortirt, verpackt und verkauft. Umgekehrt Puerto Cabello.
Es ist Stapelplatz der zu exportirenden Producte. Die reichsten Provinzen
des Landes, die Thäler von Aragua mit ihrem Mittelpunkt Valencia versen¬
den dahin ihre Erzeugnisse, zumal seitdem die Spedition durch Dampfschiffahrt
auf dem See von Valencia bedeutend erleichtert ist. Hier sind die Lager¬
häuser für die Producte, hier wird der Kaffee erst sortirt, ti-e Ballen
Indigo oder Baumwolle geöffnet und nach der zweiten Verpackung erst das
Geschäft abgeschlossen. Jeder von den zwei Häfen hat bestimmte Provinzen,
die er mit Importen versorgt; gewöhnlich legen die Schiffe erst in La Guaira
an und gehen dann nach Puerto Cabello. Endlich Maracaibo liegt ganz isolirt.
Sein Handel, gleichfalls meist nur von fremden Häusern unterhalten, hat
bedeutend zugenommen; es dient außer den Provinzen Trujillo und Merida


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[0315] Belieben langt man zu-, nach Tisch geht man gern auf den der See zu¬ gekehrten Balcon. und späht durch ein gutes Fernrohr nach ankommenden Schiffen. Der Opulenz der Speisen entsprechend zahlt mau für Kaffee, Früh¬ stück und Mittag nicht weniger als 3» Thaler monatlich. Die fremden Hand¬ lungsdiener miethen sich meist zu dritt oder viere ein Häuschen mit drei bis vier Gemächern. Im Salon werden Hängematten ausgespannt, Schaukelstühle stehen umher, jeder hat seine kleine Bibliothek. Piano oder Guitarre fehlt selten. Verschiedene artige Landsleute sprechen englisch. Abends oder Sonntags be¬ sucht man sich gegenseitig; das Erste, was dem Eintretenden angeboten wird, ist ein Glas Brandy und Wasser, crstrer fehlt in keiner Haushaltung. Die Meisten sind Theilhaber des Clubs. Dieser besteht für alle Nationen, hat ein geräumiges Local und Büffet, Billard, Lesezimmer mit Bibliothek und aller¬ hand europäischen Zeitungen, die die allvierzehntägige Post bringt. Die Deutschen und Engländer bilden weitaus die Mehrzahl der Kauf¬ leute. Die bedeutendsten Häuser gehören ihnen. Sie unterhalten die Post- verbindung mit Europa, welche durch einen eleganten Schnellsegler von Se. Thomas aus, wo die englisch-westindischen Dampfboote landen, bewerkstelligt wird. Auch haben mehre Häuser, da die Nationalschiffahrt höchst unbedeutend ist. eine Dampfschiffahrt zwischen den drei Haupthafen dieser Küste ins Leben gerufen, zwischen La Guaira, Puerto Cabello und Maracaibo. Puerto-Cnbello ist ein ausgezeichneter Hafen. Es liegt 12—15 Meilen weiter westlich ganz flach auf einem Landvorsprung; sein Name „Haarhafen" soll von der Stille des Gewässers kommen, welche die Schiffe ganz ans Land heranläßt und sie an einem Haar zu befestigen verstattet. Der Verkehr ist hier nicht viel geringer, als in La Guaira, nur in andrer Weise. Das größte Importgeschäft hat La Guaira, hier sind die ersten merkantilischen Häuser, Capitalien und Lager¬ stätten, häufig mit Zweiggeschäften in Puerto Cabello. Im Exportgeschäft dagegen ist es nur Speditionsplatz, denn die Producte des Innern werden schon in Caracas sortirt, verpackt und verkauft. Umgekehrt Puerto Cabello. Es ist Stapelplatz der zu exportirenden Producte. Die reichsten Provinzen des Landes, die Thäler von Aragua mit ihrem Mittelpunkt Valencia versen¬ den dahin ihre Erzeugnisse, zumal seitdem die Spedition durch Dampfschiffahrt auf dem See von Valencia bedeutend erleichtert ist. Hier sind die Lager¬ häuser für die Producte, hier wird der Kaffee erst sortirt, ti-e Ballen Indigo oder Baumwolle geöffnet und nach der zweiten Verpackung erst das Geschäft abgeschlossen. Jeder von den zwei Häfen hat bestimmte Provinzen, die er mit Importen versorgt; gewöhnlich legen die Schiffe erst in La Guaira an und gehen dann nach Puerto Cabello. Endlich Maracaibo liegt ganz isolirt. Sein Handel, gleichfalls meist nur von fremden Häusern unterhalten, hat bedeutend zugenommen; es dient außer den Provinzen Trujillo und Merida 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/315>, abgerufen am 02.07.2024.