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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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dazwischen; braune Jungen springen nackt im Wasser herum, andre schieben
mit einer rüÄlanfcnden Welle ihr Canoe vom Sande ins Wasser, in einem
Nu sitzen sie drin, lassen sich von der Welle fort- und wieder zurücktreiben
und wiederholen dasselbe in unermüdlicher Heiterkeit. Links in dem Schatten
niedriger Palmen verzehrt ein andrer in Ruhe eine Ananas, die er von der
Hökerin unter dem Zelte erhandelt, nahebei kühlen sich Leute aller Farben
unter einem bedeckten Gange, und rings umher füllen unangenehme Düfte
von getrockneten Fischen und Rindshäuten die ohnedies schwüle Atmosphäre.
Weiterhin liegt ein langes Fischerboot auf dem Sand, eine Beute herrlicher
Seefische bringen mehre Mulattcnjungen in Gesäße, ein Alter mit breitkräm-
pigem Hut, furzen weiten Unterhose-n und Hemd darüber trägt mehre Fische
an einem Stäbe über die Schulter gehängt hinweg, neben ihm trabt im
bloßen Hemd, einen Kübel auf dem Kopf, ein kleiner Zambo, dessen schmu-
zig dunkle Farbe und kurzes krauses Haar den in der Kreuzung dem India¬
ner überlegenen Neger verräth, und die Uebrigen richten die Netze wieder ins
Zeug. -- Das fortwährende Tosen der Brandung bildet gewissermaßen den
Grundton des durcheinanderklingenden vielstimmigen Lärmes; das reiche Ge-
berdenspiel des Negers und die gemächliche Geschäftigkeit der Arbeitenden
erhöhen das Eigenthümliche des Eindrucks. Es bleibt selbst dein Eingebür¬
gerten von Interesse, unter dem Schatten des Brctcrgangcs diesem Treiben
zuzusehen.

So anmuthig das an die Felsen angelehnte kleine La Guaira von der
See sich ausnimmt, so verschwindet doch jede Illusion in der Stadt selbst.,
Die meisten Straßen sind krumm, eng und bergig, das Pflaster schlecht. Die
meisten Häuser haben blos Parterres, sonst sind sie einstöckig, mitBalcon; die
hohen Gitterfenster reichen bis unter das Dach. Die untern Straßen bestehen
fast nur aus Kaufläden, Werkstätten. Lagerhäusern, Comptoirs. Hier drängt
sich das geschäftliche Leben auf einen engen Raum zusammen -- eine große
Annehmlichkeit bei der furchtbaren Hitze. Durch die offne hohe Thür sieht man
Kisten und Waaren bis in die Tiefe hinter aufgeschichtet, dazwischen oder ^vorn
steht das Schre>bpult; in Hemdärmeln arbeitet man und geht auch so über
die Straße. Das Leben ist sehr ungenirt. Die Weißen sind größtentheils
Fremde, meist Deutsche, dann Engländer, Franzosen :c.; die Farbigen theils
Eingeborne, theils Eingewanderte von den benachbarten Inseln. Das Ge-
schäftsleben beginnt 6 Uhr; "'/-Uhr folgt Gabelfrühstück bis gegen 11 Uhr.
Schluß des Comptoirs 4 Uhr; Bad. Toilette; zur Tafel 5 Uhr; darauf Spa¬
zierritt oder -- Gang am Meeresgestade. Die Langweile des Abends sucht
man durch geselliges Zusammensein. Musik, Kartenspiel zu vertreiben. Wer
nicht eignen Hausstand hat. frühstückt und ißt in der Posada; in einem langen
lustigen Saal eine Treppe hoch sind Gerichte im Ueberfluß aufgetischt, nach


dazwischen; braune Jungen springen nackt im Wasser herum, andre schieben
mit einer rüÄlanfcnden Welle ihr Canoe vom Sande ins Wasser, in einem
Nu sitzen sie drin, lassen sich von der Welle fort- und wieder zurücktreiben
und wiederholen dasselbe in unermüdlicher Heiterkeit. Links in dem Schatten
niedriger Palmen verzehrt ein andrer in Ruhe eine Ananas, die er von der
Hökerin unter dem Zelte erhandelt, nahebei kühlen sich Leute aller Farben
unter einem bedeckten Gange, und rings umher füllen unangenehme Düfte
von getrockneten Fischen und Rindshäuten die ohnedies schwüle Atmosphäre.
Weiterhin liegt ein langes Fischerboot auf dem Sand, eine Beute herrlicher
Seefische bringen mehre Mulattcnjungen in Gesäße, ein Alter mit breitkräm-
pigem Hut, furzen weiten Unterhose-n und Hemd darüber trägt mehre Fische
an einem Stäbe über die Schulter gehängt hinweg, neben ihm trabt im
bloßen Hemd, einen Kübel auf dem Kopf, ein kleiner Zambo, dessen schmu-
zig dunkle Farbe und kurzes krauses Haar den in der Kreuzung dem India¬
ner überlegenen Neger verräth, und die Uebrigen richten die Netze wieder ins
Zeug. — Das fortwährende Tosen der Brandung bildet gewissermaßen den
Grundton des durcheinanderklingenden vielstimmigen Lärmes; das reiche Ge-
berdenspiel des Negers und die gemächliche Geschäftigkeit der Arbeitenden
erhöhen das Eigenthümliche des Eindrucks. Es bleibt selbst dein Eingebür¬
gerten von Interesse, unter dem Schatten des Brctcrgangcs diesem Treiben
zuzusehen.

So anmuthig das an die Felsen angelehnte kleine La Guaira von der
See sich ausnimmt, so verschwindet doch jede Illusion in der Stadt selbst.,
Die meisten Straßen sind krumm, eng und bergig, das Pflaster schlecht. Die
meisten Häuser haben blos Parterres, sonst sind sie einstöckig, mitBalcon; die
hohen Gitterfenster reichen bis unter das Dach. Die untern Straßen bestehen
fast nur aus Kaufläden, Werkstätten. Lagerhäusern, Comptoirs. Hier drängt
sich das geschäftliche Leben auf einen engen Raum zusammen — eine große
Annehmlichkeit bei der furchtbaren Hitze. Durch die offne hohe Thür sieht man
Kisten und Waaren bis in die Tiefe hinter aufgeschichtet, dazwischen oder ^vorn
steht das Schre>bpult; in Hemdärmeln arbeitet man und geht auch so über
die Straße. Das Leben ist sehr ungenirt. Die Weißen sind größtentheils
Fremde, meist Deutsche, dann Engländer, Franzosen :c.; die Farbigen theils
Eingeborne, theils Eingewanderte von den benachbarten Inseln. Das Ge-
schäftsleben beginnt 6 Uhr; »'/-Uhr folgt Gabelfrühstück bis gegen 11 Uhr.
Schluß des Comptoirs 4 Uhr; Bad. Toilette; zur Tafel 5 Uhr; darauf Spa¬
zierritt oder — Gang am Meeresgestade. Die Langweile des Abends sucht
man durch geselliges Zusammensein. Musik, Kartenspiel zu vertreiben. Wer
nicht eignen Hausstand hat. frühstückt und ißt in der Posada; in einem langen
lustigen Saal eine Treppe hoch sind Gerichte im Ueberfluß aufgetischt, nach


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[0314] dazwischen; braune Jungen springen nackt im Wasser herum, andre schieben mit einer rüÄlanfcnden Welle ihr Canoe vom Sande ins Wasser, in einem Nu sitzen sie drin, lassen sich von der Welle fort- und wieder zurücktreiben und wiederholen dasselbe in unermüdlicher Heiterkeit. Links in dem Schatten niedriger Palmen verzehrt ein andrer in Ruhe eine Ananas, die er von der Hökerin unter dem Zelte erhandelt, nahebei kühlen sich Leute aller Farben unter einem bedeckten Gange, und rings umher füllen unangenehme Düfte von getrockneten Fischen und Rindshäuten die ohnedies schwüle Atmosphäre. Weiterhin liegt ein langes Fischerboot auf dem Sand, eine Beute herrlicher Seefische bringen mehre Mulattcnjungen in Gesäße, ein Alter mit breitkräm- pigem Hut, furzen weiten Unterhose-n und Hemd darüber trägt mehre Fische an einem Stäbe über die Schulter gehängt hinweg, neben ihm trabt im bloßen Hemd, einen Kübel auf dem Kopf, ein kleiner Zambo, dessen schmu- zig dunkle Farbe und kurzes krauses Haar den in der Kreuzung dem India¬ ner überlegenen Neger verräth, und die Uebrigen richten die Netze wieder ins Zeug. — Das fortwährende Tosen der Brandung bildet gewissermaßen den Grundton des durcheinanderklingenden vielstimmigen Lärmes; das reiche Ge- berdenspiel des Negers und die gemächliche Geschäftigkeit der Arbeitenden erhöhen das Eigenthümliche des Eindrucks. Es bleibt selbst dein Eingebür¬ gerten von Interesse, unter dem Schatten des Brctcrgangcs diesem Treiben zuzusehen. So anmuthig das an die Felsen angelehnte kleine La Guaira von der See sich ausnimmt, so verschwindet doch jede Illusion in der Stadt selbst., Die meisten Straßen sind krumm, eng und bergig, das Pflaster schlecht. Die meisten Häuser haben blos Parterres, sonst sind sie einstöckig, mitBalcon; die hohen Gitterfenster reichen bis unter das Dach. Die untern Straßen bestehen fast nur aus Kaufläden, Werkstätten. Lagerhäusern, Comptoirs. Hier drängt sich das geschäftliche Leben auf einen engen Raum zusammen — eine große Annehmlichkeit bei der furchtbaren Hitze. Durch die offne hohe Thür sieht man Kisten und Waaren bis in die Tiefe hinter aufgeschichtet, dazwischen oder ^vorn steht das Schre>bpult; in Hemdärmeln arbeitet man und geht auch so über die Straße. Das Leben ist sehr ungenirt. Die Weißen sind größtentheils Fremde, meist Deutsche, dann Engländer, Franzosen :c.; die Farbigen theils Eingeborne, theils Eingewanderte von den benachbarten Inseln. Das Ge- schäftsleben beginnt 6 Uhr; »'/-Uhr folgt Gabelfrühstück bis gegen 11 Uhr. Schluß des Comptoirs 4 Uhr; Bad. Toilette; zur Tafel 5 Uhr; darauf Spa¬ zierritt oder — Gang am Meeresgestade. Die Langweile des Abends sucht man durch geselliges Zusammensein. Musik, Kartenspiel zu vertreiben. Wer nicht eignen Hausstand hat. frühstückt und ißt in der Posada; in einem langen lustigen Saal eine Treppe hoch sind Gerichte im Ueberfluß aufgetischt, nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/314>, abgerufen am 02.07.2024.