Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einzelnen zwischen Gebirg und See mäßig sich erhebenden Stellen trifft man
Städtchen und Dörfer, über deren Hütten hoch und luftig die Cocospalme
rauscht, oder ganze Palmenwälder heben sich aus dem sandigen Boden, lieb¬
lich abwechselnd mit der melancholischen Cacaopflanzung; an andern Orten,
wo der Boden allmälig steigt oder eine Bergvertiefung Anbau ermöglicht, ist
terrassenartig eine Stadt erstanden. Dahin gehört La Guaira, der wegen
Nähe der^ Hauptstadt bedeutendste Hafen der Küste und Venezuelas überhaupt.
Indeß ist er nur eine offne Rhede. In ziemlicher Entfernung vom Strande
müssen die Schiffe ankern und bleiben ein Spielball der schwankenden Wogen,
daher das Löschen sowol wie das Befrachter viel Ptühe und Zeitverlust
bereitet. "

La Guaira ist ein Städtchen von --500" Einwohnern. Von der
See aus bietet es einen freundlichen Anblick. Die niedrigen Häuser sind
hellgetüncht, zum Theil an die Felsenrücken angebaut und erscheinen mit dem
Hintergrund der majestätischen Bergkette ganz winzig. Die Mitte der lang,
gestreckten Stadt bildet eine wenig vorspringende Landspitze, deren aufsteigender
Boden mit unregelmäßigen Häusermassen besäet ist. Zwei Flügel erstrecken
sich vom schattigen Marktplatz rechts und links in krummer Linie die Buchten
entlang; ein dritter aufwärts in die Bergvertiefung hin. wo in enger Schlucht
zwischen schroffen Felswänden ein Gebirgsbach sein tiefes Bett gegraben.
steinerne Geländer fassen es ein und die nach hinten allmälig sich zusammen¬
schließenden beiden Häuserreihen verbinden massive Brücken. Eine Hafen-
maucr mit wenigen Geschützen zieht sich bogenförmig um die Landspitze herum
bis in die Nähe des geräumigen Zollhauses. Hoch und schmuck zeigt dieses
freundlich mahnend dem Schiffer seine hellgetünchte Vorderseite und öffnet das
weite Thor nach der Straße, welche von der nahen Landungsbrücke aufwärts
führt. Letztere, auf eingerammten Pfählen ruhend, geht ein Stück in die
See. Ein künstlicher Steinwall davor, an dem die Wogen schäumend sich
brechen, schützen sie vor der drohenden Brandung.

Hier betritt der Ankömmling mit kühnem Sprung aus dem heftig schau¬
kelnden Schiffsboot den langvermißten festen Boden. Noch unter den Ein¬
drücken des unsteten Elementes, dem er sich nur durch eine immerhin beschwer¬
liche und fast riskante Ausschiffung entwunden hat, entbehrt er der innern
Nuhe, um sofort das mannigfaltige neue Leben, das ihn umgibt, zu erfassen.
Unter dem Tosen der Brandung und der Glut der tropischen Sonne sind kräf¬
tige Negergestalten, halb nackt, beschäftigt, die auf dem Land liegenden Kaffee-
säcke in das Boot zu befördern; gemüthlich fluchend und schwanke reißend
langen sie sich gegenseitig die Lasten zu; zwei andere nehmen wir herkulischer
Kraft eine 4--5 Centner schwere Kiste auf ihre Schultern und tragen sie
schweißtriefend nach dem Zollhaus. Beamte und Commis reden und laufen


Grenzlwten IV. 1858. 39

einzelnen zwischen Gebirg und See mäßig sich erhebenden Stellen trifft man
Städtchen und Dörfer, über deren Hütten hoch und luftig die Cocospalme
rauscht, oder ganze Palmenwälder heben sich aus dem sandigen Boden, lieb¬
lich abwechselnd mit der melancholischen Cacaopflanzung; an andern Orten,
wo der Boden allmälig steigt oder eine Bergvertiefung Anbau ermöglicht, ist
terrassenartig eine Stadt erstanden. Dahin gehört La Guaira, der wegen
Nähe der^ Hauptstadt bedeutendste Hafen der Küste und Venezuelas überhaupt.
Indeß ist er nur eine offne Rhede. In ziemlicher Entfernung vom Strande
müssen die Schiffe ankern und bleiben ein Spielball der schwankenden Wogen,
daher das Löschen sowol wie das Befrachter viel Ptühe und Zeitverlust
bereitet. »

La Guaira ist ein Städtchen von —500» Einwohnern. Von der
See aus bietet es einen freundlichen Anblick. Die niedrigen Häuser sind
hellgetüncht, zum Theil an die Felsenrücken angebaut und erscheinen mit dem
Hintergrund der majestätischen Bergkette ganz winzig. Die Mitte der lang,
gestreckten Stadt bildet eine wenig vorspringende Landspitze, deren aufsteigender
Boden mit unregelmäßigen Häusermassen besäet ist. Zwei Flügel erstrecken
sich vom schattigen Marktplatz rechts und links in krummer Linie die Buchten
entlang; ein dritter aufwärts in die Bergvertiefung hin. wo in enger Schlucht
zwischen schroffen Felswänden ein Gebirgsbach sein tiefes Bett gegraben.
steinerne Geländer fassen es ein und die nach hinten allmälig sich zusammen¬
schließenden beiden Häuserreihen verbinden massive Brücken. Eine Hafen-
maucr mit wenigen Geschützen zieht sich bogenförmig um die Landspitze herum
bis in die Nähe des geräumigen Zollhauses. Hoch und schmuck zeigt dieses
freundlich mahnend dem Schiffer seine hellgetünchte Vorderseite und öffnet das
weite Thor nach der Straße, welche von der nahen Landungsbrücke aufwärts
führt. Letztere, auf eingerammten Pfählen ruhend, geht ein Stück in die
See. Ein künstlicher Steinwall davor, an dem die Wogen schäumend sich
brechen, schützen sie vor der drohenden Brandung.

Hier betritt der Ankömmling mit kühnem Sprung aus dem heftig schau¬
kelnden Schiffsboot den langvermißten festen Boden. Noch unter den Ein¬
drücken des unsteten Elementes, dem er sich nur durch eine immerhin beschwer¬
liche und fast riskante Ausschiffung entwunden hat, entbehrt er der innern
Nuhe, um sofort das mannigfaltige neue Leben, das ihn umgibt, zu erfassen.
Unter dem Tosen der Brandung und der Glut der tropischen Sonne sind kräf¬
tige Negergestalten, halb nackt, beschäftigt, die auf dem Land liegenden Kaffee-
säcke in das Boot zu befördern; gemüthlich fluchend und schwanke reißend
langen sie sich gegenseitig die Lasten zu; zwei andere nehmen wir herkulischer
Kraft eine 4—5 Centner schwere Kiste auf ihre Schultern und tragen sie
schweißtriefend nach dem Zollhaus. Beamte und Commis reden und laufen


Grenzlwten IV. 1858. 39
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266122"/>
            <p xml:id="ID_834" prev="#ID_833"> einzelnen zwischen Gebirg und See mäßig sich erhebenden Stellen trifft man<lb/>
Städtchen und Dörfer, über deren Hütten hoch und luftig die Cocospalme<lb/>
rauscht, oder ganze Palmenwälder heben sich aus dem sandigen Boden, lieb¬<lb/>
lich abwechselnd mit der melancholischen Cacaopflanzung; an andern Orten,<lb/>
wo der Boden allmälig steigt oder eine Bergvertiefung Anbau ermöglicht, ist<lb/>
terrassenartig eine Stadt erstanden. Dahin gehört La Guaira, der wegen<lb/>
Nähe der^ Hauptstadt bedeutendste Hafen der Küste und Venezuelas überhaupt.<lb/>
Indeß ist er nur eine offne Rhede. In ziemlicher Entfernung vom Strande<lb/>
müssen die Schiffe ankern und bleiben ein Spielball der schwankenden Wogen,<lb/>
daher das Löschen sowol wie das Befrachter viel Ptühe und Zeitverlust<lb/>
bereitet. »</p><lb/>
            <p xml:id="ID_835"> La Guaira ist ein Städtchen von &#x2014;500» Einwohnern. Von der<lb/>
See aus bietet es einen freundlichen Anblick. Die niedrigen Häuser sind<lb/>
hellgetüncht, zum Theil an die Felsenrücken angebaut und erscheinen mit dem<lb/>
Hintergrund der majestätischen Bergkette ganz winzig. Die Mitte der lang,<lb/>
gestreckten Stadt bildet eine wenig vorspringende Landspitze, deren aufsteigender<lb/>
Boden mit unregelmäßigen Häusermassen besäet ist. Zwei Flügel erstrecken<lb/>
sich vom schattigen Marktplatz rechts und links in krummer Linie die Buchten<lb/>
entlang; ein dritter aufwärts in die Bergvertiefung hin. wo in enger Schlucht<lb/>
zwischen schroffen Felswänden ein Gebirgsbach sein tiefes Bett gegraben.<lb/>
steinerne Geländer fassen es ein und die nach hinten allmälig sich zusammen¬<lb/>
schließenden beiden Häuserreihen verbinden massive Brücken. Eine Hafen-<lb/>
maucr mit wenigen Geschützen zieht sich bogenförmig um die Landspitze herum<lb/>
bis in die Nähe des geräumigen Zollhauses. Hoch und schmuck zeigt dieses<lb/>
freundlich mahnend dem Schiffer seine hellgetünchte Vorderseite und öffnet das<lb/>
weite Thor nach der Straße, welche von der nahen Landungsbrücke aufwärts<lb/>
führt. Letztere, auf eingerammten Pfählen ruhend, geht ein Stück in die<lb/>
See. Ein künstlicher Steinwall davor, an dem die Wogen schäumend sich<lb/>
brechen, schützen sie vor der drohenden Brandung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_836" next="#ID_837"> Hier betritt der Ankömmling mit kühnem Sprung aus dem heftig schau¬<lb/>
kelnden Schiffsboot den langvermißten festen Boden. Noch unter den Ein¬<lb/>
drücken des unsteten Elementes, dem er sich nur durch eine immerhin beschwer¬<lb/>
liche und fast riskante Ausschiffung entwunden hat, entbehrt er der innern<lb/>
Nuhe, um sofort das mannigfaltige neue Leben, das ihn umgibt, zu erfassen.<lb/>
Unter dem Tosen der Brandung und der Glut der tropischen Sonne sind kräf¬<lb/>
tige Negergestalten, halb nackt, beschäftigt, die auf dem Land liegenden Kaffee-<lb/>
säcke in das Boot zu befördern; gemüthlich fluchend und schwanke reißend<lb/>
langen sie sich gegenseitig die Lasten zu; zwei andere nehmen wir herkulischer<lb/>
Kraft eine 4&#x2014;5 Centner schwere Kiste auf ihre Schultern und tragen sie<lb/>
schweißtriefend nach dem Zollhaus. Beamte und Commis reden und laufen</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlwten IV. 1858. 39</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] einzelnen zwischen Gebirg und See mäßig sich erhebenden Stellen trifft man Städtchen und Dörfer, über deren Hütten hoch und luftig die Cocospalme rauscht, oder ganze Palmenwälder heben sich aus dem sandigen Boden, lieb¬ lich abwechselnd mit der melancholischen Cacaopflanzung; an andern Orten, wo der Boden allmälig steigt oder eine Bergvertiefung Anbau ermöglicht, ist terrassenartig eine Stadt erstanden. Dahin gehört La Guaira, der wegen Nähe der^ Hauptstadt bedeutendste Hafen der Küste und Venezuelas überhaupt. Indeß ist er nur eine offne Rhede. In ziemlicher Entfernung vom Strande müssen die Schiffe ankern und bleiben ein Spielball der schwankenden Wogen, daher das Löschen sowol wie das Befrachter viel Ptühe und Zeitverlust bereitet. » La Guaira ist ein Städtchen von —500» Einwohnern. Von der See aus bietet es einen freundlichen Anblick. Die niedrigen Häuser sind hellgetüncht, zum Theil an die Felsenrücken angebaut und erscheinen mit dem Hintergrund der majestätischen Bergkette ganz winzig. Die Mitte der lang, gestreckten Stadt bildet eine wenig vorspringende Landspitze, deren aufsteigender Boden mit unregelmäßigen Häusermassen besäet ist. Zwei Flügel erstrecken sich vom schattigen Marktplatz rechts und links in krummer Linie die Buchten entlang; ein dritter aufwärts in die Bergvertiefung hin. wo in enger Schlucht zwischen schroffen Felswänden ein Gebirgsbach sein tiefes Bett gegraben. steinerne Geländer fassen es ein und die nach hinten allmälig sich zusammen¬ schließenden beiden Häuserreihen verbinden massive Brücken. Eine Hafen- maucr mit wenigen Geschützen zieht sich bogenförmig um die Landspitze herum bis in die Nähe des geräumigen Zollhauses. Hoch und schmuck zeigt dieses freundlich mahnend dem Schiffer seine hellgetünchte Vorderseite und öffnet das weite Thor nach der Straße, welche von der nahen Landungsbrücke aufwärts führt. Letztere, auf eingerammten Pfählen ruhend, geht ein Stück in die See. Ein künstlicher Steinwall davor, an dem die Wogen schäumend sich brechen, schützen sie vor der drohenden Brandung. Hier betritt der Ankömmling mit kühnem Sprung aus dem heftig schau¬ kelnden Schiffsboot den langvermißten festen Boden. Noch unter den Ein¬ drücken des unsteten Elementes, dem er sich nur durch eine immerhin beschwer¬ liche und fast riskante Ausschiffung entwunden hat, entbehrt er der innern Nuhe, um sofort das mannigfaltige neue Leben, das ihn umgibt, zu erfassen. Unter dem Tosen der Brandung und der Glut der tropischen Sonne sind kräf¬ tige Negergestalten, halb nackt, beschäftigt, die auf dem Land liegenden Kaffee- säcke in das Boot zu befördern; gemüthlich fluchend und schwanke reißend langen sie sich gegenseitig die Lasten zu; zwei andere nehmen wir herkulischer Kraft eine 4—5 Centner schwere Kiste auf ihre Schultern und tragen sie schweißtriefend nach dem Zollhaus. Beamte und Commis reden und laufen Grenzlwten IV. 1858. 39

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/313>, abgerufen am 04.11.2024.