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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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tenter jemand war. um so eher hatte er Demüthigung von ihm zu erwarten.
Daher fürchteten ihn die Mächtigsten, und eben gegen sie jbowies er den grö߬
ten Stolz. Empörend war oft sein Uebermuth. Gegen niedrigere dagegen
war er freundlich, herablassend, selbst vertraulich, ohne sich etwas zu ver-
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Es war Potemkin, dessen Ehrgeiz den neuen Türkenkrieg 1787 Hervor¬
ries. Dieser Krieg veränderte bekanntlich durchaus die bisherige Konstellation
der europäischen Mächte. Ganz gegen sein natürliches Interesse schloß sich
Oestreich den Eroberungspläncn der russischen Politik an, während England
und Preußen ihr entgegenwirkten. Wegen des Letzteren macht der Verfasser,
der durchweg den russischen Standpunkt festhält, dem damaligen Leiter der
preußischen Politik. Hertzberg, die bittersten Vorwürfe. Dem Urheber des
Kriegs sollte auch die Ehre zu Theil werden, ihn zu führen. Aber Potem¬
kin war mehr Hofmann als Soldat; er überließ die Hauptsache Suworow.
der freilich, wenn er selbstständig handeln wollte, sich die empfindlichsten Ver¬
weise gefallen lassen mußte. Von dieser Zeit beginnen die Briefe Suworows
an seine zehnjährige Tochter Natalie. die einen ähnlichen Eindruck machen,
wie die Briefe Mozarts an seine Cousine. Als Probe möge hier der eine
derselben stehn; der Ton ist in allen der nämliche.

Geliebte Natalie. Du hast mich jenn Deinem Briefe vom 9. Nov. er¬
freut, noch mehr wirst Du mich erfreuen, wenn man Dir das weiße Kleid
(im kaiserlichen Fräuleinstift) anziehn wird und am allermeisten, wenn wir
zusammenleben werden. Fürchte Gott, führe Dich gut auf und ehre Deine
Mutter Sophie Jwanowna (die Vorsteherin im Stifte) sonst zupft sie Dich
bei den Ohren und setzt Dich auf Zwiebäcklein und Wasser. Ich wünsche,
daß Du glücklich die Weihnachten hinbringst. Jesus, unser Erlöser, bewahre
Dich das neue und viele andere Jahre. Ich habe Deinen früheren Brief aus
Mangel an Zeit nicht gelesen, sondern an Schwester Anna Wassijewna ge¬
schickt. Wir haben hier etwas härtere Sträuße gehabt, als wenn ihr euch
an den Haaren zerret, wir haben hübsch tanzen müssen, (bei Kinburn man.
lich): in der Seite ein Kartätschenschuß, im linken Arm ein Löchelchen von
einer Kugel und unter mir dem Pferde das Schnäuzlein weggeschossen: mit
Mühe stiegen wir nach acht Stunden vom Theater ins Kämmerlein. Ich bin
eben erst zurückgekommen; habe in sechs Tagen an 800 Werst zu Pferde ge¬
macht, und zwar am Tage nur. Wie angenehm ists auf dem schwarzen Meer.
Ueberall singen die Schwäne, die Enten, die Schnepfen; auf den Feldern Ler¬
chen, Finken, Füchslein, im Wasser Sterlette, Störe in Unzahl. Leb wohl,
meine Freundin Natascha; ich hoffe Du weißt schon> daß mich meine Mutter,
die Kaiserin, mit dem Andreasbande für Eifer und Treue begnadigt hat. Ich
küsse Dich. Gottes Segen mit Dir. Dein Vater Alexander Suworow.


tenter jemand war. um so eher hatte er Demüthigung von ihm zu erwarten.
Daher fürchteten ihn die Mächtigsten, und eben gegen sie jbowies er den grö߬
ten Stolz. Empörend war oft sein Uebermuth. Gegen niedrigere dagegen
war er freundlich, herablassend, selbst vertraulich, ohne sich etwas zu ver-
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Es war Potemkin, dessen Ehrgeiz den neuen Türkenkrieg 1787 Hervor¬
ries. Dieser Krieg veränderte bekanntlich durchaus die bisherige Konstellation
der europäischen Mächte. Ganz gegen sein natürliches Interesse schloß sich
Oestreich den Eroberungspläncn der russischen Politik an, während England
und Preußen ihr entgegenwirkten. Wegen des Letzteren macht der Verfasser,
der durchweg den russischen Standpunkt festhält, dem damaligen Leiter der
preußischen Politik. Hertzberg, die bittersten Vorwürfe. Dem Urheber des
Kriegs sollte auch die Ehre zu Theil werden, ihn zu führen. Aber Potem¬
kin war mehr Hofmann als Soldat; er überließ die Hauptsache Suworow.
der freilich, wenn er selbstständig handeln wollte, sich die empfindlichsten Ver¬
weise gefallen lassen mußte. Von dieser Zeit beginnen die Briefe Suworows
an seine zehnjährige Tochter Natalie. die einen ähnlichen Eindruck machen,
wie die Briefe Mozarts an seine Cousine. Als Probe möge hier der eine
derselben stehn; der Ton ist in allen der nämliche.

Geliebte Natalie. Du hast mich jenn Deinem Briefe vom 9. Nov. er¬
freut, noch mehr wirst Du mich erfreuen, wenn man Dir das weiße Kleid
(im kaiserlichen Fräuleinstift) anziehn wird und am allermeisten, wenn wir
zusammenleben werden. Fürchte Gott, führe Dich gut auf und ehre Deine
Mutter Sophie Jwanowna (die Vorsteherin im Stifte) sonst zupft sie Dich
bei den Ohren und setzt Dich auf Zwiebäcklein und Wasser. Ich wünsche,
daß Du glücklich die Weihnachten hinbringst. Jesus, unser Erlöser, bewahre
Dich das neue und viele andere Jahre. Ich habe Deinen früheren Brief aus
Mangel an Zeit nicht gelesen, sondern an Schwester Anna Wassijewna ge¬
schickt. Wir haben hier etwas härtere Sträuße gehabt, als wenn ihr euch
an den Haaren zerret, wir haben hübsch tanzen müssen, (bei Kinburn man.
lich): in der Seite ein Kartätschenschuß, im linken Arm ein Löchelchen von
einer Kugel und unter mir dem Pferde das Schnäuzlein weggeschossen: mit
Mühe stiegen wir nach acht Stunden vom Theater ins Kämmerlein. Ich bin
eben erst zurückgekommen; habe in sechs Tagen an 800 Werst zu Pferde ge¬
macht, und zwar am Tage nur. Wie angenehm ists auf dem schwarzen Meer.
Ueberall singen die Schwäne, die Enten, die Schnepfen; auf den Feldern Ler¬
chen, Finken, Füchslein, im Wasser Sterlette, Störe in Unzahl. Leb wohl,
meine Freundin Natascha; ich hoffe Du weißt schon> daß mich meine Mutter,
die Kaiserin, mit dem Andreasbande für Eifer und Treue begnadigt hat. Ich
küsse Dich. Gottes Segen mit Dir. Dein Vater Alexander Suworow.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/270>, abgerufen am 24.08.2024.